Bei den ganz Grossen mitspielen
29.07.2025 WohlenFür Zukunft neu aufgestellt
Die Camille Bauer in Wohlen hat eine sehr wechselhafte Geschichte hinter sich. Ursprünglich bereits vor mehr als 100 Jahren als Handelsfirma für Messinstrumente gegründet, musste sich die Firma nach dem Zweiten Weltkrieg ...
Für Zukunft neu aufgestellt
Die Camille Bauer in Wohlen hat eine sehr wechselhafte Geschichte hinter sich. Ursprünglich bereits vor mehr als 100 Jahren als Handelsfirma für Messinstrumente gegründet, musste sich die Firma nach dem Zweiten Weltkrieg komplett neu ausrichten. Mit der Übernahme der Produktionsfirma Matter, Patocchi & Co. AG kam die Camille Bauer vor 80 Jahren nach Wohlen, wo sie noch immer ihren Sitz hat. Heute ist das Wohler Unternehmen Teil eines Grosskonzerns. Unter dem Namen Camille Bauer Metrawatt AG stellt man sich wieder einmal mutig den Herausforderungen – und dies vor allen Dingen innovativ und nutzenstiftend. Die Fertigung wird zwar eingestellt, dafür die Entwicklung gestärkt. «Wir bekommen die Chance, bei den ganz Grossen mitzuspielen», freut sich Geschäftsführer Sascha Engels. --chh
Die Camille Bauer vor Veränderungen – die Fertigung schliesst, die Entwicklung wird gestärkt
Die 1944 in Wohlen gegründete Camille Bauer hat schon viele Veränderungen erlebt. Aktuell steht eine weitere an. Das Gesamtunternehmen stellt sich neu auf, der Wohler Betrieb übernimmt neue Aufgaben. «Wir bekommen die Chance, bei den ganz Grossen mitzuspielen», so Geschäftsführer Sascha Engel.
Chregi Hansen
Auf dem Parkplatz vor dem grossen Firmengebäude stehen nur wenige Autos. Und in den Fertigungshallen im Erdgeschoss sind kaum noch Personen am Arbeiten. Auch der Empfang ist nicht mehr besetzt. Auf den ersten Blick sieht es also so aus, als wäre die Camille Bauer in einer Krise. «Der Eindruck täuscht», entgegnet Geschäftsführer Sascha Engel. «Wir sind nicht in einer Krise, sondern im Aufbruch, wir geben richtig Gas.»
Die Camille Bauer hat eine bewegte Geschichte hinter sich. 1979 wird die Wohler Firma an die Gebrüder Röchling aus Mannheim verkauft und wird nur ein paar Jahre später Teil der Unternehmergruppe GMC (Gossen, Metrawatt und Camille Bauer). Vor zwei Jahren schliesslich übernahm das Private-Equity-Unternehmen Klar Partners die Mehrheit der Firmengruppe und vereinigte alle darunter liegenden Marken. Dabei spielen eine gesamthafte Ausrichtung der Marken und die Bündelung der einzelnen Stärken eine wesentliche Rolle.
Erstmals eine Gesamtstrategie
«Die neuen Besitzer sind mit viel Drive unterwegs. Sie haben sehr klare Vorstellungen, verlangen zudem viel, haben aber viel Erfahrung und hören auch auf uns», so Engel. Mit dem Besitzerwechsel habe ein neuer Wind Einzug gehalten. «Jahrelang haben die verschiedenen Firmen der Unternehmensgruppe fast unabhängig voneinander jeweils ihr Ding gemacht. Jetzt wird erstmals eine Strategie für das gesamte Unternehmen entwickelt», berichtet der Geschäftsführer.
Auch die Camille Bauer muss sich in diesem Prozess neu aufstellen. Das gehe, bedauert Engel, leider nicht, ohne sich von gewissen Bereichen zu trennen. Dies betrifft ganz konkret die Fertigung. «Bisher hat jede Firma der Gruppe selbst produziert. Neu gibt es eine Fertigungsstätte für alle», erklärt Sascha Engel. Und die steht eben in Nürnberg. «Wir bauen hier in Wohlen aber nicht bloss ab, sondern stellen uns neu auf», betont der Geschäftsführer. Und dass die Firma hier eigentlich viel zu viel Platz hat, ist kein neues Phänomen, sondern war zuvor schon Tatsache.
Abläufe harmonisieren und Kompetenzen stärken
Der Standort Schweiz wird also aufrechterhalten und weiter gestärkt. Nur anders und zukunftsgerichtet. Auch wenn die Schliessung der Fertigung schmerzt, sei die Stimmung im Betrieb grundsätzlich positiv. «Man spürt eine Aufbruchstimmung, die von allen mitgetragen wird», betont der Geschäftsführer. Er selbst kommt ins Schwärmen, wenn er über die neue Strategie spricht. Jahrzehntelang habe die Camille Bauer in einer kleinen Nische gute Arbeit geleistet. «Jetzt bekommen wir die Chance, bei den ganz Grossen mitzuspielen. Das geht aber nur, wenn wir uns anpassen und die Regeln einhalten, die hier gelten.»
Strom sichtbar machen, das wird immer wichtiger
Es gehe darum, die Effizienz zu steigern, die Abläufe innerhalb der Gruppe zu harmonisieren und die Kompetenzen der einzelnen Firmen zu stärken. «Wir geben einen Teil ab und stärken dafür andere Teile. Und die Aussichten für die Zukunft sehen gut aus», so der Geschäftsführer.
Der Optimismus kommt nicht von ungefähr. Die Herausforderungen im Strommarkt und die geplante Energiewende, sie bieten Chancen für das Wohler Unternehmen. «Wir machen seit Jahrzehnten Strom sichtbar. Und das wird immer wichtiger», erklärt Engel. In einer Zeit, in der die Stromversorgung vermehrt dezentral erfolgt, werden intelligente Systeme immer wichtiger, um Ausfälle, Black-outs und somit Schäden zu vermeiden. Solche Systeme benötigen grundlegende Daten durch präzise Messungen. Hier kommt die Camille Bauer mit ihrer grossen Erfahrung ins Spiel. «Überall muss gemessen werden, das ist gut für uns. Aber wir sind eben längst nicht mehr der einzige Anbieter, wir müssen uns in einem umkämpften Umfeld beweisen», bringt es Sascha Engel auf den Punkt.
Die Camille Bauer Metrawatt AG stellt sich – wieder einmal – mutig den Herausforderungen der Zukunft. Sie entwickelt, produziert und vertreibt ihr Sortiment global in vier technologischen Segmenten. Es geht um die Bereiche Messen und Anzeigen, Netzqualität, Steuern und Überwachen sowie neu auch um die Bereiche von Software-Systemen und -Lösungen. Wohlen ist darum kein Produktionsort mehr, hier wird der Fortschritt vorangetrieben. «Wir entwickeln spezifische und massgeschneiderte Lösungen für unsere Kunden. Wobei wir die Produkte dazu nicht mehr selbst herstellen», führt Engel weiter aus. Dazu braucht es hoch qualifiziertes Personal. Dieses ist in Zeiten des Fachkräftemangels nicht immer einfach zu finden. «Wir stellen jetzt die Weichen für die Zukunft», so der Geschäftsführer. Und die Mitarbeitenden würden diesen Weg mitgehen. «Sogar diejenigen, welche wir in Zukunft nicht mehr beschäftigen können, geben weiterhin ihr Bestes», schwärmt Engel.
Viele spannende Projekte
Und: Die Camille Bauer hat mehrere spannende Referenzprojekte, auf die sie in Zukunft verweisen kann. Etwa das Smart-Grid-Netz der Stadt Zürich. In einer neuen Abwasserreinigungsanlage in den Arabischen Emiraten kommt ebenso Know-how aus Wohlen zum Einsatz wie beim Hochwasserschutz in Venedig oder bei den Stromzählern der Bootsanlieger am Yachthafen in Cannes. Oder, um es in der Fussballsprache zu sagen: «Wir spielen in der ersten Bundesliga mit. Um da zu bestehen, sind Veränderungen nötig, um nicht gleich wieder abzusteigen», so Engel.
Von Krise also keine Spur bei der Camille Bauer in Wohlen, im Gegenteil. «Bei uns herrscht derzeit ganz gute Stimmung», betont Geschäftsführer Sascha Engel. Noch einmal. Und das Tempo sei nötig. «Wir wollen doch nicht den ganzen Markt den anderen überlassen.»