Etwas Grosses entstehen lassen
30.09.2022 Region UnterfreiamtDie Macher von Grabenstorf ziehen nach der Dernière eine positive Bilanz
15 ausverkaufte Vorführungen, viel Lob und ein einmaliges Setting. Sarmenstorf hat besondere Wochen hinter sich.
Chregi Hansen
Letzten Freitag ...
Die Macher von Grabenstorf ziehen nach der Dernière eine positive Bilanz
15 ausverkaufte Vorführungen, viel Lob und ein einmaliges Setting. Sarmenstorf hat besondere Wochen hinter sich.
Chregi Hansen
Letzten Freitag fand die allerletzte Vorstellung statt. Anschliessend wurde bis tief in die Nacht gefeiert. «Als die Letzten nach Hause gingen, war es schon hell», schmunzelt Hans Melliger, der zusammen mit Stefan Hegi die Produktionsleitung innehatte.
Während die einen nach Hause ins Bett gingen, begannen andere bereits am Samstag um 8 Uhr mit den Aufräumarbeiten. Noch diese Woche werden alle Aufbauten verschwinden, dann kann der Bagger die grosse Grube wieder zuschütten. «In wenigen Tagen ist der ganze Spuk schon wieder vorbei», sagt Stefan Hegi mit etwas Wehmut. Gleichzeitig ist er stolz. Der Abbau beweise, wie alle anpacken bei diesem Projekt. «Das Projekt hat etwas Verbindendes, es brachte die Menschen zusammen», ist er überzeugt. Zudem habe Grabenstorf bewiesen, dass sich auch noch so verrückte Ideen verwirklichen lassen, wenn man daran glaubt.
Und mit Grabenstorf meinen Hegi und Melliger nicht nur das Theater in der Grube. Sondern auch die vielen anderen Aktionen im Vorfeld. Die Führungen, Vorträge, Wettbewerbe und Grabaktionen. Und natürlich das Grabologie-Labor auf der Dorfwiese mit seinen angeblich sensationellen Funden. Auch sie bereits Geschichte, Labor und Funde. «Mit allen diesen Events haben wir die Erwartungen geschürt. Sie waren wichtig für den Erfolg», betonen die Macher.
Mit den Erwartungen gespielt
Die Verantwortlichen von «Grabenstorf» können nach der Dernière eine positive Bilanz ziehen
Was vor vier Jahren mit einem einfachen Flugblatt begonnen hat, entwickelte sich zu einem Grossprojekt mit verschiedensten Aktionen und einem genialen Theater als Schlussbouquet. «Es gab Tausende von Gründen, das Ganze abzubrechen. Wir haben es durchgezogen», sagen Hans Melliger und Stefan Hegi stolz.
Chregi Hansen
Vor genau einer Woche fand die letzte Vorstellung statt. Schon am nächsten Morgen wurde mit dem Rückbau des gesamten Theaterdorfes begonnen. «In wenigen Tagen ist der ganze Spuk verschwunden. Die Grube wieder gefüllt. Und im nächsten Frühling spriesst hier wieder eine Wiese und erinnert nichts mehr an unser Theater», sagt Stefan Hegi, zusammen mit Hans Melliger Projektleiter von Grabenstorf.
Allerdings, ganz zu Ende ist das Projekt nicht. Am 29. Oktober wird anlässlich eines Trüffeltages wieder in der Erde gegraben. Und anlässlich der 850-Jahr-Feier im kommenden September wollen die Theatermacher eine Zeitkapsel vergraben mit Erinnerungen an all die verrückten Aktionen. Und das ist Melliger und Hegi sehr wichtig. Grabenstorf ist mehr als «nur» ein Theaterstück.
«All die anderen Events im Vorfeld gehören dazu. Sie machen mindestens 50Prozent des Ganzen aus», betont Hegi. Diese Aktionen wie beispielsweise das Grabologie-Labor hätten mit den Erwartungen gespielt. «Viele glaubten, dass wir hier wirklich 23Meter in die Tiefe graben. Und so war es bei vielen Events. Es blieb unklar, was ernst ist und was nicht», freut sich Melliger. Die Grenze zwischen Realität und Fiktion wurde ständig verschoben. Wobei sich vieles erst im Laufe der vergangenen vier Jahre entwickelt hat. «Dabei konnten sich alle einbringen, die Lust hatten», so Melliger.
Erwartungen mehr als erfüllt
Natürlich bildete das Theater den grandiosen Höhepunkt des Projekts. Allein schon von den Zahlen her. 15 Vorstellungen, 97 Prozent Auslastung, rund 3400 Zuschauer und Zuschauerinnen insgesamt, dazu 1000 Personen, die vor der Vorstellung in der Theaterbeiz gegessen haben, und Unzählige, die vor, während und nach dem Stück auf dem eigens erstellten Dorfplatz flaniert und gefeiert haben. Einzig das Wetter zeigte sich nicht so, wie erhofft. «Es gab keine lauen Spätsommerabende. Es war oft regnerisch und kühl. Darum gingen etliche nach der Vorstellung gleich nach Hause», bedauert Melliger. Und Stefan Hegi erzählt, dass sie jeden Abend auf Nadeln sassen und die Wetterprognosen studierten. «Die Generalprobe mussten wir wegen eines Sturms unterbrechen. Und einmal hat eine Regenwand kurz vor der Aufführung die Grube mit Wasser gefüllt», berichtet er.
Die speziellen Umstände forderten auch das Ensemble. «Wenn es auf das Dach regnet, müssen wir umso lauter sprechen. Kommt dazu, dass das Publikum erhöht sass, was sowieso schon schwierig war», erzählt Hans Melliger, der im Gegensatz zu Hegi im Stück selber mitgespielt hat. Dazu kam die Angst, dass jemand wegen der kühlen Temperatur erkrankt und darum ausfällt – was zum Glück nicht der Fall war. Das ist für die beiden Projektleiter fast das Eindrücklichste, wie das Ensemble in dieser Zeit zu einer eingeschworenen Truppe geworden ist. Aber auch im Hintergrund wurde Grosses geleistet. Über 180 Helfer sorgten dafür, dass die Gäste den Abend geniessen konnten. «Es war mehr als ein Theater. Wir haben hier ein Dorf mitten im Dorf erschaffen», sagt Stefan Hegi stolz. Grabenstorf habe dafür gesorgt, dass das Dorfzentrum wirklich zu einem Ort der Begegnung geworden ist. «Die Sarmenstorfer selber waren zu Beginn skeptisch. Aber am Schluss war sicher das halbe Dorf im Publikum», schmunzelt Melliger.
Teilweise selber erschrocken
Und der Grossteil der Zuschauer zeigte sich begeistert. Gelobt wurde von allen das Setting in der Grube mit dem Licht und der Musik. «Es gab schon an anderen Orten Theater, die in einer Grube aufgeführt wurden. Aber das waren bestehende Gruben. Dass wir extra ein Loch graben für unsere Aufführung, das ist einmalig», so Hegi. Viele hätten das bis zum Auffahren der Bagger für eine Spinnerei gehalten. «Und ganz ehrlich, als diese dann mit dem Aushub begannen und das Loch immer grösser wurde, da bin ich selber erschrocken über das, was wir hier machen», gibt Melliger zu. Am Schluss waren sich Macher und Publikum einig: Der Aufwand hat sich gelohnt, in Sarmenstorf wurde Einmaliges geschaffen.
Und das ist auch das, was Melliger und Hegi aus dem Projekt mitnehmen. Dass es sich lohnen kann, an einer verrückten Idee festzuhalten, auch wenn die ersten Hindernisse auftauchen. «Es gab Tausende von Gründen, das Ganze abzubrechen. Wir haben es durchgezogen. Alle haben sich dieser Idee untergeordnet», erklärt Hegi stolz. «Für uns war es anfangs gar nicht so eine abwegige Idee. Wie verrückt das ist, haben wir erst an den Reaktionen der anderen gemerkt», ergänzt Melliger.
Keine Pläne für ein weiteres Stück
Stolz sind sie auch, dass es eine reine Sarmenstorfer Produktion war. «Einige haben bemängelt, dass einzelne Darsteller nicht so gut waren. Aber sie vergessen, dass einige zum ersten Mal auf einer Bühne standen», so Melliger. Man hätte eben bewusst nicht die besten Schauspieler aus der Region aufgeboten. Sondern wollte möglichst auf die Sarmenstorfer setzen. «Das unterscheidet uns von anderen Theatern», so Hegi. Dass die Aufführung trotzdem gelungen ist, habe mit Eva Mann als Regisseurin zu tun. Was sie aus der Truppe herausgeholt habe, sei beeindruckend.
Und was wird dereinst bleiben von Grabenstorf? Abgesehen von der Zeitkapsel, die irgendwann sicher wieder zum Vorschein kommen wird. «Das Verbindende. Es ist gelungen, mit einem simplen Flugblatt ganz viele Menschen zusammenzubringen, die gemeinsam etwas Grosses geschaffen haben», sagt Hegi. «Und wir haben bewiesen, wie wichtig ein Dorfplatz für die Gemeinde ist», fügt Melliger an. Ein Ort, an dem Begegnungen möglich sind. Beide hoffen, dass die beglückende Wirkung der am Schluss verkauften Terra Mystica anhalten wird. Und die extra gebaute und nun eingelagerte Tribüne an anderen Orten wieder zum Einsatz kommt.
Doch wann folgt das nächste eigene Theaterprojekt? Das sei noch völlig offen, betonen die beiden. Sarmenstorf habe keinen fixen Rhythmus wie andere Theatervereine. Es brauche immer jemanden, der die Initiative ergreife. So wie sie damals vor vier Jahren mit einem simplen Flugblatt. Was daraus entstehen kann, hat man in den vergangenen Wochen und Monaten in Sarmenstorf erlebt. Die Grube mitten im Dorf wird zwar bald verschwunden sein, Grabenstorf selber in den Köpfen aber noch lange weiterexistieren.