Vorbilder für perfektes Teamwork
30.09.2022 WohlenPrivatschule «Lern mit»: Eine äusserst seltene Ameisenkolonie ist zur Schulattraktion geworden
Dieses System ist eindrücklich. Aus knapp 40 Ameisen ist eine Kolonie von rund 22 000 Tierchen geworden. Zu bestaunen ist dies in der Privatschule «Lern ...
Privatschule «Lern mit»: Eine äusserst seltene Ameisenkolonie ist zur Schulattraktion geworden
Dieses System ist eindrücklich. Aus knapp 40 Ameisen ist eine Kolonie von rund 22 000 Tierchen geworden. Zu bestaunen ist dies in der Privatschule «Lern mit». Für die Schülerinnen und Schüler findet dadurch die Natur im Klassenzimmer statt. Vergleichbares gibt es in der Schweiz kaum.
Daniel Marti
Eine Ameisenkolonie. Eine sehr gut organisierte Gesellschaft. Eine verblüffende Anlage. Und ein beeindruckendes Volk, das Demokratie vorlebt. All das gibt es in der Privatschule «Lern mit» zu bestaunen. Rund 22 000 Ameisen und eine Königin – diese Tierchen sind seit knapp zwei Wochen ein Hingucker. Sie machen vor, wie das Zusammenleben in der Tierwelt funktionieren kann. Und das mitten in einer Schule. Wie kommt man nur auf diese seltene und ein wenig verrückte Idee?
Komplexestes Gesellschaftssystem in der Tierwelt
Der Ursprung liegt bei Denis Ganath, Klassenlehrer bei «Lern mit». Und ausgebildeter Biologielehrer. «Da interessiert man sich automatisch für Tiere», sagt er. Aber müssen es gleich Ameisen sein? Mit dem lateinischen Namen Atta Sexdens. Diese kleinen Wesen stehen stellvertretend für «das komplexeste Gesellschaftssystem in der Tierwelt», klärt Ganath auf. Die Atta Sexdens bilden ganze Ameisenstaaten. Und das mit nur einer Königin.
Vor zwei Wochen ging es im Haus Ganath ans Zügeln. Nur, wohin mit der Ameisensammlung?, dachte er sich. Ab in die Schule. Und dort freuen sich nun 60 Schülerinnen und Schüler plus Lehrpersonen über die so aktive Tierwelt und einmalige Sammlung. Gestartet ist Denis Ganath vor rund eineinhalb Jahren. Rund 40 Ameisen und eine Königin importierte er. Heute sind es wohl rund 22 000 Exemplare. Genau nachgezählt hat er natürlich nicht, aber anhand der Bauten lässt sich die Grösse des Volkes abschätzen.
Atta Sexdens stammt übrigens aus Mittel- und Südamerika. Deshalb muss das «Gehege» auf schön angenehme 24 Grad geheizt sein, damit sich die Ameisen wohlig fühlen. Und fleissig arbeiten können. Mit drei Behältern hat er begonnen, nun gibt es ein ganzes System an Rohren und Wohn- und Nahrungsstationen.
Einziger Austausch mit dem Zoo Zürich
Die Arbeiterameisen konzentrieren sich auf drei Dinge: Nahrungsbeschaffung, Verteidigung und Aufzucht der Brut. Das einzige fortpflanzungsfähige Individuum ist die Königin, sie legt praktisch laufend Eier und ist knapp drei Zentimeter gross.
Der Anbau der eigenen Nahrung sowie die Arbeitsteilung machen eine Kolonie zu einer extrem interessanten Tiergesellschaft dieser Erde. Täglich gibt es Grünfutter, das wird von den Blattschneiderameisen verarbeitet, um sich einen Pilz zu züchten, der dann als einzige Nahrung gilt. Die Ameisen meistern das alles mit unendlich viel Fleiss. Sie haben aber auch eine bestimme Ecke für den Abfall. Und sie pflegen einen Friedhof. Eindrücklich. Der Friedhof ist immer in jenem Behälter, der im ganzen System am entferntesten platziert ist. So können Krankheitskeime ferngehalten werden. Bemerkenswert.
Jetzt hat die Kolonie bei «Lern mit» mit knapp 22 000 Ameisen ihre maximale Grösse erreicht. «Auch in der Natur wird eine solche Kolonie nicht grösser», sagt der Biologielehrer. Denis Ganath möchte sich auch laufend weiterbilden in der Ameisenhaltung. «Aber ich pflege ein sehr seltenes Hobby», weiss er. Dies hat er spätestens nach diversen Kontaktversuchen erfahren. Einzig mit dem Zoo Zürich sei ein Austausch möglich. «Da habe ich gemerkt, wie wertvoll unsere Informationen sind.» Heute weiss man, dass bei den Atta Sexdens immer das Volk entscheidet. «Die Tierchen leben in einer Demokratie und trotz einer Königin nicht in einer Monarchie.» Trotzdem geniesst die Königin Vorteile: Sie muss nicht arbeiten, nur Eier legen, sie wird ständig versorgt und sie hat eine Lebenserwartung von 14 bis maximal 20 Jahren. Bei den normalen Arbeiterameisen beträgt die Lebenserwartung knapp ein Jahr. Stirbt jedoch die Königin, stirbt die ganze Kolonie.
«Das passt zur Schule»
Reto Helbling, Inhaber und Schulleiter von «Lern mit», ist von der neuen Anlage in seiner Schule jedenfalls begeistert. «Wir haben mit der Kolonie die Natur ins Schulzimmer geholt. Die Schülerinnen und Schüler können das Leben der Ameisen laufend beobachten», so Helbling. «Und die Atta Sexdens sind sehr gescheit», ergänzt Denis Ganath, «das passt doch zur Schule. Zudem repräsentieren sie perfektes Teamwork.»
Auch der pädagogische Ansatz sei bei der Kolonie vorhanden. «Schon früher habe ich oft über meine Ameisen erzählt», so Ganath. «Und nun können die Kinder täglich beobachten, wie hilfreich und wertvoll Teamwork ist.» Die Atta Sexdens machen auch das vorbildlich vor – 22 000fach, praktisch ohne Unterbruch.


