Abschied voller Dankbarkeit
19.07.2024 Büttikon, Region OberfreiamtDie Ära Sax endet
Sepp Sax führte 35 Jahre den Dorfladen
Dass all die Jahre viel Herzblut dahinter steckte, ist Sepp Sax anzumerken. Und doch sagt er, er habe keine Angst, wenn er an den 31. Juli denke. Dann geht in Büttikon eine Ära ...
Die Ära Sax endet
Sepp Sax führte 35 Jahre den Dorfladen
Dass all die Jahre viel Herzblut dahinter steckte, ist Sepp Sax anzumerken. Und doch sagt er, er habe keine Angst, wenn er an den 31. Juli denke. Dann geht in Büttikon eine Ära zu Ende. Sepp Sax wird pensioniert und nach mindestens vier Generationen führt nicht mehr die Familie Sax die Metzgerei und den Dorfladen. «Ich freue mich darauf, mehr Zeit für anderes zu haben», sagt der 65-Jährige. 35 Jahre lang führte er den Betrieb. «Ich blicke auf eine interessante und lehrreiche Zeit zurück», sagt er. Eine, in der sich vieles veränderte. Eine, in der er erfuhr, wie wichtig ein soziales Netzwerk ist. «Gerade im Dorfladen wird ein solches geknüpft.» --ake
Nach mindestens vier Generationen endet die Ära Sax in der Dorfmetzgerei Büttikon
Ende Monat ist Schluss. Sepp Sax hat die Metzgerei samt Dorfladen verkauft. «Es waren schöne 35 Jahre», fasst er zusammen. Nun freue er sich darauf, weniger Verantwortung zu tragen. Gross ist die Freude auch darüber, dass es mit der Metzgerei und dem Dorfladen weitergeht, samt Fleischkäse. «Das ist wichtig für das Dorf.» Und auch für ihn.
Annemarie Keusch
Irgendwie ist das für viele kaum vorstellbar. Dass Sepp Sax nicht mehr alle Kundinnen und Kunden mit einem freundlichen Grüezi im Dorfladen in Büttikon begrüsst. Realisiert er den nahenden Abschied? «Ja, und ich freue mich darauf.» Sepp Sax lächelt. Er siehts pragmatisch. Und meint damit ganz sicher nicht, dass er den 31. Juli hersehnt, dass ihm der Alltag im Dorfladen und der Metzgerei keine Freude mehr mache. «Ich fühle mich aber gut, wenn ich an diesen letzten Tag denke. Natürlich, ich verspüre auch Wehmut, vor allem wenn ich an den regen Kontakt mit der Kundschaft denke. Das wird mir fehlen», sagt er. Druck, Verantwortung hingegen nicht. Sepp Sax freut sich darauf, freier zu sein, mehr Zeit mit der Familie zu verbringen, mehr zu reisen.
Aber ganz ohne Metzgerei geht es dann doch nicht. «Doch, ginge es», sagt Sepp Sax lachend. Dass er weiterhin in einem 30-Prozent-Pensum bleibt, war nicht seine Idee. Der Fachkräftemangel führte dazu. «Drei Halbtage pro Woche für maximal zwei Jahre. So passt es für mich. Der Übergang ist sanfter.» Und so verdiene er sich Taschengeld für die Reisen, meint er lächelnd. Zwei sind noch für heuer angesagt: nach Apulien und nach Indonesien. Reisen ist seine grosse Leidenschaft. Und er stellte sie einst eigentlich auch beruflich an erste Stelle. Sax wollte Reiseleiter werden, was seinen Vater belastet habe. Ein «richtiger Beruf» musste zuerst her, Sax wurde Metzger und blieb es.
Viel gegeben, aber auch viel zurückbekommen
Bereut habe er diesen Entscheid nie, betont der 65-Jährige. Natürlich, es habe Momente gegeben, in denen er sich dachte, «dass ich es ringer hätte haben können». Was aber rückblickend bleibt, sind die vielen schönen Erinnerungen, die ihm dieser Beruf ermöglichte. Sax war Berufsschullehrer, Instruktor für Meisterprüfungen, engagierte sich 30 Jahre lang im Vorstand des kantonalen Verbandes. Und er führte den Betrieb in Büttikon. «Den Kontakt mit der Kundschaft, auch mal einen Witz reissen zu können, das machte es für mich aus.» Natürlich, auch die Kreativität, das Handwerkliche in der Produktion sagten ihm zu. «Aber im Team und mit den Kundinnen und Kunden war es oft wie eine Familie. Hier entstanden Freundschaften.»
35 Jahre ist es her, dass Sepp Sax die Metzgerei und den Dorfladen übernahm. Vieles habe sich gewandelt. Das Einkaufsverhalten der Leute beispielsweise. «Die Läden sind ja mittlerweile immer offen, auch am Wochenende.» Entsprechend wichtig sei es, die Kunden zu pflegen und zu betreuen. «Wie das geht? Indem wir möglichst beste Qualität liefern, bei der Ware, aber auch bei der Beratung.» Hinzu kommt das Vertrauen. «Wir erfahren viel, Gutes und Schlechtes. Manchmal fühlte ich mich fast wie ein Dorfpsychiater.» Sax schätzte das, diese Nähe. Auch weil er erfuhr, wie wichtig ein solches Netz ist. 2015 verstarb seine Frau Doris. «Die Krebsdiagnose kam aus heiterem Himmel», erinnert sich Sax. Eigentlich wollte er das Geschäft sofort verkaufen. «Eine Zeit lang ging es ihr besser, sie konnte sogar wieder im Laden mithelfen.» Er habe in dieser Zeit, speziell nach dem Tod, einfach funktioniert. «Ich musste, schliesslich trug ich eine soziale Verantwortung den Mitarbeitenden gegenüber.» Aber der Laden sei auch der Ort gewesen, wo er die Trauer verarbeitet habe. «Zu spüren, wie die Leute in einer solchen Situation für einen da sind, das war trotz aller Trauer auch eine schöne Erfahrung.» Gleiches erlebte er 2019 nochmals, als er nach einem Herzinfarkt ausfiel. «Die Solidarität, vor allem in der Familie und im Team, aber auch unter der Kundschaft, war riesig.» Er sei unglaublich dankbar, dies so erlebt haben zu dürfen.
Leichtathletik-Stars als Kundinnen
Solch schöne Erfahrungen könnte Sepp Sax zu Tausenden erzählen. Was ihm spontan in den Sinn kommt, ist die Begegnung mit zwei Profi-Sportlerinnen Hestie Cloete, Hochsprung-Weltmeisterin, und 400-Meter-Olympiasiegerin Sanya Richards. Der Kontakt sei über einen Physiotherapeuten entstanden, der damals in Besenbüren lebte und von der Metzgerei ein Catering bestellte. «Später rief sie mich jeweils an, wenn Sanya Richards zu Besuch war, weil sie unser Rindsfilet derart mochte. Und unser spezielles Gewürz nahm sie gar mit nach Jamaika.»
35 Jahre lang eine Metzgerei zu führen, das geht nicht ohne Innovation. Immer wieder müssen neue Produkte und Ideen her. «Viel Inspiration hole ich mir auf Reisen», sagt Sax. Die schräg aufgeschnittenen Tisch-Sandwiches auf Bali oder das Lamm-Ragout aus Griechenland. Sax lacht: «Aller neuen Ideen zum Trotz: Was sich über längere Zeit durchsetzt, sind die traditionellen Gerichte.» In der Metzgerei Sax ganz speziell der Fleischkäse. «Alle schwärmen davon.» Der Stolz ist Sepp Sax anzusehen. Es liege wohl an der Zusammensetzung des Bräts. Zum Schweine- und Kalbfleisch kommt Speck dazu, zusätzlich Kräuter. «Vielleicht macht es der Kardamom aus», mutmasst Sax. Übrigens stamme das Grundrezept von seinem Vater. Er habe es nur etwas modifiziert. Was sich wohl hinsichtlich seines Abschieds viele fragen: Wie geht es mit dem Fleischkäse weiter? «Der bleibt natürlich. Ich habe alle Rezepte einer Mitarbeiterin weitergegeben, die einst hier Fleischfachfrau gelernt hat. Übrigens macht sie seit einiger Zeit schon sehr vieles. Gut, wenn es niemand merkt.»
Keine nächste Sax-Generation übernimmt
Nun naht der Abschied. Nicht nur sein persönlicher, sondern auch die ganze Sax-Ära endet. Mindestens vier Generationen führten die Metzgerei, anfangs noch auf dem Bauernhof, seit 1960 mit dem Dorfladen kombiniert. Aus den Anfängen des 20. Jahrhunderts datiert der älteste Lieferschein, den Sax noch hat. Sein Urgrossvater führte damals Lohnschlachtung und Störmetzgerei. «Er starb wegen eines Infekts, den er sich beim Schlachten zuzog», weiss Sax. Die Witwe und die Schwester übernahmen. «Ob die Geschichte noch weiter zurückgeht, lässt sich kaum mehr verfolgen. Es könnten aber gut noch mehr als vier Generationen sein.»
Dass nun keine nächste nachkommt, das löst bei Sepp Sax keine Emotionen aus. «Ich habe absolut kein Problem damit», betont er. Zwei seiner Kinder schlugen beruflich andere Wege ein, ein Sohn lernte den Metzgerberuf. «Er ist mittlerweile Geschäftsleitungsmitglied des Schweizer Fleisch-Fachverbandes.» Somit endet die Ära Sax in der Metzgerei und im Dorfladen, aber nicht die Geschichte des Betriebs. Sax hat das ganze Gebäude verkauft. Neue Besitzerin ist das Restaurant Linde. Was das Fleischangebot betrifft, wird sich wenig ändern. Mit Helen Müller übernimmt eine langjährige Mitarbeiterin die Filialleitung. Neuerungen gibts im Laden. Vom 2. bis am 19. August bleibt dieser geschlossen. «Wir bauen innen leicht um», erzählt Müller. Neu werden nur noch Lebensmittel angeboten. Hinzu kommt eine Kafi-Ecke. «Und wir machen frische Sandwiches. Wer will, kann in der Brotauslage etwas auswählen, an die Fleischtheke kommen und wählen, womit dieses gefüllt werden soll», erzählt Müller. Sie freue sich auf die neue Herausforderung, auf mehr Verantwortung. Genau diese Verantwortung, die Sepp Sax so gerne abgibt.