Historisches Erbe bewahren
29.03.2022 BremgartenDie über rund 120-jährige Wettersäule wird bis August saniert
1903 erhielt die Stadt Bremgarten die markante Wettersäule, die heute dort auf der Altstadtseite steht, wo die Bahn auf die Brücke über die Reuss gelangt. Jetzt wird dieses ...
Die über rund 120-jährige Wettersäule wird bis August saniert
1903 erhielt die Stadt Bremgarten die markante Wettersäule, die heute dort auf der Altstadtseite steht, wo die Bahn auf die Brücke über die Reuss gelangt. Jetzt wird dieses historische Zeugnis komplett revidiert.
Roger Wetli
Die Wettersäule steht zurzeit leer da. Nur der Sockel und das Metallgehäuse deuten gegenwärtig darauf hin, was hier am Rande der Altstadt normalerweise zu finden ist: eine historische Wettersäule. Bald wird auch das Gehäuse abgeholt und in Muri restauriert. Aber auch der Sockel wird fit für die weiteren Jahrzehnte gemacht. Dies geschieht aber vor Ort.
Die Messinstrumente der Wettersäule wurden bereits letzten Freitag durch die Firma Karl und Gertrud Vögeli Meteo-Instrumentenservice abgeholt. Diese saniert das Innenleben der Wettersäule in der Werkstatt im sankt-gallischen Degersheim in aufwendiger Detailarbeit.
Nur noch wenige mit Original-Messinstrumenten
«Ich habe schlicht grosse Freude daran», erklärt Firmeninhaber Karl Vögeli. Der Pensionierte arbeitete 45 Jahre lang in der Firma Krüger + Co. AG in Degersheim. Er war als Bereichsleiter für Mess- und Regeltechnik auch für die Generalvertretung der Göttinger Firma Lambrecht zuständig. Von dieser stammen alle Instrumente der Bremgarter Wettersäule. «Die Firma gibt es heute noch. Sie ist allerdings schon lange kein Familienbetrieb mehr und konzentriert sich auf neue Messtechniken. Von gewissen alten Modellen besitze ich mittlerweile mehr Pläne als der Weltkonzern selbst», schmunzelt Vögeli.
Aber auch seine Frau Gertrud ist mit viel Herzblut dabei. Sie arbeitete ebenfalls im Departement Messtechnik der Krüger + Co. AG. Nach der Pensionierung wollte er eigentlich nur die Lambrecht-Station der Schweiz inventarisieren. «Es stellte sich sehr schnell die Frage, was zu tun ist, wenn eine saniert werden müsste. Also nahm ich das selbst in die Hand.»
Die Instrumente der Bremgarter Wettersäule sind noch im Originalzustand, wie sie 1903 geliefert wurden. «Das Polymeter funktioniert zum Beispiel mittels blondem Frauenhaar, weil es extrem dünn ist und auch sonst ideale Eigenschaften aufweist», so der Pensionär. «Das Barometer dagegen verfügt über 600 bis 800 Gramm Quecksilber. Eine aus heutiger Sicht riesige Menge.»
Vögeli wird jedes der vielen Instrumente einzeln anschauen und mit grossem Wissen, alten Plänen und viel Geduld so herrichten, dass sie wieder für Jahrzehnte funktionieren. Um die bald sanierten Beschriftungen der Messinstrumente zu schützen, wird an die Säulenfenster eine Folie montiert, die rund 99 Prozent der Ultraviolett-Strahlung der Sonne wegfiltert. Die Bremgarter Wettersäule wurde 1903 zum 100-jährigen Geburtstag des Kantons Aargau gesponsert. In der Inventarliste der Denkmalpflege ist aufgeführt, dass der Stifter wohl Dr. Josef Ducret war, da dieser auf einer Inschrifttafel erwähnt wird.
Beim Gemeindehaus in Wohlen steht ein identisches Wetterhäuschen, das ebenfalls an den 100. Geburtstag des Kantons erinnert.
Wichtige Daten für die Bevölkerung
Karl Vögeli und seine Frau Gertrud sanierten vor einigen Jahren auch diese Säule. «Das war ein fantastischer Auftrag», erinnert sich Karl Vögeli. «Mit der Restaurierung wechselte auch der Standort vor der Bibliothek unter die Bäume beim Gemeindehaus. Das ist jetzt viel besser.»
Insgesamt gebe es in der Schweiz noch rund 25 Wettersäulen, die über die ursprünglichen Messinstrumente verfügen. Zurück nach Bremgarten: Hier weist eine kleine Tafel zwischen den Messinstrumenten an, die Angaben der Wettersäule jeweils um 8 Uhr abzulesen. «Die Wettersäule lieferte so zuverlässig aktuelle Wetterdaten. Diese waren wichtig für die Landwirtschaft, den Tourismus und die Hotellerie», weiss Vögeli. Auch Stefano Righetti, Bereichsleiter Tiefbau der Stadt Bremgarten, ist sich der historischen Bedeutung der Wettersäule bewusst: «Sie ist ein weiteres altes Element der Stadt, das zum Gesamtbild dazugehört und zudem dem markanten Platz über der Reuss eine zusätzliche Identität gibt.»
Kosten wird die Sanierung rund 28 000 Franken. Sie dauert drei bis vier Monate. «Im August sollte die Wettersäule spätestens wieder im ursprünglichen Glanz den Ort bereichern», schaut Righetti voraus. Im Moment steht das leere Gehäuse noch. Bis es abgeholt wird, informiert ein Aushang, dass die Messinstrumente nicht gestohlen wurden, sondern saniert werden.