In vier mittelalterlichen Szenen durch die Bremgarter Unterstadt
29.04.2022 BremgartenDie thematischen Stadtführungen in Bremgarten fussen auf geschichtlicher Forschung
Seit etwa 1992 gibt es in Bremgarten die szenischen Stadtführungen. Sie bauen aufs Wissen bewährter Historiker und wissbegieriger Laien, die sich stark einbringen. Kern ist die ...
Die thematischen Stadtführungen in Bremgarten fussen auf geschichtlicher Forschung
Seit etwa 1992 gibt es in Bremgarten die szenischen Stadtführungen. Sie bauen aufs Wissen bewährter Historiker und wissbegieriger Laien, die sich stark einbringen. Kern ist die 18-köpfige Stadtführergruppe, die ihre Ideen in kernige Szenen umsetzt.
Dieses Jahr bieten die Bremgarter Stadtführer die in langer aufwendiger Erarbeitung inszenierte szenische Stadtführung als «Unterstadt-Geschichten» von «Flucht, Liebe, Tod und Feuersbrunst» an. Es sind vier verbürgte historische Begebenheiten in nachgespielter Umsetzung. Die Spielorte: Reussgasse 11, Neubau/Kornhaus, Klarakloster, Muttergotteskapelle.
Reussgasse: ehemalige «innere Mühle»
Anna Wiederkehr, Tochter des reichen Müllers und Ratsherrn Wiederkehr, verbringt ihre Jugendzeit in der Reussgasse. Als sie sich in den Geistlichen und späteren Stadtpfarrer Heinrich Bullinger verliebt, hängt der Familiensegen schief. Vater Wiederkehr ist nicht einverstanden mit der Liaison seiner Tochter. Er befiehlt seinen Söhnen, den Pfarrer zu töten. Heinrich und Anna aber fliehen nach Süddeutschland und in die Ostschweiz. Sie kehren erst nach Bremgarten zurück, als die beiden Brüder in fremden Kriegsdiensten umgekommen sind. Unterdessen hat das Paar Kinder. Der jüngste Sohn ist Heinrich, der spätere Reformator und Zwingli-Nachfolger in Zürich. Aus Gram verkauft Vater Wiederkehr seine Mühle und zieht ins Limmattal. Die längst stillgelegte Kartonund Papierfabrik geht am 10. April 1975 in Flammen auf, zwei Buben haben darin «gezeuselt».
Todesschuss auf den Flüchtling Milôs Todorovic
Am Donnerstag, 31. Mai 1945, ist der Zweite Weltkrieg seit mehr als drei Wochen vorbei, aber noch immer sind im Kornhaus in der Unterstadt über hundert Flüchtlinge und Internierte einquartiert. Die jungen Männer wollen so schnell wie möglich nach Hause. Es ist Fronleichnam. Zur Mittagszeit machen sie grossen Lärm, sie werfen Teller, Essgeschirr, Blechkübel, auch Schubladen, Holzböcke und ausgehängte Fenster hinaus auf den Platz. Die nicht auf so einen Fall vorbereiteten, völlig überforderten Wachsoldaten beginnen, in die Luft zu schiessen. Schaulustige verfolgen das Geschehen. Der zuständige Kommandant Oberleutnant E. ist grad am Mittagessen im Restaurant Adler. Dann schiesst der Soldat R. – angefeuert von Umstehenden! – dem am 22. April 1923 in Belgrad geborenen Jugoslawen Milôs Todorovic aus einer Distanz von etwa 25 Metern in den Kopf. Es folgten ernste diplomatische Schwierigkeiten. Todorovic wird immerhin «in allen Ehren in ritueller Eigenart balkanüblichen Glaubens» beigesetzt, wie der «Bremgarter Bezirks-Anzeiger» am 5. Juni 1945 berichtete.
Mitglieder versteckt des französischen Königshauses
Während der Französischen Revolution wird Jagd gemacht auf Adlige, allen voran auf Mitglieder des Königshauses der Bourbonen. Die Adligen fliehen ins Ausland. Auch Bremgarten wird Zufluchtsort hoher französischer Flüchtlinge. Während dreier Jahre wohnt General Marquis de Montesquiou in der Antonigasse (am Haus hängt ein Schild). Durch seine Vermittlung kommen Louis-Philippe d’Orleans, der spätere Bürgerkönig, und seine Schwester Adélaide, nach Bremgarten. Sie findet im Klarakloster Unterschlupf. Weil ihre Erzieherin und Begleiterin Madame la Comtesse de Genlis Tagebuch führte, sind die Ereignisse bestens dokumentiert.
Muttergotteskapelle: das Wunder von Bremgarten
Der Schrecken sitzt tief, als entdeckt wird, dass in der Muttergotteskapelle im heiligen Kirchenbezirk ein goldener Schuh der Marienstatue fehlt. Doch schon bald findet man das «Corpus Delicti» bei einem wandernden Strassenmusikanten, der eben die Stadt verlassen will. Die Sache scheint für das Gericht klar: Diebstahl sakraler Gegenstände wird mit dem Tod bestraft. Doch der mutmassliche Täter streitet alles ab. Er bittet das Gericht inständig, ihm einen letzten Wunsch zu erfüllen. Dabei findet die Geschichte eine wunderbar dramatische Wende. --rts
Szenische Stadtführung am Donnerstag, 19. Mai. Treffpunkt 19.30 Uhr am Brunnen im Bogen, vier Gruppen, vier Spielorte, einmal sind die Umesinger-Kinder integriert. Regelmässige Stadtführungen buchen über die Homepage der Stadt: bremgarten.ch – Stadtführungen.