Hans Melliger, Sarmenstorf.
Rollenspiel
Herzlichen Dank, lieber Rölfu, für deinen Steilpass aus Teneriffa. Du freust dich auf meine Rolle im Theaterstück «Sechs Beine» und bist gespannt, ...
Hans Melliger, Sarmenstorf.
Rollenspiel
Herzlichen Dank, lieber Rölfu, für deinen Steilpass aus Teneriffa. Du freust dich auf meine Rolle im Theaterstück «Sechs Beine» und bist gespannt, wen ich auf der Bühne dieses Mal «ausmachen» werde.
Gut, fangen wir vorne an. Es ist eigentlich wie im Leben. Auch im Theater werden dir die Rollen meist zugeteilt. Ausfüllen musst du sie dann selbst – eben möglichst gut. Der Autor weiss aber oft, für wen er schreibt, und die Regie kennt uns Laien-Pappenheimer sowieso bestens. So gibt es bei unserer Rollenbesetzung kein Casting, sondern eher ein: «Ja, diese Figur könnte mit dieser Person funktionieren.»
Die Figuren werden normalerweise bei der Stückschreibung kurz charakterisiert und umschrieben und dann mit Text ins ganze Rollenspiel eingewoben. Unser Autor Guy nahm aber den schwierigeren Weg. Er führte vor dem Schreiben mit uns Spielenden Interviews durch und wir konnten dabei frei eine uns passende Figur einnehmen und als diese antworten. Danach hat er mit diesen vorgeschlagenen Figuren – und teilweise mit unserem Interviewtext – das Stück geschrieben. Tönt aufwendig – und ist es auch. Ich habe übrigens eine Person aus unserem früheren Umfeld als Figurenvorbild genommen, wahrscheinlich wirst du sie schnell erkennen.
Nun bin ich mit unserem Regisseur Adi daran, diese halb selbstgewählte Rolle auszufüllen. Der Text ist dabei nicht das Wichtigste. Die Erscheinung der Figur muss mit Haltung, Gesten und Bewegungen garniert und der Charakter dazu geschliffen, gefeilt und gekantet werden. Bei uns Laien heisst das üben, üben und nochmals üben. Wenn der Text geht, fallen plötzlich die Bewegungsabläufe weg und umgekehrt. Zuletzt kommt der Status der Figur bei jedem Auftritt dazu. Wie begegne ich anderen Figuren? Betrete ich die Szene als König und verlasse sie als Bettler? Johnny Depp beschwichtigt zwar uns Laien, wenn er sagt: «In jeder Rolle, die du spielst, steckt ein Anteil von dir selbst drin. Das muss so sein, sonst ist es einfach keine Schauspielerei. Dann ist es Lügen.»
Ich befürchte für meine Rolle eher das Gegenteil, nämlich dass zu viel von mir drinsteckt. Aber wem erzähl ich das alles? Du hast es ja genug selbst miterlebt, wie faszinierend dieses Rollenspiel sein kann. Du, ich muss hier abbrechen, ich habe gleich Probe. Wir sehen uns.