Viel Lob – aber keine Vision
29.06.2021 WohlenEinwohnerrat von gestern Montagbend: Rechnung und den Geschäftsbericht einstimmig genehmigt
Die Rechnung ist mit einem Ertrag von 4,2 Millionen Franken sehr positiv ausgefallen. Von allen Fraktionen gab es darum einiges an Wertschätzung für die Arbeit der ...
Einwohnerrat von gestern Montagbend: Rechnung und den Geschäftsbericht einstimmig genehmigt
Die Rechnung ist mit einem Ertrag von 4,2 Millionen Franken sehr positiv ausgefallen. Von allen Fraktionen gab es darum einiges an Wertschätzung für die Arbeit der Verwaltung. Aber die Inanziellen Sorgen bleiben bestehen. Auch das wurde mehrfach klar angesprochen.
Daniel Marti
Gemeinderat, Einwohnerrat, alle Fraktionen sowie die Finanz- und Geschäftsprüfungskommission üben den Schulterschluss. Alle zeigten sich sehr zufrieden mit dem Rechnungsabschluss. Die Zahlen sind wahrlich erfreulich: ein positives Ergebnis von 4,2 Millionen Franken, um 1,8 Millionen besser als budgetiert. Das ist alles gut und in Ordnung.
«Aber die Verschuldungskennzahlen werden sich weiter verschlechtern. Der Trend wird sich fortsetzen», warnt Peter Christen. Präsident der Finanz- und Geschäftsprüfungskommission. Auch die durchschnittliche Steuerkraft habe abgenommen, sie liegt um 1,5 Prozent tiefer als im Vorjahr. Deshalb sind laut Christen künftig nur pragmatische Lösungen zu empfehlen. Und für Christen ist klar: «Der Steuerkraft muss grösste Aufmerksamkeit geschenkt und der Nettoaufwand muss unbedingt gebremst werden.»
Suchen gute Steuerzahler das Weite?
Also, es gab sie auch, die kritischen Töne. «Denn uns ist die schlechte Finanzlage bewusst», so Christen weiter. Dies sagte er aber als Sprecher der SVP. Auch die FDP nimmt den sinkenden Pro-Kopf-Steuerertrag mit Skepsis zur Kenntnis. «Dies bedeutet», so FDP-Sprecher Dieter Stäger, «dass die guten Steuerzahler das Weite suchen oder eben nicht mehr so viel verdienen.» Die Budgetierung habe noch Luft nach oben, erwähnte er noch. «Und die Kennzahlen sind immer noch gut», bald werde sich das aber ändern. Und dann gab Stäger noch ein Votum für die Grüngutgebühr ab: Für ihn sei es nicht verständlich, dass die Grüngut-Mehreinnahmen auf dem Tisch von ein paar Politikern geopfert werden.
Franziska Matter, Grüne, rühmte dagegen die sehr gute Ausgabendisziplin. Und Stefanie Dietrich, Die Mitte, verwies darauf, dass der Steuerfuss bald steigen müsse, «damit wir den finanziellen Scherbenhaufen nicht unserer Jugend überlassen».
Viele positive Aspekte
Die SP stand grundsätzlich für die Rechnung 2020 ein. Und für Simon Sax, Fraktion Grünliberale und EVP, ist auch der Steuerertrag jener Punkt, der ihm Sorge bereitet. Dies vor allem im Hinblick auf die «anstehenden hohen Investitionen».Alle Parteien standen für die Rechnung und den Geschäftsbericht ein. Dies freute Finanzministerin Ariane Gregor. Sogar das Rechnungsjahr 2019 (Ertrag von 3,5 Millionen Franken) wurde übertroffen. Sie strich diverse erfreuliche Punkte heraus. Der Personalaufwand entspricht dem Budget, der Sachaufwand liegt unter dem Budget, es mussten keine weiteren Darlehen aufgenommen werden, die wirtschaftliche Hilfe liegt unter dem Voranschlag, die Ferien- und Überzeitguthaben konnten um ein Viertel reduziert werden. Und es wurden laut Gregor 94 Prozent der budgetierten Investitionsausgaben realisiert.
Nicht alleine anschauen
Die positive Seite übertrifft die negativen Aspekte deutlich. Die Restkosten für die Pflegeenanzierung steigen, wie auch die Besoldungsanteile der Volksschule. Und eine Rückstellung für die defizitäre Rechnung des Sportparks Bünzmatt (Stichwort Corona) belastet die Rechnung ebenfalls. «Nach der Rechnung ist vor dem Budget», sagte Gemeinderätin Ariane Gregor. Die Rechnung 2020 weist laut Finanzministerin ein «tolles Plus» auf. «Aber diese Rechnung darf nicht alleine angeschaut werden», die hohen Investitionen stehen eben kurz bevor.
Alle Fraktionen gaben sich einigermassen zufrieden. Sie hatten ihr Lob und ihre Kritik angebracht. Dann war für Jonathan Nicoll von der SVP aber zu viel Gutes erzählt. Es sei ja bekannt für seine kritische Haltung und für seinen etwas anderen Blickwinkel. Er höre hier nur immer etwas von rückläufigen Steuereinnahmen und von weiteren Investitionen und noch weiteren Investitionen. Das sei für ihn unverständlich. «Wir versuchen hier mit etwas mitzuhalten, das gar nicht geht», warnte er. Und alles sei immer okay. «Aber keiner hat hier eine Vision, wie es in der Zukunft weitergehen soll und aussehen muss.» Früher habe man eine Kartonwand aufgestellt, «damit man nicht sieht, was dahinter passiert».
Parallel zum Bevölkerungswachstum müsste laut Nicoll die Steuerkraft steigen. Das sei aber in Wohlen gar nicht der Fall. «Hier wird ein Bild der Täuschung abgegeben. Wir graben finanziell zurzeit ein tiefes Loch.» Der Bankfachmann verlangt vom Gemeinderat eine Priorisierung, was wichtig ist, was man verschieben könne. Und es brauche Mut, um auf die Bremse zu stehen. «Wir geben hier Steuergelder aus. Und deshalb braucht es Visionen, die die Gemeinde vorwärtsbringen.»
Dieser Kritik hat übrigens niemand widersprochen.