Aufgeben ist keine Option
31.01.2023 Fischbach-Göslikon, Region BremgartenVSLR setzt weiterhin auf Erdverkabelung
Der Verein «Verträgliche Starkstromleitungen Reusstal» (VSLR) wählte an seiner Generalversammlung in der Schnüzi-Schür in Fischbach-Göslikon nicht nur einen neuen Präsidenten, sondern entschied sich, ...
VSLR setzt weiterhin auf Erdverkabelung
Der Verein «Verträgliche Starkstromleitungen Reusstal» (VSLR) wählte an seiner Generalversammlung in der Schnüzi-Schür in Fischbach-Göslikon nicht nur einen neuen Präsidenten, sondern entschied sich, den Kampf für eine Erdverkabelung der Starkstromleitung von Niederwil über und Wohlen und Bremgarten nach Obfelden weiterzuführen. Im letzten August hatte sich der Bundesrat für eine Freileitung ausgesprochen. Der VSLR wird diesen Entscheid anklagen, da er auf falschen oder sehr ungenauen Daten geschehen sei, und die Gemeinden und betroffenen Privaten bei der Einsprache gegen das 2024 erwartete Baugesuch unterstützen. --rwi
Kampf weiterführen
GV des Vereins «Verträgliche Starkstromleitung Reusstal» – VSLR hat entschieden
Der Bundesrat hatte sich Ende August für eine Verkabelung der Hochspannungsleitung via Freileitung zwischen Niederwil und Obfelden ausgesprochen. Trotzdem sagten die VSLR-Vereinsmitglieder an der Generalversammlung in Fischbach-Göslikon Ja dazu, weiter für eine Erdverkabelung zu kämpfen. Dies mit dem neuen Präsidenten Stephan Bärtschi.
Roger Wetli
«Es ist heute eine sehr wichtige Generalversammlung. Denn wir stellen die Weichen, ob wir unseren Kampf für eine Erdverkabelung der Hochspannungsleitung aufgeben oder diesen weiterführen», erklärte Noch-Präsident Hans Kneubühler zu Beginn. Er übergab sein Amt nach zwölf Jahren im Verlauf der Versammlung an den Niederwiler Stephan Bärtschi, bleibt dem Verein aber als Vizepräsident erhalten. Die Mitglieder des VSLR entschieden sich, dem Vorschlag des Vorstandes zu folgen und nicht aufzugeben.
Dieser möchte jetzt zweigleisig weiterfahren: Einerseits soll der Entscheid des Bundesrates angeklagt werden, da dieser aus Sicht des VSLR auf falschen oder sehr ungenauen Datengrundlagen geschehen sei. Andererseits möchte der Verein die Gemeinden und die direkt betroffenen Privatpersonen bei Einsprachen unterstützen, wenn das Leitungsprojekt öffentlich aufliegt, was voraussichtlich 2024 geschieht. «Wir selber verfügen nicht über das Verbandsbeschwerderecht, weshalb wir auf Dritte angewiesen sind», so Bärtschi. Christoph Flory, Mitglied des Zentralvorstandes der Naturschutzorganisation Pro Natura, welche beschwerdeberechtigt ist, plädierte: «Wir können versuchen, den grossen Schutzorganisationen die Erdverkabelung schmackhaft zu machen als Präjudiz für die ganze Schweiz.»
Absprache mit und zwischen den Gemeinden entscheidend
Der neue Präsident Bärtschi betonte, dass das weitere Vorgehen ohne die Gemeinden nicht funktionieren werde. Er plädierte deshalb dafür, möglichst rasch eine Arbeitsgruppe zu gründen. «Denn wenn jemand allein vor dem Gericht gegen den Bund antritt, gilt er als Stänkerer. Tut es aber eine ganze Region, hat das beim Richter ein viel grösseres Gewicht. Zudem können wir so die Kosten von mindestens 100 000 Franken stemmen, die entstehen, wenn wir verlieren und für die Aufwände der Gegner auf kommen müssen.»
Nach dem Entscheid, den Kampf weiterzuführen, fragte Stephan Bärtschi die anwesenden Freiämter Gemeinderäte nach ihrem Befinden diesbezüglich. «Es gibt noch keinen Gemeinderatsentscheid, da wir diese Generalversammlung abwarten wollten», gab der Wohler Vizeammann Thomas Burkard Einblick. «Wir möchten in Absprache mit den Nachbargemeinden weiter vorgehen, insbesondere mit Bremgarten als andere grosse Gemeinde.» Ganz ähnlich äusserte sich auch der Bremgarter Stadtrat Daniel Sommerhalder, der zusammen mit Vizeammann Doris Stöckli an der Generalversammlung teilnahm.
Entscheidungsgrundlagen verlangen
Norbert Ender, Gemeindeammann von Niederwil, und Hans Peter Flückiger, Gemeindeammann von Fischbach-Göslikon, schätzen die Chancen gering ein, den Bundesratsentscheid noch zu kippen. «Aus der Niederwiler Bevölkerung haben wir keine Voten empfangen, es herrscht eher Resignation», so Ender. «Der Verein sollte mit Öffentlichkeitsarbeit dafür sorgen, dass in den Gemeinden eine Dynamik für eine Erdverkabelung entsteht. Wädi Koch, ehemaliger Niederwiler Gemeindeammann, wies darauf hin, dass die Kosten, die durch eine Einsprache 2024 entstehen könnten, möglichst rasch den Gemeinden gemeldet werden sollten. Dies, damit diese in den entsprechenden Budgets 2024 eingeplant werden können. Stephan Bärtschi versprach, die Arbeitsgruppe möglichst rasch zu gründen und erste Sitzungen einzuberufen.
Der VSLR hatte bereits vor der Versammlung einen Anwalt eingeschaltet, der nun nach dem Ja der Mitglieder für den Weiterkampf offiziell wirken darf. Gleichzeitig verlangt der Verein von den Bundesbehörden die Dokumente, auf deren Grundlage der Bundesrat sich für eine Freileitungslösung und gegen die Erdverkabelung entschieden hatte. «Wir sind am Ball. Dank dem Öffentlichkeitsgesetz haben wir zwar Anrecht auf diese Papiere, diese werden aber nur zögerlich und unvollständig herausgegeben», so Stephan Bärtschi. «Wir müssen da mehrfach nachfragen, was aber offenbar normal ist.»
Inakzeptables Verfahren
Der VSLR vermutet, dass der bundesrätliche Entscheid auf falschen Grundlagen gefallen ist. Bärtschi unterstrich diese Themen mit verschiedenen Beispielen: «Je nach eingesetztem Strompreis sind die Kosten für eine Erdverkabelung tiefer oder höher als diejenigen einer Lösung mittels Freileitung. Dies, weil die Energieverluste beim Transport in der Erde dreimal geringer sind und somit in der Gesamtrechnung mehr oder weniger schwer ins Gewicht fallen.» Der VSLR-Präsident warf dem Bundesamt für Umwelt (BAFU) vor, bei der Gesamtansicht nicht richtig gerechnet zu haben. «Darum sieht es eine Erdverkabelung in der Ökobilanz als schlechtere Lösung. Nimmt man aber nur schon die drei Tatsachen, dass die meisten grossen Vögel durch Freileitungen sterben, die Landschaftsästhetik beeinträchtigt wird und die Stromverluste durch eine Erdverkabelung geringer sind, sieht aus unserer Sicht die Gewichtung der Ökobilanz ganz anders aus.» Die Art des Verfahrens sei schlicht inakzeptabel gewesen, so das Fazit des neuen Präsidenten.
Zeit optimal nutzen
Der VSLR-Vorstand wird deshalb jetzt die rechtliche Abklärung und die Beweiserhebung für eine unrichtige Feststellung des Sachverhalts fortsetzen. «Wir möchten nun den Zeitraum bis 2024 optimal nutzen für Öffentlichkeitsarbeit, Vorbereitung von Stellungnahmen und Beschwerde. Den Kampf gegen die Bundespolitik, den Druck der Strombranche geben wir also nicht auf», zog Stephan Bärtschi Fazit.
Neue Vorstandsmitglieder
Alois Waser, der Vorgänger von Hans Kneubühler, würdigte den Einsatz des Präsidenten. «Er ist seit 2007 die treibende Kraft hinter dem Anliegen einer Erdverkabelung. Erst als Mitglied der IG, dann im 2009 gegründeten Verein.» Er wird weiterhin als Vizepräsident aktiv sein. Der neue Präsident Stephan Bärtschi lebt seit 20 Jahren in Niederwil. Der Elektroniker und Informatiker kennt sich in der Materie aus. «Ich engagiere mich im VSLR, weil diese 100-jährige Technologie der Freileitung ins Museum gehört und nicht in die Landschaft», erklärte er. Ebenfalls neu in den Vorstand gewählt wurde der Elektroplaner Samuel Boutellier. --rwi