«Gemeinderat ist gefordert»
28.06.2022 EinwohnerratEinwohnerrat von gestern Montagabend im Casino: Diskussionen rund um die Jahresrechnung 2021
Das Jahresergebnis ist einigermassen gut und es wurde von allen Fraktionen weitgehend akzeptiert. Aber die finanziellen Aussichten sind alles andere als rosig. Simon Sax, ...
Einwohnerrat von gestern Montagabend im Casino: Diskussionen rund um die Jahresrechnung 2021
Das Jahresergebnis ist einigermassen gut und es wurde von allen Fraktionen weitgehend akzeptiert. Aber die finanziellen Aussichten sind alles andere als rosig. Simon Sax, Präsident der Finanz- und Geschäftsprüfungskommission, sieht einige Risiken, die eine gewisse Bedrohung darstellen.
Daniel Marti
Die Rechnung 2021 sei zwar mit einem Jahresergebnis von 1,85 Millionen Franken erfreulich, weil damit das Budget klar übertroffen wurde, sagte Simon Sax für die Finanz- und Geschäftsprüfungskommission. Aber im Vergleich mit dem Vorjahr – da betrug der Ertrag 4,2 Millionen – sieht die Situation ganz anders aus.
Deshalb nannte Sax auch andere Zahlen. Wohlen profitierte mit 4,6 Millionen Franken vom Finanzausgleich. Der Pro-Kopf-Steuerertrag ist deutlich unter dem kantonalen Schnitt. «Und die Schulden werden steigen. Bei einem Zinsanstieg wird es dann ungemütlich, sogar bedrohlich», lautete seine unmissverständliche Warnung.
«Es ist störend»
Wohlen habe in den letzten Jahrzehnten unterdurchschnittlich investiert, «und das erst noch ungenügend selber tragen können». Die Zahlen untermauern laut Sax die eher ungemütliche Situation. Dieser Haltung hatte Finanzministerin Denise Strasser nicht so viel entgegenzusetzen. Sie betonte zwar, dass die Nettoschuld mit 25,3 Millionen Franken nicht so hoch ist. Die Darlehensschuld ist unverändert bei knapp 55 Millionen Franken. Und sollten die Zinsen tatsächlich nur um ein Prozent steigen, dann trifft das die Gemeinde Wohlen ziemlich hart.
«Wohlen liegt bei der Steuerkraft deutlich unter dem Kantonsmittel», betonte auch Claudia Hauri für die SVP. «Es ist störend, dass der Gemeinderat diesen Zustand einfach akzeptiert. In jedem Unternehmen würden schon längst Massnahmen ergriffen.» Damit sei jedoch keine Steuerfusserhöhung gemeint, machte sie deutlich. «Aktuell gibt es hier keinen Handlungsbedarf.» Hauri will andere Antworten vom Gemeinderat hören. Auch sie sieht zudem in der Erhöhung des Zinsniveaus («da sind wir schon mitten drin») ein grosses Risiko. Man dürfe in Zukunft «nur mit Priorität investieren, und bitte auch nicht zu schnell, denn die Gemeinde muss ja auch die Refinanzierung tragen können», warnte die SVP-Finanzexpertin.
Selbst die SP sprach von ungenügenden Zahlen. Darum müssen man die Situation schon weiter beobachten, so Valentin Meier. Und zur Verbesserung der Finanzlage machte er auch gleich einen Vorschlag: Eine verursachergerechte Abfallbewirtschaftung wäre wünschenswert. Damit meinte er die Grüngutgebühr, die vom Gemeinderat noch dieses Jahr präsentiert werden sollte.
Ebenfalls einen konstruktiven Vorschlag machte Stefanie Dietrich, die Mitte. Mit einem gezielten Standortmarketing sollte die Erhöhung der Steuerkraft machbar sein, meinte sie, und: «Die Schulden steigen zwar, trotzdem müssen wir weiter investieren.» Mit einer gesteigerten Attraktivität sei viel erreichbar. Und die Wohlerinnen und Wohler sollten stolz sein auf ihr Dorf.
Das mag vielleicht auch im Sinne der FDP sein. Aber Fraktionspräsident Dieter Stäger sieht da noch andere Baustellen. Vor einem Jahr habe man sich über einen Ertragsüberschuss von 4,2Millionen Franken gefreut. «Das war aber nicht nachhaltig», kritisierte er. «Heuer ist die Rechnung deutlich schlechter.»
Und die nackte Wahrheit sieht Dieter Stäger in einer Zahl: Das betriebliche Ergebnis liegt ganz sachlich betrachtet bei minus 1,8Millionen Franken. «Das ist sehr unerfreulich.»
Und Stäger sprach auch Klartext: «Der Gemeinderat ist gefordert, um Massnahmen und Antworten zu finden, und zwar bevor der Zinsanstieg so richtig durchschlägt.» So krass sehen es die Grünen eher nicht. Aber man müsse die Finanzen schon genau im Auge behalten, betonte Anna Keller.
Per Postulat zu einer Art Schuldenbremse
Eine Idee, wie das genau gehen könnte, hatte Einwohnerrat Ruedi Donat, die Mitte. Deshalb wurde gleich zu Beginn der Einwohnerratssitzung über ein dringliches Postulat diskutiert. Donat fordert in seinem Vorstoss, dass künftige Steuerfusserhöhungen zwingend nur für den Schuldenabbau eingesetzt werden. «Der Kanton Aargau kennt das Konstrukt der Schuldenbremse. Seit mehreren Jahren werden per Gesetz erfolgreich Schulden abgebaut. In Wohlen sind grosse Projekte beschlossen und weitere unaufschiebbare Investitionen stehen noch an», begründet Donat sein Postulat. «Damit bekommen wir die Finanzen besser in den Griff.» Und die sich abzeichnende Schuldenlast sei unverantwortlich.
Der Gemeinderat sah die Dringlichkeit aber nicht gegeben. Der Prozess der Budgetierung sei bereits weit fortgeschritten, sagte Finanzministerin Denise Strasser. Deshalb habe das Postulat auch keine Auswirkungen auf das Budget. Sein Anliegen habe ja nicht direkten Einfluss auf das kommende Budget, erklärte Donat noch. Trotzdem hatte die Dringlichkeit keine Chance, sie wurde mit 25 Nein-Stimmen (zu 10 Ja) deutlich abgelehnt. Das Postulat wird also später behandelt.
Rücktritt von Francine Koch, FDP
Dagegen hat sehr früh Francine Koch von der FDP ihre Laufbahn als Einwohnerrätin beendet. Im vergangenen Herbst gewählt, tritt sie bereits wieder zurück. Sie hat die Chance erhalten, bei Yello Winterthur in der höchsten Schweizer Handball-Liga Fuss zu fassen. Sie möchte voll auf diesen neuen Vertrag setzen. Einwohnerratspräsident Cyrille Meier zeigte Verständnis für diesen Entscheid.