Auf der Suche nach Harmonie
25.03.2025 WohlenSchön heit und Harmonie entdeckt
Spezieller Rundgang durchs Zentrum aus Sicht von zwei Architekten
Räume, die das Wohlbefinden der Menschen anregen. Und Bauten mit grosser Qualität. Das gibt es auch in Wohlen. Ein Architekten-Duo ...
Schön heit und Harmonie entdeckt
Spezieller Rundgang durchs Zentrum aus Sicht von zwei Architekten
Räume, die das Wohlbefinden der Menschen anregen. Und Bauten mit grosser Qualität. Das gibt es auch in Wohlen. Ein Architekten-Duo ging auf Entdeckungstour.
Daniel Marti
Es sei ein Erklärungsversuch, wo man denn in Wohlen bauliche Qualität vorfindet. So wurde der Kurs «Statt Räume» von der Volkshochschule Region Wohlen angekündigt und lanciert. Die Architekten Stefan Hegi und Kurt Kolb, beide von Hegi Koch Kolb und Partner in Wohlen, machten zwei verschiedene Touren durch Wohlen. Und beide fanden zusammen mit 50 Interessierten reichlich viel Qualität. Mehr als wohl mancher Besucher heimlich vermutete.
Stefan Hegi sprach das Thema Räume auch kritisch an. Die Gestaltung des Raumes sei existenziell. Menschen müssen sich jedoch wohlfühlen – nur dann besetzen und beleben sie Räume. Oder umgekehrt. «Noch so gut gestaltete Räume existieren nicht», wenn keine Menschen sich auf die Räume einlassen. Hegi hat solche Räume in Wohlen vorgefunden, die von Menschen belebt werden. Schwierig werde es dagegen mit der Strasse durchs Zentrum. Diese auf einer so langen Strecke attraktiv zu halten, sei schier unmöglich, so Hegi.
Kurt Kolb begab sich dagegen auf die Suche von Harmonie. Sobald ein «harmonisches Ganzes» mit Bauten erzeugt werden könne, sprechen die Menschen auch von Schönheit, betonte Kolb. Diese architektonische Schönheit zeigte Kurt Kolb gern: beispielsweise an mehreren Stellen der Steingasse. Der Sternenplatz, der Chappelehof, das renovierte Verwaltungsgebäude mit dem Restaurant Marco Polo, aber auch das Isler-Areal reiht er in diese Kategorie ein. Als einen besonderen Meilenstein bezeichnet er die Kanti Wohlen.
Volkshochschule Region Wohlen: «Statt Räume» – ein Rundgang aus Architektensicht
hat baulich einiges zu bieten. Man muss es nur finden. Die Architekten Stefan Hegi und Kurt Kolb zeigten auf ihren Rundgängen echte Schönheiten. Sie übten aber auch Kritik.
Daniel Marti
Wohnen, Arbeiten, Einkauf, Verkehr, Freizeit. Ortschaften müssen etliche Funktionen erfüllen. Tut das Wohlen, vor allem im Zentrum? Menschen wollen sich auch wohlfühlen, schöne Begegnungsorte geniessen. Dieser Themen nahm sich die Volkshochschule Region Wohlen an. «Statt Räume», so der Name des speziellen Rundgangs aus der Sicht eines Architekten-Duos. Stefan Hegi und Kurt Kolb, von Hegi Koch Kolb + Partner Architekten, Wohlen, nahmen die Interessierten mit auf ihren ganz besonderen Rundkurs.
Die rund 50 Interessierten wären wohl am liebsten mit beiden mitgegangen auf die unterschiedlichen Rundgänge. Aber wer den einen Architekten nicht begleitet hat, bekommt spätestens im nächsten Jahr erneut Gelegenheit. Der Kurs «Statt Räume» war dermassen erfolgreich, dass er im nächsten Kursjahr erneut angeboten wird.
«Ein harmonisches Ganzes»
«Es gibt nichts Bescheideneres als die Schönheit der Architektur», betonte Kurt Kolb gleich zu Beginn, «und gewiss, über Schönheit lässt sich natürlich streiten.» Mit Schönheit sei oft das Wohlbefinden gemeint, «Räume müssen eben stimmig sein». Zusammenhängende Verhältnisse sorgen letztlich laut Kolb auch für ein gutes Image. Einzelne Häuser können so ein grosses Resultat ergeben, «ein harmonisches Ganzes». Das sei praktisch überall so. Ob in Bern, im Jemen, auf Mykonos, im Tibet oder eben an der Steingasse in Wohlen. Dazu zeigte er spannende und interessante Bilder.
«Sobald ein harmonisches Ganzes entsteht, finden das alle schön.» Mit dieser Erkenntnis ging es mit Kurt Kolb auf seinen persönlichen Rundgang über die Steingasse, den «Sternen», den Kirchenplatz hin zum Isler-Areal oder vor das Gemeindehaus und zum Strohmuseum.
Der Aussenraum beim Restaurant Sternen beispielsweise gefällt ihm sehr gut, «weil man sich dort geborgen fühlt». Der «Sternen»-Brunnen sei früher ein Treffpunkt gewesen. «Das ist leider heute nicht mehr möglich wegen des starken Verkehrsaufkommens.» Weiter ging es auf den Kirchenplatz. Kolb zeigte ein Bild so ums Jahr 1945. «Da hatte dieser Platz nicht eine Markierung auf dem Boden, damals waren Fahrzeuge nicht erwünscht.» Der Kirchenplatz hatte damals grosse Aufenthaltsqualität, «die ist längst total verloren». Ein Kirchenplatz ohne Autoparkplätze – das wäre eine tolle Sache.
Gemeindehaus als negatives Beispiel
Das ehemalige Verwaltungsgebäude der Strohdynastie Isler, heute mit dem Restaurant Marco Polo, sei schon früher imposant gewesen. «Wer nicht viel Geld hat, der ist hier gar nicht willkommen», diese Folgerung habe das Gebäude früher ausgestrahlt. Hier sei jedoch mit der Sanierung einiges passiert, die erhöhte Situation gut genutzt worden. Dass die Gartenwirtschaft bei schönem Wetter immer sehr gut besucht ist, sei kein Zufall. Hier könne man sich wohlfühlen. Sagte es und marschierte zum puren Gegenteil. Vor dem Gemeindehaus habe es ziemlich viel für eine schöne Gestaltung: ein Vordach, Bänke, viel Platz, einen Brunnen. «Aber hier ist man völlig verloren. Alles ist gleich. Nichts ist hier menschlich», so seine harte Kritik. Halt ein Produkt der Hochkonjunktur. Der Vorplatz müsste unbedingt verbessert und neu gestaltet werden, so Kolb.
Dafür befindet sich gleich nebenan ein Schmuckstück. «Der Chappelehof hat eine ganz andere Qualität.» Die Architektur sei hohe Schule, der Innenhof habe Atmosphäre, alles sei fliessend. Einen weiteren wunderbaren Ort zeigte Kolb beim Kutschenfahrer Meier an der Steingasse 19. «Von solchen Orten sprechen die alten Wohler mit Wehmut», so der Architekt, «hier im Innenhof muss man nichts gestalten, das hat sich selber entwickelt», es brauche eben Raumgefühl. «Das hier kann man nicht toppen.»
Isler-Areal hat Qualität
Gleiches gilt auf der anderen Seite der Steingasse, seitlich hinter dem Schlössli. «Grosses Kompliment» an die Bauherren, die eine alte Steinmauer in einen Neubau integriert haben. Auch die farblichen Spielereien beim alten und neuen Primarschulhaus im Halde-Zentrum sind ein gutes Beispiel. «Die Fassaden wirken wie ein Spiel.»
Einen längeren Halt legte Kurt Kolb beim Isler-Areal ein. Die Bauten entlang der Dorfkante seien eine coole Idee. Und das Isler-Areal selbst? Die Wiese mitten im Dorf habe eigentlich Qualität, so Kolb. «Aarau hat auch einen solchen Flecken mitten in der Stadt, und er wird von der Bevölkerung genutzt. Das Isler-Areal hat zudem einen historischen Zusammenhang. Dieser Standort hat Qualität.» Aber seit Jahrzehnten ist der Ort eine Brache. Die Weiterentwicklung ist mit einem Gestaltungsplan geregelt. Er selbst würde nur den Flecken Land entlang der Bünzstrasse bebauen, und einen grösseren Rest als grüne Oase belassen. Aber das sei nur sein persönlicher Wunsch. Und den Zugang zur Bünz, zum Wasser wünschen sich wohl alle Wohlerinnen und Wohler.
Weiter rühmte er das Bankgebäude an der Zentralstrasse. Früher NAB, dann Credit Suisse, heute UBS. «An diesem Gebäude sieht man die architektonische Sorgfalt», sagte es und führte die Gruppe zum Strohmuseum. Dort formulierte er eine schöne Erkenntnis: «Es ist immer cool, wenn vor einem Gebäude kein Schild mit der Bezeichnung Eingang angebracht werden muss.»
Kanti ist ein Meilenstein
Im Anwesen Villa Isler widmete er sich vor allem der Kanti. Dies sei ein Meilenstein für Wohlen. Der Kanton habe die Qualität an den Bauten des ehemaligen Lehrerseminars erkannt, so Kolb. «Diese Bauten sind Zeitzeugen.» Trotzdem droht der Abbruch bei der angedachten Erweiterung der Kanti.
Wichtig bei der künftigen Kanti sei vor allem die Nutzung. «Und trotzdem sollte die künftige Kanti auch Schönheit ausstrahlen, und wir Menschen sollten uns dort wohlfühlen», so der Architekt. Und abschliessend widmete sich Kurt Kolb noch dem Eingangsdach, gestaltet von Stararchitekt Santiago Calatrava. Das müsse man eigentlich nicht weiter erklären. «Das ist wie ein Bouquet.»
«Ohne Räume keine Menschen»
Architekt Stefan Hegi zum Zentrum und Bahnhof
Während Kurt Kolb den Interessierten das Gebiet Steingasse bis Wohlen Mitte inklusive Kanti vorstellte, widmete sich sein Architektenkollege Stefan Hegi Wohlens Zentrum, der Zentralstrasse und dem Bahnhofsgebiet. «Wohlen hat das Problem, eine zentrale Zone oder Strasse auf der Länge von Kirche bis Bahnhof städtebaulich zu gestalten, um überall attraktiv zu sein», sagte Hegi.
Das ist letztlich auch eine recht schwierige Ausgangslage. Denn Hegi hat auch die attraktiven Zonen in anderen Gemeinden unter die Lupe genommen. «In Altstädten konzentriert sich das auf 150 Meter, in Wohlen ist das eine Länge von eineinhalb Kilometern.» Darum sei ein Vergleich zwischen Wohlen und den bekannten Aargauer Altstädten fast nicht möglich. Und eine Strasse auf über einem Kilometer attraktiv zu gestalten, sei fast nicht machbar.
Weiter seien viele Arkaden so verteilt, «dass sie als solche gar nicht wahrgenommen werden». Und es gibt laut Hegi tatsächlich Strassenabschnitte, «wo eine räumliche, gestalterische Kontinuität spürbar ist oder einmal spürbar war». Er nannte dabei Steingasse, Postplatz, Bahnhofstrasse.
Und der Bahnhof? Da sollten nicht etwa Fahnenstangen «das raumbildende und historisch interessante Bahnhofgebäude verdecken», meint er mit einem Augenzwinkern. Der neue Busbahnhof sei mit der Überdachung durchaus attraktiv, aber die Aufenthaltszone sei nun an einer eher ungünstigen Lage positioniert, sagt er fast schon diplomatisch. «So ist es schwierig, ein Ambiente zu erzeugen.»
Und grundsätzlich zum Zentrum: Der Personenverkehr sei halt dort, wo mehrere Läden und Grossverteiler sowie Bushaltestellen sind.
Stefan Hegi machte auch einen einleuchtenden Vergleich: «Ohne Räume keine Menschen und daher kein Leben», betonte er. Und der Mensch existiere in der Regel im Raum, «daher ist Gestaltung des Raumes existenziell». Natürlich auch in Wohlen. --dm



