Tief in die Materie eingetaucht
06.05.2022 WohlenÜbergabe der Rotary-Preise an der Kantonsschule Wohlen
Eine Maturarbeit schreiben im letzten Jahr – das ist für die meisten Schülerinnen und Schüler der Kanti eine lästige Pflichtaufgabe. Manche aber sehen es als Kür – und leisten ...
Übergabe der Rotary-Preise an der Kantonsschule Wohlen
Eine Maturarbeit schreiben im letzten Jahr – das ist für die meisten Schülerinnen und Schüler der Kanti eine lästige Pflichtaufgabe. Manche aber sehen es als Kür – und leisten mehr als andere. Die besten Arbeiten wurden wie jedes Jahr besonders geehrt.
Chregi Hansen
«Ich habe alle Arbeiten mit grossem Interesse gelesen», versicherte der Präsident von Rotary Freiamt. «Und es war höchst spannend. Auch wenn ich inhaltlich nicht immer alles verstanden habe, das gebe ich gerne zu», fügte Christoph Koch an.
Diese Aussage gilt ganz besonders für diejenige Arbeit, welche in diesem Jahr den 1.Preis erhielt. Der Titel lässt erahnen, wie kompliziert der Inhalt ist: «Silbernanopartikel – Synthese und Anwendung als antimikrobielle Beschichtung». Geschrieben wurde sie von Melanie Pellegrino aus Waldhäusern. Sie hat damit nicht nur ihre Betreuerin, Chemielehrerin Mirella Degiacomi, begeistert, sondern auch die Jury des diesjährigen Rotary-Preises, bestehend aus vier Rotariern und drei Personen der Kanti.
Lehrerin Degiacomi schwärmte von der Arbeit und der Schülerin gleichermassen. «Melanie hatte Ideen für mindestens drei Arbeiten. Und die vorliegende umfasst mindestens zwei davon», sagte sie. Pellegrino hat sich nicht nur das Wissen angeeignet, selber Nanopartikel herzustellen, sondern hat auch noch deren antibakterielle Wirkung, beispielsweise auf Handyhüllen, untersucht. «Sie hat umfassend recherchiert, sich ganz viel Wissen angeeignet und Unmengen von Stunden im Labor verbracht», berichtete die Lehrerin. «Ich konnte von ihr viel lernen.»
Budget fast gesprengt
Melanie Pellegrino wurde durch die Coronazeit zu dieser Arbeit inspiriert. «Das Handy ist für die meisten ein unverzichtbarerer Begleiter im Alltag. Aber dessen Oberfläche ist absolut unhygienisch», erzählte sie. Als sie am Tech-Day der Kanti einen Vortrag über Nanopartikel hörte, war ihr Interesse endgültig geweckt. Ursprünglich wollte sie mit Goldnanopartikeln arbeiten, das aber hätte das Budget der Gemeinde gesprengt. So wich sie auf Silbernanopartikel aus. Mit dem Ergebnis ist sie sehr zufrieden. «Jetzt müssten die von mir gemachten Ergebnisse selbstverständlich noch in einem grösseren Rahmen untersucht werden. Dafür fehlen die Möglichkeiten in unserem Labor», fügte sie an. Sie ist sehr stolz, konnte sie alle zu Beginn aufgestellten Hypothesen bestätigen. «Aber den Zeitaufwand habe ich komplett unterschätzt», gab sie zu.
Armutsbetroffenen Menschen eine Stimme geben
Auch die übrigen Preisträger und -trägerinnen vermochten bei ihren Präsentationen das Publikum zu begeistern. Die zweitplatzierte Chiara Buzzi di Marco aus Arni hat beispielsweise eine fünfteilige Podcast-Reihe über die Armut in der Schweiz produziert. Dazu musste sie sich nicht nur thematisch in die Materie einarbeiten, sondern auch noch alles über die Herstellung und Veröffentlichung von Podcasts lernen. Inspiriert wurde sie für ihre Arbeit durch ihren Auslandaufenthalt in Argentinien. «Dort herrscht die Meinung, dass alle Menschen in der Schweiz reich sind», berichtete sie. Dabei gebe es auch hierzulande arme Menschen. «Über sie wird viel geredet, selber kommen sie kaum zu Wort. Das wollte ich ändern», sagte die Schülerin.
In vier persönlichen Interviews konnte sie mehrere Faktoren für die Armut eruieren. So sind eine schlechte Schulbildung, eine Sucht oder das Aufwachsen in ärmlichen Verhältnissen oft Ursachen, warum jemand später in die Armutsfalle gerät. Rektor Matthias Angst lobte Chiara Buzzi di Marco dafür, dass sie ein aktuelles Thema aufgegriffen und den betroffenen Menschen eine Stimme gegeben hat. «Sie hatte ein Ziel vor Augen und hat dieses mit viel Initiative und Eigenständigkeit erreicht», so Angst weiter. Neben dem zweiten Platz beim Rotary-Preis war die Nomination für den Young Caritas Award eine weitere Belohnung dafür. Die fünf Podcasts sind noch immer auf den gängigen Plattformen abrufbar.
Ebenfalls eines sehr aktuellen Themas hat sich der Murianer Piet Hoppler angenommen. Im Mai stimmen die Schweizer über eine Änderung des Organspendegesetzes ab. In seiner Arbeit hat der Schüler untersucht, wieso es in der Schweiz an Spendern mangelt, wenn sich doch in Umfragen fast 75 Prozent der Personen für die Organspende aussprechen. Er hat nach möglichen Gründen gesucht und sich gefragt, ob die jetzt angestrebte Widerspruchslösung etwas daran ändert. Betreuerin Esther Burkert erlebte Hoppler in dieser Zeit als «sehr engagiert, zielorientiert und effizient», wie sie erklärte. Er habe sich nicht mit dem Offensichtlichen zufrieden gegeben, sondern habe immer tiefer gegraben und verschiedene Sichtweisen einbezogen.
Wichtige Diskussion
Er sei schon immer interessiert gewesen an medizinischen Fragen, erklärte der Schüler selber. In seiner Arbeit zeigt er auf, wie schwierig das Thema Organspende ist. Als Beispiel nennt er die Religion. Hier stehe die Unversehrtheit des toten Körpers der Verpflichtung nach Nächstenliebe entgegen. Hoppler findet es schwierig, wenn Angehörige in einem Moment der Trauer entscheiden müssen, was mit dem Körper eines geliebten Menschen passiert. Ob sich das mit dem neuen Gesetz ändert, sei nicht sicher. Obwohl ein Befürworter, ist er froh um das Referendum. «Es ist wichtig, dass über das Thema diskutiert wird. Denn genau das ist das Problem der fehlenden Organspenden. Die meisten Menschen sind nicht betroffen davon und kümmern sich nicht darum», sagt er. Umso wichtiger sei es, die Gesichter und die Geschichten der Betroffenen öffentlich zu machen.
Schwierige Auswahl
Einen Anerkennungspreis gab es zudem für Justin Kuhn aus Waltenschwil Er hat sich durch zwei Fotos zu zwei Klavierstücken inspirieren lassen. Insgesamt wurden von den 155 Maturarbeiten deren 12 für den Preis vorgeschlagen, darunter eine Arbeit, welche in der Fachmittelschule geschrieben wurde. «Die Suche nach den Preisträgern war spannend und herausfordern», berichtete Rektor Matthias Angst und sprach von der «Qual der Wahl». Das bestätigt auch Jurymitglied Alois Huber. «Alle hatten ihre eigene Rangliste. Es tat jedes Mal weh, wenn einer der eigenen Favoriten aus dem Rennen fiel», erzählte er.
Für Rotary-Präsident Christoph Koch ist denn auch klar: «Nicht alle Arbeiten erhalten heute einen Preis, aber alle sind Gewinner.» Mit der Matur hätten die Schüler und Schülerinnen einen wichtigen Meilenstein erreicht. Jetzt gelte es, den weiteren Weg zu wählen. «Übernehmen Sie Verantwortung. Engagieren Sie sich. Tragen Sie dazu bei, die Werte der Schweiz wie soziale Wohlfahrt, Stabilität und Sicherheit zu bewahren», so sein Aufruf an die Schülerschaft. Denn diese Werte gebe es nicht gratis. «Tragen Sie dazu bei, dass auch die kommenden Generationen erfolgreich sein können.»