Nicht nur Kinderaugen strahlen
29.10.2021 WohlenIn Wohlen treffen sich am Sonntag Figurensammler aus dem In- und Ausland
Sie waren einst Lieblinge der Kinder. Heute begeistern die Figuren Erwachsene. Zum Beispiel auch Marc Läuffer.
Chregi Hansen
24 Jahre lang, von 1955 ...
In Wohlen treffen sich am Sonntag Figurensammler aus dem In- und Ausland
Sie waren einst Lieblinge der Kinder. Heute begeistern die Figuren Erwachsene. Zum Beispiel auch Marc Läuffer.
Chregi Hansen
24 Jahre lang, von 1955 bis 1979, stellte die schottische Firma Timpo Toys Millionen von kleinen Cowboys, Indianern, Soldaten, Rittern und viele andere Figuren aus Plastik her. Gedacht waren sie einst als Spielzeug für Kinder, die damit so manche Szene aus einem Western nachstellten. Angeboten wurden sie als Einzelfiguren, aber auch in Boxen. Und die Freude war riesig, wenn unter dem Weihnachtsbaum ein Paket mit neuen Figuren lag, mit denen die eigene Sammlung vergrössert wurde.
Die Timpo-Figuren waren vor allem in den 60er- und 70er-Jahren ein Verkaufshit. Heute, mehr als 40 Jahre nach dem Konkurs der Firma, haben sie nichts von ihrer Faszination verloren. Allerdings bekommen nicht mehr Kinder glänzende Augen bei ihrem Anblick, sondern Erwachsene. Die Plastikfiguren und die dazugehörenden Elemente wie Kutschen, Gebäude oder Forts sind mittlerweile gefragte Sammlerstücke. «Es ist eine kleine, aber sehr aktive Szene. Es sind meist Leute, die schon als Kinder Figuren besassen. Darum löst die Beschäftigung mit ihnen viele nostalgische Erinnerungen aus», erklärt der Wohler Marc Läuffer, der zu den Sammlern gehört. Und der das Treffen in Wohlen mitorganisiert.
Mehr Jäger als Sammler
Marc Läuffer organisiert das 12. Figuren-Sammlertreffen in Wohlen
Die Plastiklguren von Timpo haben früher die Spielzimmer aller Kinder bevölkert. Heute sind sie beliebte Sammlerobjekte von Erwachsenen. Am Sonntag treffen diese sich zum Kaufen, Verkaufen und Tauschen. Mit dabei auch Marc Läuffer.
Chregi Hansen
In mehreren Vitrinen stehen Cowboys und Soldaten aufgereiht nebeneinander. Daneben verschiedene Kutschen, Gebäude, ganze Forts. Auch Soldaten, Ritter, Römer, Wikinger oder Araber bevölkern das «Privatmuseum» von Marc Läuffer. Auf einer kleinen Werkbank warten zudem Spritzteile alter Figuren darauf, wieder geputzt, geflickt und dann zusammengefügt zu werden.
Die Objekte in den Vitrinen machen nur einen kleinen Teil aus. Wie viele Figuren er zu Hause hat, weiss Läuffer nicht. Gegen 4000 dürften es sein, schätzt er. «Es kommen immer neue dazu, aber ich gebe auch regelmässig welche weg», sagt er. Ihm geht es nicht nur um die Figuren selber. «Mich fasziniert die Geschichte dahinter», so der 56-Jährige. Es ist die Geschichte der 1938 gegründeten Firma Toy Importers Ltd, welche sich später in Timpo Toys umbenannte. Und ihrem allergrössten Verkaufserfolg, die 54 Millimeter grossen Kunststoffsteckfiguren. Früher ein Spielzeug. Heute begehrte Sammlerstücke. Die noch 42 Jahre nach dem Konkurs der schottischen Firma heiss begehrt sind.
Angefangen hat Läuffers Faszination für die Kreaturen in seiner Kindheit. «Es war die Zeit der Winnetou-Filme und anderer Western. Und für mich war es das Grösste, wenn ich Cowboy- und Indianerfiguren geschenkt bekam, mit denen ich die Szenen nachspielen konnte», erinnert er sich. Die Timpo-Figuren waren damals im deutschsprachigen Raum sehr gefragt. «Es gab noch viele andere Hersteller. Aber diese hier waren das Mass aller Dinge. Es gab sie in ganz verschiedenen Posen und mit vielen kleinen Details.» Dabei waren sie damals alles andere als günstig. Eine Figur kostete im Normalfall einen Franken, das würde einem heutigen Verkaufspreis von 5 Franken entsprechen.
Deutschland, England, Schottland, Schweiz
Der hohe Preis wundert nicht. «Da steckt viel Aufwand dahinter. Die Suche nach den Motiven. Die Herstellung der Formen. Das Spritzgussverfahren. Danach wurden die Figuren per Hand zusammengesteckt», weiss Läuffer zu berichten. Gegründet wurde das Unternehmen von Ally Gee, der als Jude 1937 von Deutschland nach England floh, seine Firma später nach Schottland zügelte, später in der Schweiz lebte und im Jahr 2000 verstarb. Ursprünglich stellte Timpo Figuren aus Blei und andere Spielsachen wie beispielsweise Puppen her. Mitte der 50er-Jahre sattelte Timpo dann auf Plastikfiguren um. Sie wurden zu einem Grosserfolg.
In der Boom-Phase der 60er-Jahre wurde in der Fabrik im schottischen Shotts im 3-Schicht-Betrieb gearbeitet. Zeitweise beschäftigte die Firma über 1000 Mitarbeiter, dazu kamen viele Frauen, welche die Figuren in Heimarbeit zusammensteckten. 1979 ging das Unternehmen in Konkurs, man hatte die Entwicklung verpasst und wurde von der Konkurrenz, beispielsweise Playmobil, abgehängt. Da, wo einst Kindheitsträume entstanden, stehen heute Reihenhäuser. 2010 fand in Shotts ein grosses Treffen von Timpo-Sammlern statt, wobei auch das ehemalige Firmengelände besucht wurde. «Wir haben auf dem Gelände gegraben und dabei noch Überreste von Figuren gefunden», erzählt Läuffer, der ebenfalls am Treffen teilnahm. «Die Anwohner haben uns schon komisch angeschaut. Aber wer ein solches Hobby hat, der muss ein wenig ein Spinner sein.»
Zum Teil werden hohe Summen bezahlt
Insgesamt wurden rund 80 Millionen Figuren hergestellt, erklärt der Wohler. Dabei entstanden ganz verschiedene Serien zu bestimmten Themen, die heute teilweise sehr begehrt sind. «Einzelne Figuren sind wahre Raritäten. Darunter Prototypen und Farbfehldrucke. Die sind dementsprechend teuer», erklärt Läuffer. Ihn selber interessiert das weniger, er sieht sich eher als Jäger denn als Sammler. «Das Schönste ist, wenn mir jemand eine Kiste Figuren überlässt, die er auf dem Estrich gefunden hat. Ich mag die Spannung, was sich da alles drin befindet und das Reparieren und Putzen der Figuren.» Auf die Vollständigkeit ganzer Serien legt er wenig Wert. «Ich sammle zwar, aber ich gebe auch viel weg. Dabei geht es mir nicht ums Geld. Es kommt auch vor, dass ich begehrte Figuren verschenke, wenn ich damit jemandem eine Freude machen kann.» Selber bezahlt er jedem, der ihm eine Kiste überlässt, einen anständigen Preis. Er weiss genau, wo sich versteckte Schätze befinden.
Fans der Figuren gibt es in der ganzen Welt. In Deutschland findet jährlich ein grosses Treffen statt. «Es sind zu 99 Prozent Männer», macht Läufer deutlich. «Und es sind wie ich Menschen, die als Kind mit den Figuren gespielt und dadurch eine starke emotionale Bindung haben.» Er selber hatte als Jugendlicher die Indianer und Cowboys im Estrich verstaut und lange nicht mehr daran gedacht. Bis er nach einem Firmenkonkurs einen Restposten von original verpackten Timpo-Figuren erwerben konnte. Von da an war die Sammlerleidenschaft geweckt. «Durch mein Hobby habe ich tolle Menschen kennengelernt», sagt er heute.
Fast wie ein Familientreffen
Viele Jahre fuhr der Wohler mit anderen Schweizern an das Treffen in Deutschland. «Irgendwann hatten wir die Idee, dass wir auch bei uns eine Börse durchführen könnten.» Und daraus wurde eine Tradition. Übermorgen Sonntag findet bereits das 12. internationale Figurentreffen im Restaurant Sternen statt. «Das ist wie eine Familienfeier», erzählt der Wohler Organisator. «Einige Sammler kommen schon am Samstag. Wir essen gemeinsam und tauschen unsere Erfahrungen aus. Am Sonntagmorgen wird dann untereinander getauscht, bevor am Nachmittag die Börse für alle geöffnet ist.» Der Anlass richtet sich primär an interessierte Sammler und weniger an die breite Öffentlichkeit. Wer aber ins Hobby einsteigen will, der findet hier sicher Hilfe.
Drohende Gefahr
Marc Läuffer kommt ins Schwärmen, wenn er über die Figuren spricht. Sie umgeben ihn überall in seinem Haus. Gleichzeitig macht er sich Sorgen. «Die Figuren enthalten einen Weichmacher. Dieser führt dazu, dass das Material mit der Zeit zerbröselt», erklärt er. Es scheint, dass die Timpo-Indianer nicht nur als Spielzeuge ausgedient haben, sondern auch ihre Zeit als Sammlerstück endlich ist. In der Erinnerung vieler Menschen werden sie ihren Platz noch lange halten.
Wer Figuren hat, die er abgeben würde, der kann sich bei Marc Läuffer melden: marc.laeuffer@hispeed.ch.