Ausstandspflicht verletzt?
17.01.2025 WohlenGemeindeammann im Visier
Aufsichtsanzeige eingereicht
Wohlens Gemeindeammann Arsène Perroud wurde vor drei Jahren vom Regierungsrat in den Ausstand beordert. Im Zusammenhang mit dem Baugesuch der Firma Stach Investment AG hatte der Regierungsrat eine ...
Gemeindeammann im Visier
Aufsichtsanzeige eingereicht
Wohlens Gemeindeammann Arsène Perroud wurde vor drei Jahren vom Regierungsrat in den Ausstand beordert. Im Zusammenhang mit dem Baugesuch der Firma Stach Investment AG hatte der Regierungsrat eine Befangenheit feststellen müssen. Im letzten Jahr erfolgte eine erneute Auflage des Baugesuchs und nun ein Dienstbarkeitsvertrag mit der Ortsbürgergemeinde. Ammann Perroud, eigentlich immer noch im Ausstand, wirkte an Sitzungen und beim Dienstbarkeitsvertrag erneut mit. Nun wollen drei Ortsbürger mit einer Aufsichtsanzeige abklären, ob Perroud die Ausstandspflicht verletzt hat und ob alles mit rechten Dingen zugegangen ist. --dm
Aufsichtsanzeige gegen Gemeindeammann Arsène Perroud: Zweifelhafte Nähe zu Stach Investment AG
Vor genau drei Jahren beorderte der Regierungsrat den Wohler Gemeindeammann Arsène Perroud in den Ausstand. Es ging dabei um das Baugesuchsverfahren der Firma Stach AG. Nun folgte die zweite Auflage des Baugesuchs plus Dienstbarkeitsvertrag – und Perroud wirkte wieder mit. Das ist nicht in Ordnung, finden drei Ortsbürger, die nun eine Aufsichtsanzeige eingereicht haben.
Daniel Marti
Geht es in Wohlen um die Angelegenheiten des Investors Stach Investment AG mit Sitz in Schindellegi, sollte Gemeindeammann Arsène Perroud Distanz nehmen und in den Ausstand treten – so wie vom Regierungsrat angeordnet. Dies gilt für alle Aktivitäten rund um die Firma Stach AG – dies ist zumindest die Haltung von drei erfahrenen Ortsbürgern.
Mit den Aktivitäten und Abklärungen sowie mit dem Abschluss eines Dienstbarkeitsvertrages rund um das zweite Baugesuch der Stach Investment AG habe Perroud diese Ausstandspflicht verletzt, beklagen Ruedi Donat, Walter Dubler und Hans Meyer. Sie haben deshalb eine Aufsichtsanzeige gegen Gemeindeammann Arsène Perroud beim Departement Volkswirtschaft und Inneres des Kantons Aargau eingereicht. Das Schreiben trägt das Datum vom 9. Januar und liegt der Redaktion vor. Die Anzeige umfasst zehn Seiten und 24 weitere Dokumente.
Regierungsrat sieht Befangenheit des Gemeindeammanns
Der Anfang der unrühmlichen Geschichte geht auf den 26. Januar 2022 zurück. Damals stimmte der Regierungsrat einem Ausstandsbegehren gegen Gemeindeammann Arsène Perroud und einem Mitarbeiter der Gemeindeverwaltung Wohlen zu. Das Ausstandsbegehren wurde damals von Einsprechern gegen das Baugesuch der Stach Investment AG am Freihofweg eingereicht. Der Regierungsratsbeschluss, Perroud in den Ausstand zu beordern, wurde damals umfangreich begründet. Auch dieses Dokument liegt der Redaktion vor. Es wurde im Frühjahr 2022 in dieser Zeitung darüber berichtet.
Zur regierungsrätlichen Begründung: Perroud nahm damals an einer Sitzung einer Arbeitsgruppe teil rund um das Stach-Bauprojekt. Diese Sitzung hätte er wegen den aufgegriffenen Themen nicht besuchen dürfen. Diese Arbeitsgruppe fungierte praktisch als Beraterin der Firma Stach AG, so der Regierungsrat. «Allein schon die Teilnahme an dieser Sitzung würde genügen, um bei objektiver Betrachtung die Befangenheit des Gemeindeammanns Arsène Perroud zu bejahen», hielt der Regierungsrat fest. Der Regierungsrat kam zur Überzeugung, dass in dieser Situation berechtigterweise zu befürchten sei, dass «der Gemeindeammann nicht mehr imstande ist, die Einwände gegenüber dem Bauprojekt mit hinreichender Offenheit und Unabhängigkeit zu prüfen».
Ammann hat sich festgelegt …
Den Gesuchstellenden wurde damals zugestimmt, «dass bei Gemeindeammann Perroud bei objektiver Betrachtung der Anschein entstehen kann, er habe sich als Mitglied der Arbeitsgruppe in der Sache bereits festgelegt. Darum hat Gemeindeammann Arsène Perroud beim Entscheid über das Baugesuch in den Ausstand zu treten.»
Die weiteren Mitglieder des Gemeinderates haben laut Regierungsrat «die Pflicht, unbefangen über das Baugesuch zu entscheiden». Der Regierungsrat hat bereits in seinem Beschluss vom Januar 2022 einen allfälligen Dienstbarkeitsvertrag in dieser Angelegenheit angesprochen. Der Gemeinderat vertritt die Ortsbürgergemeinde als Eigentümerin der Parzelle mit dem Anwesen Villa Isler (Nachbarparzelle von Stach AG).
Es sei nicht erkennbar, inwiefern sich der Gemeinderat durch eine «Dienstbarkeit gebunden fühlen sollte, die Baubewilligung zu erteilen», so der Regierungsrat. Im Gegenteil, die Parzelle der Ortsbürgergemeinde werde belastet, «was den Gemeinderat eher dazu verleiten könnte, die Baubewilligung nicht zu erteilen. Es liegen keine Umstände vor, die vermuten lassen, dass der Gemeinderat als Vertretung der Ortsbürgergemeinde gezwungen war, einer Dienstbarkeit zuzustimmen. «Die Ortsbürgergemeinde war frei in der Entscheidung, eine Dienstbarkeit zu erteilen, unabhängig von der Beurteilung, ob das Bauprojekt zu bewilligen ist oder nicht.»
Mit der zweiten Auflage nicht an Ausstandspflicht gehalten
Gleich doppelt hat der Regierungsrat seinen Entscheid unter «Fazit» und «Beschluss» gestützt. Der Originaltext: «Gemeindeammann Arsène Perroud und Marc Meier, Abteilungsleiter Baugesuche, haben in den Ausstand zu treten. Die vom Ausstand betroffenen Personen dürfen am Entscheid über das Baugesuch nicht mitwirken. Das Baugesuchsverfahren ist durch den Gemeinderat Wohlen im Ausstand des Gemeindeammanns Arsène Perroud und von Abteilungsleiter Marc Meier weiter zu bearbeiten.»
Danach ruhte die Angelegenheit. Von Mitte Juli bis Mitte August 2024 lag das Baugesuch der Stach AG erneut öffentlich auf. Es gingen wiederum verschiedene Einsprachen ein. Die drei Ortsbürger werden in der Aufsichtsanzeige rund um die Fortsetzung deutlich. Sie zeigen im Detail auf, «dass sich Gemeindeammann Perroud nicht an seine Ausstandspflicht gehalten hat».
Hier kommt die denkmalgeschützte Villa Isler ins Spiel und die erste Volksinitiative der Ortsbürgergemeinde, deren Initianten Ruedi Donat, Walter Dubler, Hans Meyer und Kurt Meier sind. Es wurden 200 gültige Unterschriften eingereicht (was 31,6 Prozent der Stimmberechtigten entspricht). Die Initiative verlangt, dass die Einräumung von Rechten an Grundstücken wieder in die Zuständigkeit der Versammlung der Ortsbürgergemeinde fallen soll – weg vom Gemeinderat.
Anlass für diese Änderung ist das Baubegehren der Firma Stach AG Investment AG mit zwei Mehrfamilienhäusern am Freihofweg.
Gemeinderat mitten im Interessenskonflikt
«Nur wenn die Ortsbürgergemeinde Land abtritt oder eine Dienstbarkeit einräumt, kann die Stach AG ihr Areal wie geplant erschliessen», heisst es in der Aufsichtsanzeige. Dazu bestehe für die Ortsbürgergemeinde jedoch keine Pflicht. «Der Gemeinderat ist für die Belange der Ortsbürgergemeinde zuständig. Gleichzeitig ist er auch Bewilligungsbehörde. Der Gemeinderat steht darum in einem Interessenskonflikt.» Deshalb wollen die Ortsbürgerinnen und Ortsbürger wieder selbst über die entsprechende Befugnis verfügen und in dieser für das Ortsbild bedeutenden Angelegenheit entscheiden. Trotzdem hat der Gemeinderat einen Dienstbarkeitsvertrag mit der Stach AG abgeschlossen. Unterzeichnet von Gemeindeschreiber Christoph Weibel und Gemeindeammann Arsène Perroud – trotz Ausstandspflicht.
Nur so könne der Investor eine Baubewilligung erhalten, lautet ein Vorwurf. Und erneut war der Gemeindeammann involviert.
Fragwürdig und zweifelhaft
Eine weitere Grundlage der Aufsichtsanzeige ist die Nicht-Einhaltung des Kaufvertrages zwischen Rudolf Isler und der Ortsbürgergemeinde Wohlen von 2007. Abmachungen betreffend Erhaltung der Liegenschaft, Denkmalschutz und Umgebungsschutz werden nicht eingehalten. Gegen den Kaufvertrag werde verstossen, steht in der Anzeige.
Weiter ist die Sitzung der Ortsbürgerkommission vom 12. September 2024 unter aktiver Mitwirkung von Stach-Anwalt Lukas Pfisterer aus Aarau und Stach-Architekt Patrick Nock aus Zürich für die drei Initianten der Aufsichtsanzeige schwerwiegend. Warum wurde die Stiftung Freiämter Strohmuseum Wohlen, die sich seit 2018 um den Ensembleschutz und die Bäume sorgt, nicht eingeladen? Stach Investment AG verlangte die Zustimmung für die nötigen Fuss- und Fahrwegrechte von der Ortsbürgergemeinde. «Äusserst fragwürdig ist, dass diese Sitzung von Ortsbürger-Vorsteher und Gemeindeammann Perroud geleitet wurde, der gemäss Regierungsratsbeschluss am Entscheid über das Baugesuch nicht mitwirken darf.» Zwischen dem Dienstbarkeitsvertrag und dem Stach-Baugesuch bestehe ein kausaler Zusammenhang. «Die beiden Transaktionen lassen sich nicht voneinander trennen», heisst es in der Anzeige. Und weiter: «Der Umgang von Gemeindeammann Perroud und auch dem Gemeinderat mit dem Ausstandsentscheid des Regierungsrates ist mehr als nur zweifelhaft.»
Es sieht danach aus, dass der wichtige Kaufvertrag mit Rudolf Isler nicht vorgelegen ist. Daraus folgern die Anzeiger, dass die Ortsbürgerkommission aufgrund «ungenügender Kenntnisse der Faktenlage» eine Empfehlung abgab, die sämtlichen Zielen der Ortsbürgergemeinde widerspricht.
Die Mail-Nachricht an den Vizeammann
Auch der gemeinderätliche Einwand, die Initiative sei erst nach dem Entscheid vom 12. September lanciert worden, wird durch die Aufsichtsanzeiger entkräftet. Bereits am 22. August warnte Walter Dubler in einer Mailnachricht den Gemeinderat. Originaltext: «Etwas darf auf keinen Fall passieren: Es darf nicht vorkommen, dass der Gemeinderat der Stach AG irgendwelche Rechte zu Lasten der Ortsbürgergemeinde einräumt …» Diese Nachricht ging an Vizeammann Thomas Burkard und nicht an Gemeindeammann Perroud, der eigentlich seine Ausstandspflicht hätte wahrnehmen müssen.
Der Gemeinderat mit Gemeindeammann Perroud habe die Interessen der Ortsbürgergemeinde «ungenügend wahrgenommen. Er wirkte in wesentlichen Punkten gegen deren Interessen.» Der Gemeinderat habe sich für die Immobilienfirma und gegen die Ortsbürgergemeinde entschieden, das sei nicht akzeptabel, heisst es in der Anzeige. Nachdem Gemeindeammann Perroud vom Regierungsrat in den Ausstand beordert wurde, hätte ein anderes Mitglied des Gemeinderates die Führungsrolle in dieser offensichtlich heiklen Sache übernehmen müssen, meinen die drei Absender der Anzeige.«Warum kann Gemeindeammann Arsène Perroud in dieser Angelegenheit schalten und walten, wie er will?» Warum entwickelte er diese Nähe zur Stach Investment AG? Vielleicht findet der Regierungsrat oder die Gemeindeabteilung Antworten.