Das Puzzle neu zusammengesetzt
11.10.2022 VillmergenVillmergen: Lorenz Stäger hat eine Schrift über seine Vorfahren veröffentlicht
Eigentlich wollte er nur mehr wissen über seinen eigenen Ur-Urgrossvater. Doch beim Durchsehen des Archivs fand Lorenz Stäger so viel Spannendes, dass er daraus für ...
Villmergen: Lorenz Stäger hat eine Schrift über seine Vorfahren veröffentlicht
Eigentlich wollte er nur mehr wissen über seinen eigenen Ur-Urgrossvater. Doch beim Durchsehen des Archivs fand Lorenz Stäger so viel Spannendes, dass er daraus für die Jahresschrift der Historischen Gesellschaft Freiamt einen Beitrag verfasste. «Ich habe viel Neues erfahren», sagt der Autor.
Chregi Hansen
Eigentlich mag er es zu fabulieren. Der Wohler Autor Lorenz Stäger hat mehrere Romane geschrieben. Bei der Arbeit zum «Kammerdiener», der wunderbaren Geschichte des Villmergers Jost Leonz Koch, der von allen nur Lunzi genannt wurde, hat er entdeckt, wie spannend das Wühlen in Archiven sein kann. So interessant, dass er etwas später mit «Der Hawaii-Lunzi» noch eine richtige Biografie über das Villmerger Original nachlegte, nachdem er im ersten Buch munter mit Wahrheit und Dichtung spielte.
Die Coronazeit nutzte der Wohler dazu, weiter das Archiv seines Vaters Robert Stäger zu durchforsten. Der bekannte Freiämter Dichter hat eine Unmenge an Materialien hinterlassen: Briefwechsel, Tagebücher, Schriften, Postkarten, Quittungen, Notizen und vieles mehr. «Ich musste erst Ordnung ins Ganze bringen. Aber ich hatte wegen Corona ja genügend Zeit», schmunzelt Lorenz Stäger. Vor allem die Geschichte von Peter Stäger (1814 bis 1901) und dessen «Stänze-Hus», in dem er gelebt hat, faszinierte ihn. «Das Haus steht heute noch», erklärt Stäger, «und es lässt sich gut daran ablesen, wie damals gelebt wurde.»
Bei der Beschäftigung mit seinem Ur-Urgrossvater fand der ehemalige Kantilehrer aber auch interessantes Material über weitere Vorfahren: seinen Urgrossvater Fritz Stäger (1842 bis 1912) sowie die Familie Isenschmid, aus der seine Grossmutter Ida Stäger-Isenschmid stammt. Auch deren Geschichte ist jeweils stark mit einer bestimmten Liegenschaft verbunden. Bei Fritz Stäger war es das Wey-Haus, bei Isenschmids das sogenannte «Tokterhuus». Im Gegensatz zum Stenzenhaus wurden diese beiden Liegenschaften inzwischen abgerissen. «Ich fand es reizvoll, die Geschichten der Familien mit derjenigen der Liegenschaften zu kombinieren», erklärt der Autor.
Eigentlich nur für sich selber geforscht
Dabei hatte er ursprünglich gar keine Absicht, seine Ergebnisse zu veröffentlichen. «Ich machte das mehr für mich selber. Als ich aber Peter Hägler davon erzählte, ermunterte er mich zu einem Beitrag in der Jahresschrift der Historischen Gesellschaft Freiamt. In der aktuellen Schrift 2021/2022 ist der Beitrag über die Familie Stäger und ihre Häuser nun erschienen. Dabei wird die eigentliche Erzählung ergänzt durch viele Anmerkungen. «Ich habe beim Durchsehen des Archivs so viele schöne Anekdoten und Besonderheiten gefunden, die wollte ich den Lesern einfach nicht vorenthalten. Denn sie erlauben einen Einblick in das Leben von damals», sagt Stäger zu den Unmengen von Fussnoten.
Vorfahren in neuem Licht sehen
Texte, die auch deutlich machen, wie schwierig zum Teil das Suchen in Archiven sein kann. Stäger stützte sich zum einen auf das Archiv seines Vaters, erhielt aber auch viel Unterstützung durch seinen Cousin Oskar Stäger. Zudem bekam er unkompliziert Zugang in das Villmerger Gemeindearchiv. Für Stäger selber war die Arbeit etwas Besonderes. Weniger, weil es die eigene Familie betraf. «Das sind alles Geschichten, die schon ewig her sind, da werden keine Familiengeheimnisse gelüftet», sagt er. Spannender war es, wie sein eigenes Bild seiner Vorfahren relativiert wurde. «Grossvater, Urgrossvater und Ur-Urgrossvater Stäger kannte ich bisher nur aus den Schilderungen meines Vaters. Er hat sie teilweise in seinen Texten beschrieben, aber sehr idealisiert, wie ich heute feststellen kann. Durch meine Arbeit sehe ich die Vorfahren in einem neuen Licht. Es war, wie wenn die einzelnen Puzzleteile sich neu anordnen und endlich ein klares Bild ergeben», erklärt der Autor.
Zwei Jahre Arbeit stecken in diesem Text. Noch immer ist Stäger fasziniert von den vielen Erkenntnissen, die er gewonnen hat. So etwa hat Ur-Urgrossvater Peter Stäger fast das ganze 19. Jahrhundert erlebt, das sogenannte Viktorianische Zeitalter. Er muss ein besonderer Mensch gewesen sein. Beruf lich erfolgreich als Mechaniker, der bekannt war für seine Feuerspritzen. Vater von 21 oder allenfalls auch 22 Kindern. Aber offenbar auch ein Freigeist. «In der Todesanzeige gab es kein Kreuz und keinen Hinweis auf einen Dreissigsten, was damals unüblich war. Und zu seinem Tod hat die grosse Glocke nicht geläutet», hat Lorenz Stäger herausgefunden. Und den möglichen Grund als Anmerkung verfasst.
Ähnlich interessante Fakten hat er auch über Fritz Stäger herausgefunden. Auch dieser muss sehr tüchtig gewesen sein und ein echter Tüftler, der selber eine Gef lechtmaschine konstruiert hat. Später konzentrierte er sich auf die Färberei, die er 1992 seinen Söhnen Fritz und Robert übergab. Fritz Stäger junior litt aber unter Epilepsie und musste aus der Firma ausscheiden. Die Beschäftigung mit dem Leben des Sohnes hat Lorenz Stäger stark berührt. «Er wurde in jungen Jahren quasi weggesperrt in Kliniken. Bei seinen seltenen Besuchen zu Hause war die Stimmung angespannt. Das ging so weit, dass sie ihn baten, möglichst wenig zu kommen. Dabei war er eigentlich ein höchst intelligenter Mensch, aber damals wusste man eben nicht, wie man mit dieser Krankheit umgehen musste.»
Sogar der Lunzi taucht ganz kurz auf
Stägers Schrift ist ein wunderbares Stück Lokalgeschichte, das zudem Einblicke erlaubt in das Leben zu früheren Zeiten. Dabei hat er sehr genau gearbeitet, so führt er beispielsweise exakt auf, wann und zu welchem Preis welche Liegenschaften gehandelt wurden. Und selbst der Lunzi, die Lieblingsfigur des Autors, kreuzt seine Familiengeschichte, musste er doch der Ida Isenschmid, der späteren Frau von Robert Stäger senior, dem Grossvater von Lorenz Stäger also, einen Schuldzins zahlen. Womit sich der Kreis schliesst.
Wobei: Ganz fertig ist Lorenz Stäger mit seiner Arbeit noch nicht. «Ich würde sehr gerne auch einen Text über die Frauen in unserer Familie schreiben. Aber da ist es viel schwieriger, an Informationen zu kommen, weil ja fast alles über die Ehemänner lief», erklärt er. Aber er hat Zeit. Und ganz viel Archivmaterial. «Ich habe keinen Druck. Mir macht die Beschäftigung mit der Vergangenheit einfach Spass», sagt er.
Der Text «Von meinen Vorfahren und ihren Häusern» ist erschienen in «Unsere Heimat – Jahresschrift der Historischen Gesellschaft Freiamt». Informationen: www.historischefreiamt.ch.




