«Uns gibt es nur gemeinsam»
10.05.2022 WohlenTrudy und Josef Steinmann-Karpf feiern ein sehr seltenes Jubiläum
Am 11. Mai 1957 heiratete die Sarmenstorferin Trudy Karpf den Wohler Josef Steinmann. Nun feiern sie eiserne Hochzeit. «Wir haben nie gestritten», sagen die beiden – und erzählen aus ...
Trudy und Josef Steinmann-Karpf feiern ein sehr seltenes Jubiläum
Am 11. Mai 1957 heiratete die Sarmenstorferin Trudy Karpf den Wohler Josef Steinmann. Nun feiern sie eiserne Hochzeit. «Wir haben nie gestritten», sagen die beiden – und erzählen aus ihrem bewegten Leben.
Stefan Sprenger
«Meins. Deins. Das gibt es bei uns nicht. Uns gibt es nur gemeinsam.» Wenn Josef Steinmann diese Worte sagt und lächelnd zu seiner Frau schaut, muss auch sie anerkennend lächeln. Was die beiden «geschafft» haben, gibt es nur selten. Seit 65 Jahren sind sie verheiratet. Was ist ihr Geheimnis? «Danke sagen. Nett miteinander umgehen. Verständnis haben. Wir sind zufrieden miteinander», sagt Trudy Steinmann, 86-jährig. Ihr Ehemann, drei Jahre älter, fügt an: «Ich habe sie nie als mein Eigentum angesehen. Wir sind unseren Weg immer gemeinsam gegangen. Wir sind glücklich miteinander.»
«Es ist in Wohlen anders, aber es ist nicht besser»
Das Paar, das am Blumenweg in Wohlen wohnt, hat natürlich viel in seinem langen Leben erlebt. Trudy Steinmann war Schalterbeamtin bei der Post und machte auch Posthalterablösungen in der ganzen Schweiz. Josef Steinmann machte seine kaufmännische Lehre auf der Gemeindekanzlei Sarmenstorf und war fast ein halbes Jahrhundert bei der Gemeinde in Wohlen angestellt. Dort hat er viele Gemeindeammänner kommen und gehen sehen. Walter Meyer, Karl Albert Kuhn (von allen «KAK» genannt), Rudolf Knoblauch – oder Ernst Häner, den ersten vollamtlichen Gemeindeammann Wohlens. Josef Steinmann hat so viel in der Gemeindearbeit mitgekriegt – und interessiert sich auch heute noch dafür, was in Wohlen läuft. Sein Urteil, das er mit einem Lachen fällt: «Es ist in Wohlen anders als früher, aber es ist nicht besser geworden.»
Morgen Mittwoch feiern sie ihre eiserne Hochzeit mit einem kleinen Fest. Und dabei erzählen sie natürlich viele Geschichten von früher. Von ihren unzähligen Reisen, von ihrem Rezept, wie man auch im hohen Alter noch fit bleibt. Und vielleicht erzählen sie sogar die Geschichte, wie sie sich kennenlernten. Diese Story ist aber keineswegs eisern, sondern einfach nur goldig. Sie handelt von einem Mann mit gold-blonden Locken auf einer Lambretta und von einer Postkarte, die auf der Gemeinde Wohlen ankam – und das Leben der beiden für immer verändern sollte.
Sauna, Sex und Eiercognac
Josef und Trudy Steinmann-Karpf sind seit 65 Jahren verheiratet
«Aus Plausch» schickte sie ihm eine Postkarte. Aus Spass wurden Liebe und eine Ehe, die seit 65 Jahren hält. Trudy und Josef Steinmann-Karpf feiern eiserne Hochzeit und erzählen, wie sie so lange zusammen sein können und stets glücklich sind.
Stefan Sprenger
«Wissen Sie, wieso es eiserne Hochzeit heisst?», fragt Josef Steinmann. Er wartet ab und liefert die Antwort gleich hinterher, gefolgt von einem herzhaften Lachen: «Ja, weil die Ehe so stabil ist wie Eisen.»
Stabil ist aber der falsche Ausdruck für die Beziehung der beiden. Harmonisch, glücklich oder zufrieden trifft es besser. «Sie ist ein Teil von mir», sagt er. «Er ist ein Teil von mir», sagt sie. «Es ist wunderschön, gemeinsam alt zu werden», sagen beide. Seit dem 11. Mai 1957 sind sie verheiratet. In einer kleinen Kirche in Emmetten mit 20 Gästen fand die Trauung statt. Es war die erste Hochzeit, die in dieser Kirche stattfand. Gefeiert wurde auf dem Seelisberg. Getraut hat sie der Onkel von Trudy Steinmann. «Er war Pfarrer in Mellingen», erklärt sie.
Er auf der Gemeinde, sie auf der Post
Trudy Karpf ist in Sarmenstorf aufgewachsen. Ihre Eltern Maria und Josef waren die Posthalter der Gemeinde. Josef Steinmann, der in Wohlen aufgewachsen ist, machte die Lehre Anfang der 50er-Jahre auf der Gemeindekanzlei in Sarmenstorf. Und weil Trudy oft am Postschalter war und Josef die Briefe der Gemeinde dorthin bringen musste, sind sie sich öfter begegnet. «Wenn es eine Unterschrift benötigte, hat er so fest den Kugelschreiber auf das Papier gepresst, dass er den Stift fast durchgedrückt hat», erinnert sie sich. Sie waren noch keine 20 Jahre alt und waren beide zu scheu, um einander anzusprechen.
Nach der Lehre wechselt Josef Steinmann auf die Gemeinde Villmergen, bevor er vom Gemeinderat Wohlen als Kanzlist in die Gemeindeverwaltung gewählt wird. Seine Jobbezeichnung variierte bis zum Chef des Sozialamtes und des Ortsbürgergutsverwalters.
«Grüsse aus Eschenz, ich arbeite jetzt hier»
«Eines Tages», erzählt Josef Steinmann, «kam eine Postkarte auf die Gemeinde Wohlen, die an mich adressiert war. Darauf stand: «Grüsse aus Eschenz. Ich arbeite jetzt hier. Trudy». Sie habe die Karte einfach «aus Plausch» geschickt, erzählt sie heute. Denn der Bursche mit den goldigen Locken war ihr schon lange, schon als Ministrant in der Kirche Wohlen, ins Auge gestochen.
Nach dem Erhalt der Postkarte wusste Josef Steinmann nicht so recht, wer die Absenderin war. «Ich vermutete es», lacht er. Er begann nachzuforschen. «Ich habe in der Post in Eschenz im Kanton Thurgau angerufen und Trudy hat abgenommen.» Josef sagt: «Ich komme gleich zu dir.» Trudy meint: «Musst du nicht, ich komme zurück ins Freiamt.»
Sie treffen sich an einer Tanzveranstaltung in Wohlen. Als sich der Himmel beginnt lila zu färben und die Sonne aufgeht, fragt sie: «Bringst du mich nach Hause?» Er antwortet: «Klar.» Josef nimmt sie hinten auf seine Lambretta und chauffiert Trudy nach Sarmenstorf. Er gibt ihr einen Kuss und sagt: «Ich ha di gern.» Sie sagt: «Danke. Vergiss das nicht.» Und so begann Mitte der 50er-Jahre eine Liebe, die bis heute hält. 1957 wird geheiratet. Bald kommt ihr einziges Kind Urs zu Welt. «Ich war 50 Kilo schwer. Und unser Sohn kam mit 4250 Gramm zur Welt», erinnert sie sich an die eher schwierige Geburt. Morgen Mittwoch sind sie 65 Jahre verheiratet.
Der schönste Ort: Montalivet
Sie haben nie gestritten, erzählen sie. «Verständnis haben und nett sein, das sollte man in einer Beziehung immer», sagt Josef Steinmann. Wohlen sei ihr Heimathafen, doch gemeinsam haben sie die Welt erkundet. «Es gibt kaum ein Land, dass wir noch nicht besucht haben». Australien, Asien, Afrika, Europa, Amerika. Sie haben viel gesehen. Und wo ist der schönste Fleck auf der Welt? Beide kennen die Antwort: «Nähe Bordeaux, der Ort heisst Montalivet.»
«Oben fit, unten dicht, mehr will ich im Alter nicht»
Dort geschah auch beinahe ein Unglück. Josef Steinmann, der gerne in den Wellen des Meeres schwimmt, wurde eines abends von einer Strömung mitgerissen. «Ich konnte nichts mehr tun. Also liess ich mich treiben, um Kräfte zu sparen. Irgendwann war ich Kilometer hinaus aufs Meer getrieben, sodass ich dachte, jetzt ist mein Leben vorbei.» Doch er rettet sich mit letzter Kraft ans Ufer und bricht bewusstlos zusammen. Als er wieder zu sich kommt, geht er zurück zu seiner Frau, die ahnungslos im Bungalow wartete und danach überglücklich war, dass ihrem Mann nichts geschehen ist.
Beide wirken für ihr Alter sehr fit. Er ist gerne am Computer und surft im Internet. Sie kocht und liest gerne. Auch wenn die gemeinsamen Spaziergänge immer kürzer werden, so können sie ihr Leben geniessen. Josef Steinmann, der bald 90 Jahre alt wird, meint lachend: «Wir sind gesund. Ohne Bio. Ohne Leistungssport.» Haben sie ein Geheimnis, wie man im Alter so fit bleibt? «Wir gehen öfters zusammen in die hauseigene Sauna und trinken manchmal Eiercognac, den Trudy selbst macht.» Auch regelmässiger Sex hält gesund, finden beide.
Josef Steinmann muss wieder laut lachen und haut erneut einen seiner wirklich tollen Sprüche raus: «Oben fit und unten dicht, mehr will ich im Alter nicht.»
Josef Steinmann arbeitete bis 1996 auf der Gemeinde Wohlen, liess sich dann im Alter von 63 Jahren pensionieren. Viele Gemeindeammänner habe er erlebt. Ernst Häner, Karl Albert Kuhn, Walter Meyer. «Mit allen Gemeindeammännern hatte ich ein gutes Einvernehmen. Am meisten gefördert hat mich Rudolf Knoblauch», sagt er. Übrigens: 1953 habe er 400 Franken Lohn gehabt. 1965 waren es dann knapp über 1000 Franken. «Damals viel Geld», wie er meint. Seine Frau Trudy Steinmann arbeitete auf vielen Poststellen im Freiamt, machte sogenannte Posthalter-Ablösungen, in Villmergen, Dottikon oder Sarmenstorf. Sie führte die Zweigstelle der Krankenversicherung Argovia in Wohlen (die später mit der Concordia funsioniert).
Am 11. Mai 1957 haben sie geheiratet. In einer kleinen Kirche in Emmetten. Morgen Mittwoch feiern sie ihren 65. Jubiläumstag. Eiserne Hochzeit. «Ich bin mit ihr so glücklich wie am ersten Tag», sagt er. Und ihr feines Lächeln verrät, dass es ihr genau gleich geht.



