Nichts zu servieren
02.02.2021 WohlenWie geht es den Restaurants in Wohlen während der schwierigen Coronazeit?
Seit Dezember sind Restaurants geschlossen. Die Wirte sind bezüglich der Massnahmen gespalten.
Stefan Sprenger
Sie gehören zu den grössten Verlierern dieser Coronapandemie: die Restaurants. Im Frühling 2020 für zehn Wochen geschlossen, danach gebeutelt von den stetig ändernden Massnahmen – und nun seit Mitte Dezember heisst es erneut: «Geschlossen wegen Corona.»
Corona-Müdigkeit zu spüren
Diese Zeitung hat bei den Restaurants in Wohlen nachgefragt, wie sie durch diese schwierigen Zeiten kommen, was die Meinungen zu den Massnahmen sind und was man sich in Zukunft erhofft. «Rössli», «Sternen», «Frohe Aussicht», «Marco Polo», «Aroma-Grill», «Schönau», «Central» oder der «Hirschen» in Anglikon äussern sich zur momentanen Situation. Bei allen Wirten ist eine gewisse Corona-Müdigkeit zu spüren und man hofft, endlich wieder die Türen öffnen zu können.
Remus Lochmann, der gemeinsam mit Partnerin Rita Seiler seit zwölf Jahren im «Sternen» wirtet, zeigt die Buchhaltung des letzten Jahres. «Der Umsatz ging um 25 Prozent zurück», hält der 63-Jährige fest. Er findet: «So, wie mit den Restaurants umgegangen wurde, ist es nicht in Ordnung.»
«Mehr schlecht als recht»
Wie ergeht es den Wohler Restaurants in der Coronakrise?
Die Wirte der Restaurants in Wohlen hangeln sich durch den Gaststätten-Lockdown. Der Frust sitzt immer tiefer. Eine Umfrage bei den Wirten zeigt: Das Verständnis für die Massnahmen ist nur teilweise vorhanden.
Stefan Sprenger, Josip Lasic
Die Coronalage scheint sich zu beruhigen – wenigstens ein bisschen. Die Zahl der Infizierten, die Sterberate und der sogenannte Reproduktionswert sind zurückgegangen. SVP-Präsident Marco Chiesa fordert vom Bundesrat die sofortige Öffnung der Läden und Restaurants. Bis zum 28. Februar wird aber nichts passieren und die Restaurants müssen weiterhin geschlossen bleiben. Aber immerhin geben die momentanen Entwicklungen Hoffnung, dass der Shutdown nicht fortgesetzt wird und die Beizen in wenigen Wochen wieder öffnen dürfen. Und: Der Bundesrat hat entscheidende Lockerungen bei der Härtefall-Regelung und höhere A-fonds-perdu-Beiträge beschlossen. «GastroSuisse» sieht darin ein Zeichen, dass der Bundesrat den Ernst der Lage erkannt hat. Trotzdem bleibt die Situation in der Gastronomie verschärft.
Die Branche wurde von Corona arg gebeutelt. Bereits im Frühling 2020 wurden die Restaurants zehn Wochen geschlossen. Danach gab es immer wieder neue Massnahmen, die von den Wirten umgesetzt werden mussten. Und schliesslich musste man ab Mitte Dezember erneut schliessen. In Wohlen hat es mit der «Kulturbeiz» ein Corona-Opfer gegeben. Das beliebte Lokal musste seine Türen für immer schliessen. Wie geht es den anderen Restaurants in Wohlen? Wir haben uns umgehört.
«Rössli»: «Hauptsache wieder arbeiten»
Rössli: Die Ära der Familie Brun als Pächter des «Rössli» an der Zentralstrasse endete im Sommer. Ende Oktober feierte die Familie Wohler, Besitzer des Gasthofes, die Neueröffnung. Anita Wohler sagt: «Das Schutzkonzept in unserem Restaurant ist makellos und unsere Gäste haben sich bei uns wohlgefühlt.» Die Schutzmassnahmen bedeuteten für alle Restaurants zusätzliche Investitionen – auch für das «Rössli», das momentan kein Take-away oder andere gastronomische Dienstleistungen anbietet. Die Meinung von Anita Wohler zu den Massnahmen bezüglich der Gastronomiebetriebe ist deutlich: «Wenn es um Schliessungen geht, sind die Restaurants immer die ersten, die an den Pranger gestellt werden. Und trotz guten Schutzkonzepten und Maskentragpflicht – und und und.» Unverständlich war für die «Rössli»-Wirte die Schliessung der Restaurants ab 19 Uhr. «Ein absolutes No-Go», findet Wohler. «Dies hat gezeigt, dass der Bundesrat das Gastgewerbe nicht wirklich kennt. Ansteckungen in Restaurants sind prozentual sehr gering gegenüber den Gesamtansteckungen.»
Die Hoffnungen in die Zukunft sind gross: «Wir hoffen, dass wir Ende Februar unsere Gäste wieder empfangen und kulinarisch verwöhnen dürfen. Unsere Eventplanung ist auch im Gange und wir freuen uns, wenn wir wieder arbeiten dürfen. Wie und unter welchen Bedingungen, steht in den Sternen und ist nach wie vor ungewiss», so Wohler. «Aber Hauptsache, wir dürfen wieder arbeiten.»
«Frohe Aussicht»: «Wir kämpfen weiter»
Frohe Aussicht: Viktor Gürber (62) und Madeleine Douvé (64) führen seit Jahren die «Frohe Aussicht» an der Bremgartenstrasse. Die beliebte Quartierbeiz hat geschlossen und auch kein Take-away-Angebot. Offen ist noch das Hotel, das sechs Zimmer umfasst. «Aber auch dort spüren wir die Coronakrise», so Madeleine Douvé. Die vier (Teilzeit-)Mitarbeiter sind in Kurzarbeit. Nach dem Frühling, wo das Restaurant geschlossen wurde, «ist es während den Sommermonaten nicht schlecht gelaufen». Ein Vorteil der «Frohen Aussicht»: Das Gebäude gehört Viktor Gürber, deshalb fallen keine Mietkosten an. «Sonst wäre es wohl schwieriger», so Douvé. Unverständnis hat sie besonders für die Massnahme, die Beizen ab 19 Uhr zu schliessen. «Das hat niemandem etwas gebracht.» In der «Frohen Aussicht» freut man sich, wenn man die Türen wieder öffnen darf. «So, wie ich das spüre, freuen sich auch die Menschen darauf, wenn die Restaurants wieder öffnen dürfen», sagt Douvé und fügt an: «Wir kämpfen weiter.»
In den letzten Wochen hatte das Restaurant einen herben Verlust zu verkraften. Marianne Wieland, langjährige und beliebte Köchin der «Frohen Aussicht», ist Mitte Januar verstorben. Bis im letzten August war sie noch tätig in der Küche. «Sie fehlt uns sehr», so Douvé.
Lochmann zeigt die Buchhaltung
Sternen: Remus Lochmann (63) zeigt den dicken Buchhaltungs-Ordner. Seit 2008 führt er gemeinsam mit Partnerin Rita Seiler (55) den traditionsreichen «Sternen» neben der katholischen Kirche. «Wir leben von den Reserven», sagt Lochmann, dessen Mitarbeiter auch in Kurzarbeit sind. Im letzten Jahr ist der Gesamtumsatz um 25 Prozent zurückgegangen. Das dritte Quartal war das Beste, da gab es praktisch keine Einbussen. «In der Adventszeit ging der Umsatz aber um 50 Prozent zurück. Die Massnahme, die Restaurants um 19 Uhr zu schliessen, war für uns sehr schwierig. Am Abend macht man einen grossen Teil des Umsatzes.» Die Vereine blieben aus und auch kleinere Bankette konnten nicht mehr durchgeführt werden. Mühsam sei es gewesen, die stets ändernden Auflagen umzusetzen. «Kaum wurde etwas umgesetzt, folgte auch schon die nächste Änderung. Eine Planung wurde so unmöglich. Wie man mit den Restaurants umgegangen ist, war nicht in Ordnung.»
«Eine klare Linie fehlt»
Der «Sternen» bezahlt die Miete entsprechend dem Umsatz. «In dieser Situation natürlich ein Vorteil», so Lochmann. Vermieter ist die Ortsbürgergemeinde. Zudem erhielt man eine einmalige Zahlung der Pandemieversicherung. «Wir werden es überleben», so Lochmann.
Seit Mitte Dezember sind die Türen geschlossen. Die Wirte haben die Zeit genutzt. «Wir haben das Lokal geputzt, die Buchhaltung und Administration selber gemacht.» Lochmann hat zudem versucht, die freie Zeit mit positiven Dingen zu füllen. «Viel Sport, Spazieren mit dem Hund und Zeit mit der Familie.»
Bezüglich der Coronamassnahmen ist Remus Lochmann «gespalten», wie er sagt. «Die Hotspots sind in den Altersheimen. Man sollte doch da den Hebel ansetzen und diese Menschen bestmöglich schützen. So leidet die ganze Bevölkerung an den Massnahmen. Da darf man darüber diskutieren, ob dies sinnvoll ist.» Einige Massnahmen könne er nachvollziehen, «aber eine klare Linie fehlt», so Lochmann, der wie alle Wirte hofft, bald wieder öffnen zu dürfen.
«Wir haben zu, aber die Skigebiete offen»
Marco Polo: René Holenweger, Chef des «Marco Polo» an der Bünzstrasse, hat die Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt. «Die Kurzarbeit löst aber nur einen Teil unserer Probleme», so Holenweger. Sozialabgaben und Mieten müssen weiterhin bezahlt werden. Die Härtefall-Entschädigung, die man ab 25. Januar beantragen kann, sei eine willkommene Unterstützung. «Nur kommt sie zu spät.»
Das «Marco Polo» in Wohlen kommt «mehr schlecht als recht» durch die Coronakrise. Auf einen Take-away wird verzichtet – bewusst. «Aus dem ersten Lockdown haben wir die Erfahrung gesammelt, dass sich in Wohlen das Take-away für uns nicht rechnen lässt», so Holenweger.
Angesprochen auf die Coronamassnahmen antwortet der erfahrene Gastronom: «Ich halte die Massnahmen für nicht verhältnismässig. Wir haben viel Geld in unsere Schutzkonzepte investiert und obwohl gemäss Statistiken in Restaurants nur drei Prozent der Ansteckungen passieren, müssen wir schliessen. Andererseits haben die Skigebiete geöffnet und man sieht ja immer wieder Fotos in den Medien der langen Menschenschlangen vor den Skiliften und von überfüllten Zügen und Bussen. Das ergibt für uns keinen Sinn. Ich befürchte, dass die wirtschaftlichen Folgen sehr brutal werden, und das bereitet mir viel Kopfzerbrechen.»
Holenweger ist aber zuversichtlich, dass das «Marco Polo» diese Krise überleben wird. «Wir haben zum Glück ein tolles Team von Mitarbeitern im ‹Marco Polo›, welches in dieser Krise fest zusammenhält.»
«Schönau»:«Wir machen uns keine Sorgen»
Schönau: Die «Schönau» verzichtet aktuell auf einen Take-away-Dienst oder Ähnliches. «Das ist kein Problem für uns. Wir machen uns keine Sorgen», sagt Burkard Eggenberger, Chef des Hotel-Restaurants an der Bremgartenstrasse in Wohlen. «Der Staat kümmert sich um uns. Nachdem ich die Hilfsgelder beantragt habe, ging es sehr schnell, bis wir die erste Zahlung erhalten haben. Der Kanton Aargau ist diesbezüglich sensationell. Ich habe von Bekannten aus anderen Kantonen gehört, dass es dort schwieriger läuft.»
Eine Meinung zu den Massnahmen will sich der «Schönau»-Wirt nicht anmassen. «Es passt auch mir nicht alles. Sich ärgern bringt aber nichts. Wir müssen sie mittragen, sonst bringen wir das Virus nie zu Boden.»
Aroma-Grill: Das Restaurant Aroma-Grill in der Nähe des Wohler Bahnhofs hat ebenfalls komplett geschlossen. «Die Situation hat aus meiner Sicht Vor- und Nachteile», sagt Kujtim Tahiri, der das Restaurant führt. «Ich denke, dass es zur Bekämpfung des Virus richtig ist, dass alles geschlossen wurde. Aber für uns Gastronomen und Unternehmer im Allgemeinen ist es schwierig.» Dass sein Restaurant nach dem Lockdown wieder eröffnen kann, daran hat Tahiri keine Zweifel. «Ich habe für meine Angestellten Kurzarbeit beantragt. Die Gastronomie-Gruppe SV hilft mir. Es wird schon gehen. Wenn die ganze Welt solche Massnahmen beschliesst, gehe ich davon aus, dass das Richtige entschieden wurde. Für uns ist es nicht leicht, aber ein paar Monate werden wir schon überstehen.»
Central: Hanifi Sümer führt die Trattoria Central an der Zentralstrasse in Wohlen. Sein Restaurant bietet aktuell einen Lieferdienst an. «Damit kommt etwas an Einnahmen rein, aber nur mit dem Lieferdienst geht es langfristig nicht.» Sümer hat laut eigener Aussage Kurzarbeit für seine Angestellten beantragt, aber vom Staat noch kein Geld erhalten. «Mal sehen. Ich hoffe, dass im nächsten Monat Zahlungen erfolgen. Vorher kann ich nicht anders, als Schulden zu machen.» Sümer treffen die Massnahmen hart. Bis zum vergangenen Oktober hat er auch das Restaurant Jägerstübli in Villmergen betrieben. «Das war stark von Vereinen und älteren Personen besucht. Seit Corona läuft da nichts mehr.» Er sucht einen Nachmieter und hofft, dass er das für die Trattoria Central nicht auch muss.
«Hirschen»: Take-away hat nicht funktioniert
Hirschen, Anglikon: Besim Musliu hat beim «Hirschen» in Anglikon versucht, einen Lieferdienst während des Lockdowns zu etablieren. «Die Menschen kennen den ‹Hirschen› nur als Restaurant, nicht als Take-away. Es hat nicht funktioniert. Frische Waren sind nach einigen Tagen verdorben und mussten entsorgt werden. Also haben wir komplett geschlossen.» Geld vom Staat hat er noch nicht erhalten. «Ich weiss nicht, ob es daran liegt, dass ich Einzelunternehmer bin und keine GmbH, aber ich habe die Unterlagen zusammengestellt, eingereicht und warte.» Wie es weitergeht, kann er noch nicht sagen. «Ich habe bei Gläubigern anrufen müssen, um darum zu bitten, gewisse Rechnungen später bezahlen zu können. Ich verstehe die Massnahmen ja, aber die Gastronomie hat sich wirklich Mühe gegeben. Wir haben bei uns im Restaurant Plexiglas-Scheiben aufgestellt und diverse andere Schutzvorkehrungen getroffen und müssen schliessen. Im öffentlichen Verkehr sitzen die Menschen aber immer noch aufeinander. Ich will doch nur arbeiten. Und wenn es schon nicht geht, bitte ich den Staat zu helfen.»
Die Restaurants bleiben bis mindestens 28. Februar geschlossen. Alle Gastronomen hoffen, dann wieder zu öffnen. Für viele Restaurants geht es um nicht weniger als ihre Existenz.