«Benötigt gute Lösungsansätze»
28.11.2023 Hägglingen, Region UnterfreiamtHäggligrüen startet mit einem ersten Themenabend in die Wintersaison
Die Aktion Häggligrüen veranstaltet in der Winterzeit weitere Themenabende mit Inhalten zu Nachhaltigkeit, Umwelt und Energie. Der erster Abend befasst sich mit der ...
Häggligrüen startet mit einem ersten Themenabend in die Wintersaison
Die Aktion Häggligrüen veranstaltet in der Winterzeit weitere Themenabende mit Inhalten zu Nachhaltigkeit, Umwelt und Energie. Der erster Abend befasst sich mit der Biodiversität in der Landwirtschaft.
Britta Müller
Zu Beginn der Veranstaltung stimmten sich die rund 40 interessierten Hägglinger mit der SRF-Dokumentation «Das Schweigen der Vögel» auf den Themenabend ein. Der Film schildert sachlich und eindrucksvoll den drastischen Rückgang der Vogelbestände in der Schweiz. Dabei werden die Zusammenhänge mit der heutigen Landwirtschaft, aber auch andere Einflussgrössen aufgezeigt.
Verschiedene Vogelarten sind ganz verschwunden. Im Mittelland der Schweiz scheint die Situation am auffälligsten zu sein. Auch wenn die Landschaften mit üppigen grünen Feldern für den Laien gesund zu sein scheinen, für die Tierwelt ist sie teilweise unbrauchbar geworden. Es gibt kaum bis kein Nistplatz- und Nahrungsangebot. Über 65 Prozent der Vogelarten in der Schweiz sind gefährdet. Fast die Hälfte der natürlichen Lebensräume in der Schweiz sind bedroht.
Für Mario Roost von Aktion Häggligrüen stellt sich die Frage: Kann die Lebensmittelversorgungssicherheit bei gleichzeitiger Erhöhung der Biodiversität sichergestellt werden? Mit der anschliessenden Podiumsdiskussion sollen die Perspektiven der Landwirtschaft, aber auch jene der Wissenschaft und Forschung dazu beleuchtet werden und zu Wort kommen.
Teilverzicht auf Anbauflächen
Die beiden Hägglinger Landwirte Martin Schmid und Josef Schmid stellen dazu ihren jeweiligen Betrieb vor. Beide haben über 20 Hektar landwirtschaftliche Fläche. Josef Schmid ist Landwirt für den Anbau von Obst, Gemüse und Weihnachtsbäumen und Martin Schmid hält neben dem Anbau von Gemüse, Getreide und Raps auch Tiere wie Schweine und Kühe. Und beide haben heute bereits neben ihren Anbauflä- chen ökologische Ausgleichsflächen, wie vom Bund vorgegeben, berücksichtigt. Sie verzichten somit auf einen Teil ihrer Anbauflächen und tun etwas für den Naturschutz und die Biodiversität. In ihrer Arbeit verwenden beide Pflanzenschutzmittel, die für die Tierwelt schädlich sind. «Aber damit bewegen wir uns im gesetzlichen Rahmen», sagt Josef Schmid und ergänzt: «Unser Einsatz wird streng dokumentiert und der Handel merkt schnell durch Rückstandsanalysen von gelieferten Produkten, ob alles korrekt verwendet wurde – wenn nicht, nehmen sie unsere Produkte nicht ab.»
Immer mehr neue Schädlinge
Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln sei notwendig, zu viele Krankheiten und Schädlinge könnten sonst eine ganze Ernte zunichte machen. Auch durch die Globalisierung kommen immer mehr neue Schädlinge auf die Landwirtschaft zu. So wie vor zehn Jahren die Chriesi-Fliege für grosse wirtschaftliche Schäden sorgte oder im Tessin der Japankäfer sein Unwesen treibt. «Wenn der über die Alpen zu uns kommt, haben auch wir ein Problem», sagt Josef Schmid in die Runde.
Für die Lebensmittelsicherung von gesundem Obst, Gemüse und Getreide wurden Rahmenbedingungen geschaffen. Welche Regeln gibt es für die Natur und die Biodiversität? Bei der Anpflanzung, zum Beispiel von Raps, müssen Landwirte nicht nur auf die Gesundheit und den Schutz ihrer Pflanzen achten, sondern auch auf den Boden. «Um die Bodenbeschaffenheit gesund zu erhalten, legen wir bei der Bepf lanzung von Raps Pausen von 4 bis 6 Jahren ein», erklärt Martin Schmid. Trotzdem benötigt es auch hier Pflanzenschutz. «Kein Bauer bespritzt aus Spass seine Pflanzen und Äcker. Wir machen das nur in der notwendigen Menge, um gesunde Erträge zu erzielen und um am Ende davon leben zu können», erklärt Martin Schmid.
Muss im Gespräch bleiben
Michael Eyer ist Fachexperte Pflanzenschutzmittel von Vision Landwirtschaft und durch sein Studium spezialisiert auf die Honigbiene. Er appelliert, die Böden auch für die nächsten Generationen zu erhalten, «die Qualität der Natur muss stimmen und dazu benötigt es gute Lösungsansätze». Neben der Forschungsarbeit braucht es mehr Informationsanlässe wie diese. Man muss im Gespräch mit den unterschiedlichsten Interessengruppen bleiben und immer wieder aufklären, worum es geht und was jeder Einzelne durch sein Verhalten dazu beitragen kann.
Auch vom Publikum erhalten die Podiumsteilnehmer viele Fragen, Ideen und Anmerkungen, wie zum Beispiel, ob sich der technische Einsatz von sogenannten neu entwickelten Hackrobotern, mit denen man den Boden von Unkraut befreit, ohne zum Pflanzenschutzmittel zu greifen, nicht lohnen würde. Pro und Contra werden abgewägt, zumal die Technik noch recht neu ist und als Investition für einen Landwirt erst einmal gestemmt werden muss. Parallel wird diskutiert, wie neben der Landwirtschaft auch Privatpersonen mehr für die Tier- und Pflanzenwelt machen können. Ausserdem sollte die Politik mehr für Schweizer Anbauprodukte werben und damit auch jüngere Generationen damit sensibilisieren, regionale Produkte, die auch mal krumm und schrumpelig gewachsen sind, aber prima schmecken, zu kaufen.
Bevor während dem Apéro weiterdiskutiert werden konnte, appellieren die beiden Landwirte: «Wenn die Hägglinger Bürger etwas für den Naturschutz, die Biodiversität und die Landwirtschaft tun wollen, sollten sie ihre Produkte in regionalen Läden, aber vor allem in den Hofläden zu fairen Preisen kaufen.»