Brücken bauen zwischen Kulturen
23.07.2021 BremgartenSommerserie «Zwei Welten»: Die türkischstämmige Miray Karaoglu lebt in dritter Generation in der Schweiz
Miray Karaoglu (21) sieht das Kennenlernen einer anderen Kultur als Weg zum besseren Verständnis. Nicht zuletzt deshalb reist sie auch gerne um ...
Sommerserie «Zwei Welten»: Die türkischstämmige Miray Karaoglu lebt in dritter Generation in der Schweiz
Miray Karaoglu (21) sieht das Kennenlernen einer anderen Kultur als Weg zum besseren Verständnis. Nicht zuletzt deshalb reist sie auch gerne um die Welt.
André Widmer
Wenn für Miray Karaoglu der Start in Bremgarten vor 12 Jahren etwas holprig war, dann nicht, weil sie ausländische Wurzeln hat. Sondern weil sie damals noch Berndeutsch sprach und deswegen gefoppt wurde. «Ich sagte Ohrepänkli statt Ohrring», sagt die junge Frau etwas verschmitzt. Damals, als sie 9 Jahre alt war, zog ihre Familie nämlich nach Bremgarten, weil der im Limmattal berufstätige Vater das jahrelange Pendeln aus dem Kanton Bern nach Dietikon satthatte.
Während Miray Karaoglu heute den regionalen Dialekt von hier spricht, ist ihr Vater Tamer Karaoglu seinem breiten Berndeutsch treu geblieben. Er ist wie seine Tochter ebenfalls in der Schweiz geboren und aufgewachsen, und so auch sein Vater. Nur weil der Urgrossvater, der vor rund 50 Jahren einst als Fachkraft in die Schweiz kam, nach vielen Jahren in der Schweiz wieder in die Türkei zurückgekehrt war, gilt Miray Karaoglu als dritte und nicht als vierte Generation in der Schweiz.
Hier tief verankert
Längst ist die Familie Karaoglu in der Schweiz tief verankert. Wenn die im Grossraum Zürich wohnhafte Grossmutter in der Türkei zu Besuch weile, suche sie nach zwei, drei Wochen quasi die Schweiz. «Nach einer gewissen Zeit vermisse auch ich die Schweiz sehr», schildert Miray Karaoglu. Ja, sie habe zwei Heimaten. Ein Grossteil der türkischen Verwandtschaft lebt in der Stadt Adapazari, der Hauptstadt der Provinz Sakarya im Nordwesten der Türkei. Wenn sie dort zu Besuch sei und beispielsweise Fremde nach dem Weg frage, werde sie zunächst nicht als Einheimische erkannt, weil sie nicht den örtlichen Dialekt, sondern Hochtürkisch (analog dem Hochdeutsch) wie in Istanbul spreche.
Für Miray Karaoglu ist die Türkei diejenige Heimat, wo sie Verwandte besucht und die türkische Kultur geniesst. Die Schweiz ist die Heimat, wo ihre Familie und ihre Freunde leben, wo sie aufgewachsen ist. Und: «Ich sehe meine Zukunft hier.» Für Miray Karaoglu und ihre Familie in der Schweiz ist es vielmehr so, dass sie eine Art Brückenbauer sind. Sind Verwandte aus der Türkei zu Besuch, bringen sie diesen die Schweiz näher, die Gepflogenheiten und auch natürlich die Kulinarik.
Weltoffen und reisefreudig
Miray Karaoglu ist eine weltoffene Person, die gerne reist. Indonesien, Malaysia, Singapur hat sie schon besucht, die Malediven und Dubai sollen es in näherer Zukunft sein. «Jede Kultur hat ihre eigene Seite», sagt sie. Lerne man eine andere Kultur besser kennen, verstehe man sie auch besser und könne einschätzen, warum eine Person so oder so handle. Ihre offene Art auch gegenüber anderen Kulturen dürfte nicht nur von ihren familiären Wurzeln herrühren, sondern auch von der Schule in Bremgarten. Dass in der Schweiz so viele Menschen mit unterschiedlichen Wurzeln leben, mache es für sie interessanter als beispielsweise in der türkischen Stadt ihrer Vorfahren, die etwas monoethnischer geprägt ist. Ihr Freundeskreis in der Türkei ist kleiner und eher verwandtschaftlicher geprägt als derjenige in der Schweiz, schildert sie.
Von der Real zum Studium
Die heute 21-jährige Miray Karaoglu hat eine beachtliche schulische Laufbahn hingelegt und verfolgt weiterhin ihre Ziele. Sie besuchte nach der Primarschule zunächst die Realschule, dann die Sekundarschule und schliesslich die Bezirksschule, um sich den Weg an die Fachmittelschule zu ebnen. «Ich hatte die volle Unterstützung meiner Lehrer und der Familie», zeigt sie sich sehr dankbar für die Förderung. Die gestalterische Fachmaturität wird sie dieses Jahr beginnen und im nächsten Juni abschliessen, um sich dann für ein Studium bewerben zu können. «Im August wird es sich zeigen.» Ein Ziel, das sie sich schon vor etlichen Jahren gesetzt hat. Die visuelle Kommunikation hat es Miray Karaoglu besonders angetan. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm: Ihr Vater hatte einst den Vorkurs besucht und ist heute nicht nur Art Director, sondern auch ein begnadeter Fotograf.
Bis die Weiterbildung losgeht, arbeitet Miray Karaoglu in diesem Sommer noch im Verkauf, damit sie Geld fürs Studium und Reisen sparen kann. Um fremde Länder und Kulturen kennenzulernen.

