Gefühlschaos auf dieser Piste
23.08.2024 WohlenFür Elia
Ein besonderes Benefizrennen am 14. September auf der Kartbahn Wohlen
Elia Epifanio liebte die Kartbahn in Wohlen. Vor einem Jahr starb er. Die Eltern erzählen ihre Geschichte.
Stefan Sprenger
«Das erste Jahr nach seinem Tod haben wir einfach irgendwie überlebt», erzählen Jennifer und Daniele Epifanio. Ihr Sohn Elia starb im März 2023, kurz nach seinem 14. Geburtstag. Der Schmerz, die Trauer, die Fassungslosigkeit, sie sind bei den Eltern nach wie vor zu spüren. «Es vergehen kaum fünf Minuten, ohne dass ich an Elia denken muss», sagt Vater Daniele.
«Es war seine zweite Heimat, wenn nicht sogar seine erste»
Ihr Sohn Elia war ein begeisterter Kartfahrer. Bereits als 4-Jähriger entdeckt er diese Passion, wird später Vize-Schweizer-Meister und war fortan, sooft es ging, auf der Kartbahn in Wohlen. «Hier war seine zweite Heimat, wenn nicht sogar seine erste», sagt der Vater und kann kurz lächeln.
Elia Epifanio war eines der hoffnungsvollsten Karttalente der Schweiz, fuhr bei den Schweizer Meisterschaften gleich mehrfach auf das Podest. Er hatte eine grosse Zukunft im Motorsport vor sich. Doch dann kam der März 2023. Eine bakterielle Lungenentzündung, eine Sepsis. Er fiel ins Koma und verstarb wenige Tage später.
Seine Eltern organisieren am 14. September die «Trofeo Elia Epifanio», ein Benefizrennen auf der Kartbahn in Wohlen. Einerseits, um auf die Gefahren einer Sepsis aufmerksam zu machen. Andererseits, um Geld zu sammeln für das Kinderspital. «Und damit Elia nicht in Vergessenheit gerät.» Sie erzählen ihre eindrückliche Geschichte und was für Gefühle die Kartbahn Wohlen bei ihnen heute auslöst.
Jennifer und Daniele Epifanio führen ein Benefizrennen für ihren verstorbenen Sohn auf der Kartbahn in Wohlen durch
Hier fühlte sich Elia wohl, hier war sein Lieblingsort. Die Kartbahn in Wohlen ist für die Familie Epifanio mehr als nur eine Rennstrecke. Das war sie schon vor dem Tod des 14-Jährigen. Und dies wurde danach noch verstärkt. «Elia ist an diesem besonderen Ort irgendwie immer noch da», sagen die Eltern.
Stefan Sprenger
Die Mutter erzählt. Der Vater sitzt daneben, schweigt und weint. Als Jennifer Epifanio erzählt, was im März 2023 passierte, verschlägt es wohl jedem Menschen die Sprache. Sie verlieren ihren Sohn Elia. Kurz nach seinem 14. Geburtstag stirbt er. Die beiden sitzen im Restaurant der Kartbahn in Wohlen und erzählen vom Tod, vom Leben – und was ihnen das Benefizrennen am 14. September bedeutet.
Er wollte unbedingt die neue Kartpiste sehen
Vater Daniele spricht über das Kartfahren. Eine Leidenschaft, die er an seinen Sohn weitergab. Schon er drehte seine Runden auf der Kartbahn in Wohlen. Logisch, dass Sohn Elia schon früh auch in den Kart sitzen wollte. «Als 4-Jähriger drehte er seine erste Runde auf dem Parkplatz, später dann hier, auf der Kartbahn in Wohlen.» So oft es ging waren sie hier. In jeder freien Minute. «Er hatte viel Talent, er trainierte fleissig, er war sehr zielstrebig und es machte ihm riesigen Spass», erzählt der Vater, der einst in der Allmend-Garage in Wohlen arbeitete.
2020 fährt Elia seine erste offizielle Kart-Meisterschaft. Und Elia Epifanio zeigt, was er draufhat. Er fährt in der Schweizer Meisterschaft auf das Podest, ebenso an internationalen Rennen. Vielleicht, ja vermutlich, hätte er Karriere gemacht im Motorsport.
Doch es kam alles anders. Am 21. März 2023 feierte er Geburtstag. Ein Dienstag. Diesen 14. Geburtstag feiert er im Skilager mit seinen Schulkameraden. Am Donnerstag kam er nach Hause, am Freitag fuhr Elia mit seiner Mutter als Vorbereitung für die Schweizer Kartmeisterschaft nach Italien. «Elia hatte an diesem Trainingstag ein wenig Schluckweh und am Samstag dann 38 Grad Fieber», sagt Mutter Jennifer Epifanio. Auf der Heimfahrt am selben Tag ist er sehr müde. Dennoch wollte er am Samstag unbedingt nach Wohlen auf seine geliebte Kartbahn. Der Grund: «Die Piste wurde neu gemacht. Er wollte sie unbedingt sehen.» Elia Epifanio läuft die neue Strecke zu Fuss ab. «Er war begeistert.» Es war wohl sein letztes schönes Erlebnis seines jungen Lebens. In den darauffolgenden 48 Stunden verschlechtert sich sein Zustand. Gliederschmerzen. Rückenweh. Husten. Das Fieber steigt.
«Papi, ich habe Angst»
«Wir dachten zuerst, dass er einfach eine Grippe hat», erklärt die Mutter. Am Montagmittag entschied sich die Mutter – auf Elias Wunsch hin – in die Notfallaufnahme des Kantonsspitals Baden zu gehen, da er die Schmerzen nicht mehr aushalten konnte. Gemäss der Mutter wurde im Spital ein Grippevirus vermutet. Ihr Sohn erhielt Medikamente zur Fiebersenkung «und wurde trotz seines schlechtem Gesundheitszustands nach Hause geschickt». Ungefähr 2 Stunden später ist Blut in seinem Mund, er hustet stark und verliert beinahe das Bewusstsein. Sie rufen den Krankenwagen. Der behandelnde Sanitäter meinte, es sei etwas mit der Lunge nicht in Ordnung. Wieder kommt er ins Kantonsspital nach Baden. «Seine letzten Worte waren: «Papi, ich habe Angst», sagt die Mutter. Als sie dies erzählt, muss Vater Daniele – der daneben sitzt – weinen. «Ich kann es irgendwie immer noch nicht richtig glauben», sagt er leise.
Stunden, die kaum in Worte zu fassen sind
Elia Epifanio muss schnellstmöglich verlegt werden ins Kinderspital Zürich. Dies geschieht mit dem Krankenwagen (da die Rega nicht verfügbar war). Sein Zustand wird jetzt dramatisch schlechter. Er muss mehrmals reanimiert werden, kommt in Zürich an eine Herz-Lungen-Maschine. Er erleidet einen septischen Schock. Auf der Intensivstation wird sein Überleben gesichert. Er fällt ins Koma. Es folgen Stunden, die kaum in Worte zu fassen sind. Eine schlechte Nachricht folgt auf die Nächste. «Sie sagten uns schnell, dass seine Überlebenschancen klein sind. Eine Amputierung von Beinen und Händen war ein Thema und wäre seine einzige Überlebenschance gewesen», sagt die Mutter. Die Eltern sitzen am Krankenbett, zeigen ihm auf dem Handy ein Video eines seiner Rennen. Elia Epifanio lag im Koma. «Sein Puls ging nochmals hoch», sagt der Vater.
Die bakterielle Lungenentzündung führte zu einem septischen Schock. Die Hoffnung schwand von Stunde zu Stunde. Am Freitag, vier Tage nach seiner Einlieferung ins Kinderspital Zürich, wurden die Maschinen, die ihn am Leben erhielten, abgestellt. «Nach fünf Minuten war er tot.» Fassungslosigkeit. Sein Leben endet an diesem Punkt. Mit 14 Jahren.
Vater Daniele blickt über die Rennstrecke in Wohlen. «Er hatte so viele Träume. Er hatte sein Leben vor sich.» Es ist alles nur schwer zu ertragen. Als die Eltern sich das letzte Mal von ihrem Sohn verabschiedeten, gingen sie nicht direkt in ihr Haus nach Würenlos, sondern entschieden sich, auf die Kartbahn ins Freiamt zu fahren. «In diesem Moment war es für uns ein Ort des Trostes. Wir fühlten uns Elia nahe», erklärt der Vater.
Schon am Tag seines Todes reden sie darüber, dass sie zum Gedenken an ihn ein Benefizrennen durchführen wollen. Am 14. September 2024, rund 1,5 Jahre später, wird dies nun stattfinden. Die «Trofeo Elia Epifanio» wird auf der Kartbahn Wohlen durchgeführt. Sie wollen damit drei Dinge erreichen: Aufklärung, Wohltätigkeit und Erinnerung (siehe Kasten). «Dieses Rennen würde ihn sicherlich freuen», sagt der Vater.
«Glück ist nur geliehen»
Das erste Jahr ohne Elia war für die Eltern und das Umfeld enorm hart. «Alle Dinge zum ersten Mal ohne ihn zu erleben, machte Angst.» Sein Geburtstag am 21. März, sein Todestag am 31. März, das waren wohl die schlimmsten Tage. «Er fehlt. Überall. In jeder Sekunde», sagt die Mutter. Die Anteilnahme nach seinem Tod war riesig. Sie erzählen, dass seine Schulklasse an seinem ersten Todestag auf die Kartbahn Spreitenbach ging und für Elia Runden drehte. «Danach gingen sie gemeinsam essen. Und sie assen Elias Lieblingsgericht: Döner.» Die Eltern sagen, sie hätten nach seinem Ableben einige Dinge über ihren Sohn erfahren, welche ihnen vorher nicht bewusst waren. Es waren lauter positive Dinge: seine soziale Ader, sein grosser Sinn für Gerechtigkeit, seine Disziplin. «Er war ein Engel», meint der Vater und fügt ein Zitat an, das ihm sehr ans Herz gewachsen ist und er gerne weitergeben möchte: «Das Glück ist nur geliehen.» Man soll jede Minute seines Lebens geniessen.
Ihr Schicksal ist heftig, traurig. Die Eltern mussten aber weitermachen. Das Leben leben, so gut es eben ging. Nur schon für ihre beiden weiteren Kinder Romeo und Gioele, die auch sehr unter dem Verlust ihres grossen Bruders leiden. «Romeo bestreitet dieses Jahr seine erste Schweizer Kartmeisterschaft und auch Gioele hat schon mit dem Kartfahren begonnen», sagt der Vater stolz. So ist die Familie Epifanio aus Würenlos wieder sehr oft an diesem besonderen Ort zugegen, der Kartbahn in Wohlen, ihrem zweiten Zuhause. Hier herrscht für sie Gefühlschaos. Trauer, Trost, Freude. Der Vater zeigt mit dem Finger auf die Piste und sagt: «Ich sehe ihn immer noch rumfahren. Er ist immer noch hier. Irgendwie.»
Drei Gründe für das Rennen
Aufklärung, Wohltätigkeit und Erinnerung. Das sind die drei Ziele der «Trofeo Elia Epifanio» auf der Kartbahn Wohlen am 14. September.
Aufklärung: Einen Tag vor dem Benefizrennen ist der Welt-Sepsis-Tag (jährlich immer am 13. September). «Es ist wichtig, dass man Aufklärung leistet zum Thema Sepsis, damit anderen Menschen dieses Schicksal vielleicht erspart bleibt», sagen die Eltern. Denn: Alle vier Sekunden stirbt ein Mensch an einer Sepsis. Viele Fälle kann man vermeiden, wenn die Sepsis frühzeitig erkannt wird. Auf der Homepage des Kinderspitals Zürich steht: «Jährlich sind rund 20 000 Menschen in der Schweiz von Sepsis betroffen, fast 3500 sterben daran. Eine Sepsis entsteht, wenn eine Infektionskrankheit zu einem Ausfall lebenswichtiger Organe führt. Am stärksten gefährdet sind Neugeborene und Kleinkinder, ältere Menschen und solche mit chronischen Erkrankungen. Bis zur Hälfte aller Sepsis-Überlebenden leidet langfristig, manchmal sogar lebenslang an den Folgen der Krankheit.»
Das Rennen soll auch ein Dankeschön sein, eine Spende, eine Wohltätigkeit. Denn sämtliche Einnahmen (und Spenden an diesem Tag) gehen an das Kinderspital Zürich. Gemäss den Eltern wird der Chefarzt des Kinderspitals Zürich vor Ort sein. «Er war dort in besten Händen», sagen die Eltern.
Und die «Trofeo Elia Epifanio» soll auch dafür sorgen, dass man ihren Sohn nicht vergisst. «Für uns ist Elia tagtäglich in unseren Gedanken. Unser Wunsch ist es, dass auch andere Menschen, die ihn kannten, an ihn denken und ihn nicht vergessen», sagt der Vater. --spr