Kaum Interesse an Parkfeldern
28.01.2022 WohlenDie neue P+R-Anlage beim Bahnhof weist eine miserable Auslastung von zehn Prozent auf
Eine Neuheit – und sie bleibt praktisch unbenützt. Nur selten «verirrt» sich ein Automobilist in die neue Tiefgarage unter dem Bushof. Ein kapitaler ...
Die neue P+R-Anlage beim Bahnhof weist eine miserable Auslastung von zehn Prozent auf
Eine Neuheit – und sie bleibt praktisch unbenützt. Nur selten «verirrt» sich ein Automobilist in die neue Tiefgarage unter dem Bushof. Ein kapitaler Fehlstart.
Daniel Marti
Man kennt das Gefühl. Die lange Suche nach einem freien Parkplatz – das kann ein Ärgernis sein. Bei der neuen P+R-Anlage beim Bahnhof Wohlen ist es genau umgekehrt. Gähnende Leere. Jeden Tag. Praktisch niemand benützt die neue Anlage, die seit vergangenem September in Betrieb ist. Von den 109 Parkplätzen sind in der Regel 100 frei. Die Auslastung liegt bei knapp zehn Prozent. Das ist Ernüchterung pur.
Die hohen Preise – mehr als eine Verdoppelung der Tarife für Monatsund Jahrestickets – sind offenbar der Grund für das Ausbleiben der Kundschaft. Die Automobilisten machen einen Bogen um die neue Anlage. Paradox. Gemeindeammann Arsène Perroud bestätigt auf Anfrage, dass er nicht zufrieden sein könne. Aber er relativiert. Lange sei über der neuen Tiefgarage die Baustelle des Bushofs gewesen. Deshalb sei es jetzt zu früh, um irgendwelche Schlüsse zu ziehen. «Aber wir überprüfen das und Anpassungen sind möglich.» Vielleicht müsse auch die Beschilderung verbessert werden, sagt er.
Ein weiteres Ziel hat der Gemeinderat schon lange formuliert: Mittelfristig soll ein kostendeckender Betrieb der neuen P+R-Anlage möglich sein. Auch davon ist die Gemeinde Wohlen – vor allem wenn praktisch keine Parktickets gelöst werden – weit entfernt. Die neue P+R-Anlage hat übrigens gemäss Kostenvoranschlag bei der Projektierung 7,18 Millionen Franken gekostet. Der Kanton Aargau zahlt daran 3,54 Millionen und die Gemeinde Wohlen 3,64 Millionen. So lange die Anlage eine Auslastung von knapp zehn Prozent hat, ist das ein teurer Spass.
Kunden meiden die Hochpreis-Insel
Die neue P+R-Anlage beim Bahnhof wird kaum benützt – gegen 100 Parkfelder stehen jeweils leer, die Einnahmen fehlen
Sie hat knapp sieben Millionen Franken gekostet und ist seit rund fünf Monaten in Betrieb. Aber so richtig benutzt wird die neue Tiefgarage beim Bahnhof Wohlen nicht. Die Auslastung liegt an vielen Tagen unter zehn Prozent. Die Tarife sind einfach zu hoch – deshalb weichen offenbar viele Kunden aus. Der Gemeinderat will die Situation analysieren.
Daniel Marti
Im Regionalzentrum Wohlen ist der stetig zunehmende Verkehr ein Dauerthema. Stau gehört mittlerweile zum Alltag. Das reine Gegenstück ist die neue P+R-Anlage unterhalb des neuen Bushofes. Seit September in Betrieb. Und für Parkplatzsuchende ein eigentliches Schlaraffenland. Praktisch zu jeder Tages- und Nachtzeit kann man in die Tiefgarage kurven – und findet in der Regel fast 100 freie Parkplätze vor. 107 Parkplätze plus zwei Behindertenparkplätze sind im Angebot. Die Auslastung ist jedoch sehr klein, meistens unter zehn Prozent.
Klarer Fall: Zu hohe Preise
Diese Zeitung machte während einem Zeitraum von sieben Tagen Stichproben zu ganz unterschiedlichen Zeiten (siehe Kasten rechts). Die schlechteste Auslastung lag bei drei (!) besetzten Parkplätzen. Der Tagesrekord liegt bei zwölf besetzten und somit bezahlten Parkplätzen. Die neue Anlage steht so gut wie leer. Unbesetzt, unbemerkt. In Wohlens Strassen hat es (zu) viel Verkehr. Und viele Autolenker kreisen, bis sie endlich einen freien Parkplatz finden. Aber die neue Anlage beim Bahnhof wird praktisch nicht benutzt. Wo liegt das Problem? «Der Fall ist völlig klar», sagt ein Experte, der die Situation vor Ort kennt, aber nicht mit Namen genannt werden will, «die Preise, die Tarife sind einfach zu hoch». Die neue Anlage ist eine Hochpreis-Insel, der es an Anziehungskraft fehlt.
Tatsächlich: Tickets für einen Monat oder für ein ganzes Jahr sind im Vergleich in Wohlen teurer als in der gesamten Region, teurer als in mancher grossen Stadt (siehe Vergleich unten). Wohlen liegt bei der Preisskala ganz oben. Und deshalb weicht die Kundschaft aus, auf andere Parkplätze und andere Gemeinden. «Vor allem nach Boswil und Dottikon», sagt der Kenner. Stimmt, dort sind die Parkplätze bei den Bahnhöfen sehr gut besetzt.
In Wohlen wurden mit der neuen P+R-Anlage die Tarife für Monatsund Jahresabonnements mehr als verdoppelt. Der Monatstarif von 60 auf 125, der Jahrestarif von 600 auf 1400 Franken. Das ist vielen Benützern zu viel.
Die Preispolitik wird von der Gemeinde gestaltet. Die SBB, sie verfügt über viel Erfahrung in dieser Angelegenheit, bot der Gemeinde Wohlen an, die Tickets bei der neuen Anlage zu vertreiben. «Aus Kundensicht würde das absolut Sinn machen», informierte die Medienstelle der SBB im letzten September. Die SBB bekam damals aber eine Absage, was sie «sehr bedauerte». Die Gemeinde Wohlen ging einen eigenen Weg. Der Gemeinderat liess sich vom Einwohnerrat mit dem neuen Reglement die neuen Tarifbänder bestätigen.
Gemeindeammann verspricht eine Überprüfung
Aber zufrieden kann man mit der Auslastung – und somit mit den Einnahmen – nicht sein. Das bestätigt auch Gemeindeammann Arsène Perroud. «Wir sind natürlich nicht zufrieden», sagt er auf Anfrage, «die Auslastung ist einfach schlecht.»
Gleichzeitig relativiert er die aktuelle Situation. Man sei davon ausgegangen, dass die Auslastung nicht sofort gegen 100 Prozent gehe. «Die ganze Anlage ist zudem auf das Jahr 2040 ausgerichtet.» Die Bedürfnisse des gesamten Bahnhofes im Jahr 2040 waren grundlegend bei der Projektierung. «Und der Wunschbedarf wurde dabei nicht ausgereizt», so Perroud weiter.
Wie hält es der Gemeindeammann mit den hohen Tarifen? Die krasse Preissteigerung für Montas- und Jahreskarten wurde von der Kundschaft offenbar nicht akzeptiert. Man habe sich bei der Festlegung der Tarife an anderen Ortschaften orientiert, so Perroud, «zudem ist es ein Abwägen mit der Wirtschaftlichkeit». Dass Wohlen zu hohe Tarife festgelegt hat – das will er nicht kommentieren.
Der Gemeinderat werde auch die Tarifgestaltung analysieren und überprüfen, «dann sind Anpassungen und Optimierungen immer noch möglich». Allerdings, ein paar Ratschläge von der SBB, die Expertin in solchen Angelegenheiten ist, schlägt der Gemeindeammann aus. Bei der Erarbeitung des Projekts sei diese Frage klar entschieden worden, lässt er durchblicken. Die neue Anlage gehört der Gemeinde – und wird von dieser auch gemanagt. Verbesserungspotenzial gibt es allemal.
Die Stichproben
Die neue P+R-Anlage beim Bahnhof, realisiert unter dem neuen Bushof, steht zu einem grossen Teil leer. Dies bedeutet kaum Einnahmen für die Gemeinde, der die Anlage gehört. In der Tiefgarage werden 107 Parkfelder und zwei Behindertenparkplätze angeboten. Total also 109.
Wie wird dieses Angebot genutzt? Die Redaktion machte Stichproben zu unterschiedlichen Zeiten zwischen Freitag, 21. Januar, und Donnerstag, 27. Januar. Hier das Resultat:
Freitag, 13.30 Uhr: 9 besetzte Parkfelder. – Samstag, 9.50 Uhr (beste Einkaufszeit): 3 besetzte Parkfelder. – Montag, 7.55 Uhr: 7 besetzte Parkfelder; 12.05 Uhr: 9 besetzte Parkfelder. – Dienstag, 9.05 Uhr: 9 besetzte Parkfelder. – Mittwoch, 9.30 Uhr: 12 besetzte Parkfelder; 15.30 Uhr: 12 besetzte Parkfelder. – Donnerstag, 10.40 Uhr: 10 besetzte Parkfelder.
Von den angebotenen total 109 Parkfeldern waren somit zwischen 97 und 106 Parkplätze immer frei und unbesetzt. --dm
«Je attraktiver ein Standort»
Der Umgang der SBB mit ihren Anlagen
Beim Gesamtprojekt «Entwicklung Bahnhof Wohlen» sind neben Kanton und Bund auch die SBB ein wichtiger Partner der Gemeinde Wohlen. Die SBB betreiben schweizweit rund 30 000 Parkplätze (P+Rail). Die SBB hätten gerne an der Seite der Gemeinde die neue P+R-Anlage betrieben, ein Engagement kam jedoch nicht zustande. Was sagen denn die SBB als Expertin zur gegenwärtigen Situation in Wohlen? Wie bewerten sie die hohen Tarife in Wohlen? Hypothetische Szenarien werden nicht kommentiert, sagt SBB-Mediensprecher Martin Meier auf Anfrage. Dazu zählen Frequenzen, Auslastungsdaten und Geschäftszahlen. Aber eine Einordnung der Tarife kann er aus SBB-Sicht vornehmen. «Das P+Rail-Angebot ist für die SBB ein wesentlicher Baustein für die kombinierte Mobilität – also die benutzerfreundliche Verknüpfung des Bahnverkehrs mit weiteren Lösungen auf der ersten und der letzten Meile», sagt er. «Das Angebot im P+R-Bereich wird kontinuierlich nachfrageorientiert ausgebaut.»
SBB-Mediensprecher Meier erklärt weiter, dass die Tarife «abhängig sind vom Standort der Anlage, der Nachfrage sowie dem Bahnangebot. Kurz: Je attraktiver ein Standort, desto höher die Nachfrage und dementsprechend der Preis.» Dies kann nun im Fall von Wohlen verschiedentlich interpretiert werden. In Wohlen ist gegenwärtig die Nachfrage sehr tief, der Preis jedoch hoch.
Die SBB streichen gerne die Vorteile ihrer Anlagen heraus. Dies werde so ausgestaltet, «damit unsere Kunden an möglichst vielen Haltepunkten von zentral gelegenen Möglichkeiten zum Umsteigen auf das Auto profitieren können. Die P+Rail-Parkplätze sind in das Vertriebssystem des öffentlichen Verkehrs eingebunden. Zu den Vorteilen gehören daher die vereinfachte Angebotsnutzung und der Zugang zu einer bestehenden Kundenbasis», sagt Mediensprecherin Jeannine Egi. --dm