Auf der Weltbühne angelangt
14.07.2023 WohlenEine Liebeserklärung
Schweizer Strohmuseum in Wohlen
Sie ist Beraterin weltweit. Sie ist profunde Kennerin rund ums Strohflechten für die Hutindustrie. Veronica Main ist zudem Autorin des Buches «Zauberhaftes Stroh».
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Eine Liebeserklärung
Schweizer Strohmuseum in Wohlen
Sie ist Beraterin weltweit. Sie ist profunde Kennerin rund ums Strohflechten für die Hutindustrie. Veronica Main ist zudem Autorin des Buches «Zauberhaftes Stroh».
In den späten 80er-Jahren besuchte sie erstmals das Strohmuseum in Wohlen – und war dermassen fasziniert, dass sie stets nach Wohlen zurückgekehrt ist. Auch beim Jubiläumsfest im Juni war sie Ehrengast. Veronica Main ist beeindruckt von der Entwicklung des Schweizer Strohmuseums in Wohlen. Nun nahm sie eine Einordnung vor und äussert sich auch zur Entwicklung des Schweizer Strohmuseums. Es ist eine Art Liebeserklärung. --dm
Schweizer Strohmuseum: Eine Einordnung von Expertin Veronica Main aus England
Ihre Forschungen geniessen in der Branche einen hohen Stellenwert. Ihre Leidenschaft für die Stroh- und Hutindustrie ist einzigartig. Deshalb ist Veronica Main die Expertin auf diesem Gebiet. Sie war Ehrengast am Jubiläumsfest des Strohmuseums. Nun ordnet sie die Bedeutung des Schweizer Strohmuseums ein.
Daniel Marti
Es war ein stilvolles Fest. Zehn Jahre Strohmuseum in der Villa Isler. Viele Gäste und Museumsliebhaber feierten den speziellen Tag. Zudem wurde aus dem Strohmuseum im Park das Schweizer Strohmuseum. Die neue Bezeichnung kommt sehr gut an. Wie auch die Erneuerungen, die auf das Jubiläum hin im Museum vorgenommen wurden (siehe Artikel unten).
Ein besonderer Gast aus England liess sich das Jubiläum nicht entgehen. Veronica Main pflegt seit über 35 Jahren eine Beziehung zum Wohler Museum und seinen Verantwortlichen. Main ist Autorin des Buches «Zauberhaftes Stroh», das Herstelltechniken aus dem Freiamt beschreibt. Und sie ist als Beraterin praktisch weltweit tätig. «Es war mir eine grosse persönliche Ehre, an den Feierlichkeiten zum 10-Jahr-Jubiläum teilnehmen zu können», sagt sie rückblickend.
Überwältigt und tiefgreifende Wirkung
Im Jahr 1987 besuchte sie das Freiämter Strohmuseum erstmals – damals befand es sich im Gebäude der Gemeindebibliothek. Sie war mit einer Gruppe englischer Frauen unterwegs. «Wir waren alle überwältigt von dem, was wir in diesem kleinen Ausstellungsraum sahen», erinnert sie sich heute noch. «Die Sammlung hatte eine tiefgreifende Wirkung auf mich.» Und sie konnte gar nicht anders, als die Branche zu erforschen. So kehrte sie immer wieder ins Museum nach Wohlen zurück, «um diese exquisiten Objekte zu studieren und zu verstehen».
Ihre Forschungen in Verbindung mit dem Luton Museum begeisterten sie immer mehr für die Produkte der Freiämter Strohindustrie. Mittlerweile ist Veronica Main auch Beraterin für Museen in Grossbritannien und in den USA.
Dank den Besuchen in Wohlen hat sich eine langjährige Beziehung zum Museum entwickelt, die bis heute andauert. Als das Strohmuseum im Park in der Villa Isler vor zehn Jahren eröffnet wurde, war sie hocherfreut darüber, «dass die Ausstellung erweitert worden war und den Objekten Raum gegeben wurde». So konnten sich die Strohgeschichten entwickeln. «Die Ausstellung würdigt die Industrie und die Tausenden von Arbeiterinnen und Arbeitern, die daran beteiligt waren.»
Bekenntnis zum Welthandel und Schwestermuseum
Nun weilte Veronica Main erneut in Wohlen. Das Jubiläumsfest und die Namensgebung hatte sie fix eingeplant. Und jetzt fand sie endlich Zeit, die Entwicklung des Museums und die neue Namensgebung einzuordnen. Das Museum nennt sich jetzt «mit Stolz Schweizer Strohmuseum, was mich sehr freut. Schliesslich hat sich das Museum zu Recht zu seiner Rolle im Welthandel bekannt, die Wohlen als Chly Paris bekannt gemacht hat», sagt Main.
Der neue Globus beispielsweise begeistert sie, «dieser führt die Bedeutung Wohlens für die internationale Hutindustrie vor Augen». Weiter sei das aktualisierte interaktive System, mit dem die Besuchenden nur einige wenige Musterbücher durchblättern können, «nicht nur wichtig, um die Vergangenheit zu zeigen, sondern auch, um die Designerinnen und Designer sowie Kunstschaffende von heute zu inspirieren».
Sie werde oft gefragt, hält Veronica Main fest, ob andere Museen mit dem Schweizer Strohmuseum vergleichbar sind. Ohne persönliche Voreingenommenheit erwähnt sie Museen in Italien und Deutschland, «die die Geschichte des dortigen Hutgewerbes erzählen». Main weiter: «Die Hutindustrie- und Kopfbedeckungssammlung im Wardown House Museum and Gallery in Luton verfügt über eine umfassende Sammlung, die ich aufgrund ihres Umfangs, ihrer Bandbreite und ihres bedeutenden Archivs als Schwestermuseum von Wohlen einstufen würde.»
Die «Bibeln» der Branche in Wohlen
Was macht denn das Schweizer Strohmuseum so einzigartig und wichtig? Die Expertin: «Die Qualität der musealen Präsentation und das umfangreiche Archiv. Ich habe nirgendwo eine andere Sammlung gefunden, die eine so umfassende Sammlung von Musterbüchern hat.» Das seien die «Bibeln» der Branche, gefüllt mit Informationen und Geschichte.
«Diese Bücher sind ein Beweis für den internationalen Handel des Freiamtes und eine unschätzbare Ressource, die Kuratoren und Forschern in anderen Ländern hilft, ihre Sammlungen sinnvoll zu nutzen. Die Arbeiterinnen und Arbeiter waren hochqualifiziert, engagiert und das Lebenselixier der Branche.» Ohne die Arbeiterinnen und Arbeiter hätte die Industrie nicht erfolgreich sein können, erwähnt sie noch. Diese Erinnerungen und dieses Wissen werden durch die Ausstellungen des Museums weitergegeben.
«Treibende Kraft für die weltweite Hutmodenindustrie»
Die Umbenennung des Museums in Schweizer Strohmuseum habe sie sich im Stillen stets erhofft, gibt sie zu. «Nun steht das Museum mit seiner Sammlung auf der Weltbühne. Niemand sollte daran zweifeln, dass die Schweiz die treibende Kraft für die weltweite Hutmodenindustrie war», so ihr bemerkenswertes Urteil über die Bedeutung des Schweizer Strohmuseums.
In der Schweiz sei man sich eben zu wenig darüber im Klaren, wie sehr diese Schweizer Strohindustrie begeistert. Und in den Museen der Welt sei sie halt «unterrepräsentiert». Der neue Name könne das Selbstvertrauen weiter stärken und dazu beitragen, dass das Museum seinen rechtmässigen Platz in der Geschichte der internationalen Hutindustrie einnehmen könne, «indem es sein Wissen mit Stolz und breiter Basis weitergibt».
Veronica Main hofft zudem, dass das Schweizer Strohmuseum «sanft wachsen» könne. Dies, um alle Elemente der Schweizer Hutindustrie umfassend zu repräsentieren, «nicht nur durch Objekte, sondern durch Erinnerungen an die Arbeiterschaft. Wenn dies gelingt, dann kann eine klare und umfassende Geschichte der Rolle der Schweiz in der Hutindustrie in der ganzen Welt verbreitet werden.»
Kunstschaffende werden inspiriert
Das Museum in Wohlen zeigt die Schönheiten der Kunstarbeiten, die von Zehntausenden von Männern, Frauen und Kindern in ihren Häusern oder Fabriken gekonnt hergestellt wurden. Darum ist Veronica Main sicher, dass das Schweizer Strohmuseum auch in Zukunft Kunstschaffende ermutigen werde, «die alten Techniken zu nutzen, um inspirierende Designs für das 21. Jahrhundert zu kreieren».
Das engagierte Führungsteam und die angebotenen Workshops des Museums halten sowohl «das Wissen als auch die Fertigkeiten lebendig». Das Schweizer Strohmuseum hat laut Veronica Main positiven Einfluss auf Kunstschaffende in Frankreich, Deutschland und Grossbritannien. Diese entwickeln ihre Fähigkeiten, um auf der Grundlage von Schweizer Techniken grossartige Werke zu schaffen. «Das Schweizer Strohmuseum hält das Wissen am Leben», betont Veronica Main abschliessend.
«Order of the British Empire»
Veronica Main ist nicht «nur» die Autorin des Buches «Zauberhaftes Stroh». Sie setzt sich weltweit für das Strohflechten und die Hutindustrie ein. Und für ihre grossen Verdienste wurde Veronica Main vor zweieinhalb Jahren in den «Order of the British Empire» aufgenommen. Das ist eine grosse Ehre – auch für das Wohler Museum.
Die Aufnahme in den «Order of the British Empire» erfolgt in der Regel aufgrund einer Nominierung durch den Premierminister. Die Auszeichnung mit dem «Order of the British Empire» würdigt Verdienste in den Bereichen Kunst und Wissenschaft. Veronica Main wurde der Orden als Anerkennung für ihre Leistungen rund um das Handwerk des Strohf lechtens verliehen. Sie habe ein Leben lang für die Hutindustrie geforscht, praktiziert und gelehrt, heisst es in der damaligen Medienmitteilung.
Rudolf Isler, ehemaliger Besitzer der Isler-Villa, die seit zehn Jahren Sitz des Strohmuseums ist, arbeitete sehr intensiv mit Veronica Main zusammen, und er unterstützte sie beim Schreiben des Buches «Zauberhaftes Stroh». --dm