Wenn die Mimik fehlt
30.04.2021 BremgartenMütter- und Väterberatung Bezirk Bremgarten: Weniger Konsultationen, aber länger und komplexer
Auch für die Beraterinnen der Mütter- und Väterberatung war 2020 herausforderungsreich. Die Verhaltensregeln wegen der Pandemie haben spürbaren ...
Mütter- und Väterberatung Bezirk Bremgarten: Weniger Konsultationen, aber länger und komplexer
Auch für die Beraterinnen der Mütter- und Väterberatung war 2020 herausforderungsreich. Die Verhaltensregeln wegen der Pandemie haben spürbaren Einfluss auf das Sozialleben in den Familien.
André Widmer
«Durch das Tragen der Masken ist unser Beratungsalltag schwieriger geworden. Begegnungen ohne Mimik, nur noch mit Augenkontakt, sind schwierig», erklärt Brigitte Koller. Diese Situation ist gerade in ihrem beruflichen Alltag besonders bedeutend, denn Brigitte Koller ist Stellenleiterin der Mütter- und Väterberatung Bezirk Bremgarten und die nonverbale Kommunikation deshalb essenziell. Mimik und Gestik sind nicht nur mit den Eltern, sondern auch besonders wichtig für Kleinkinder – die Beratung richtet sich nämlich an Mütter und Väter mit Säuglingen und Kinder im Alter von 0 bis 5 Jahren.
Psychosoziale Auswirkungen
Die Pandemie und die entsprechenden Verhaltensregeln haben nicht nur bei den Beratungen, sondern auch im familiären Umfeld der Familien psychosoziale Auswirkungen. Werte, die die Familie den Kindern vermitteln würde wie das Händeschütteln, kämen zu kurz. Ein Lächeln für die Kinder ist mit Maske schwierig, gegenüber Personen von ausserhalb der Familie würden die Kinder «fremdeln». Ein Teil des Zwischenmenschlichen geht verloren. «Es sind kleine Puzzlesteine, die aber unserer Kultur nicht guttun», sagt Stellenleiterin Brigitte Koller weiter.
Auch die Kontaktbeschränkungen – im Frühjahr 2020 wurde bekanntlich sogar empfohlen, auf Treffen von Kindern und Grosseltern zu verzichten – haben Auswirkungen. Sind beide Eltern auswärts oder im Homeoffice berufstätig, ist die Betreuung durch die Grosseltern sehr willkommen. Wenn das nicht möglich ist, nimmt der Druck auf die Eltern zu. Auch im Homeoffice, das müsse man zuerst mal stemmen können. «Man ist auf die Kernfamilie zurückgeworfen», ergänzt die Mutter-Väter-Beraterin Andrea Wetter. Doch Kinder würden nicht nur Mami und Papi brauchen. Auch den Kontakt zu Verwandten und anderen Menschen. Und auch die Eltern bräuchten den Kontakt zu anderen Familien und Eltern, erläutert Stellenleiterin Koller. Wenn Babyschwimmen oder Krabbelgruppe plötzlich wegflelen, werde dies schwierig. Letztes Jahr waren sogar teilweise die Spielplätze abgesperrt. Einen positiven Aspekt gebe es für die Familien in der derzeitigen Coronasituation aber trotzdem: «Die Väter sind präsenter», sagt Beraterin Andrea Wetter. Diesbezüglich habe auch der auf 2021 eingeführte Vaterschaftsurlaub von zwei Wochen sich gut ausgewirkt.
Auch für ausländische Familien schwierig
Für Familien, die ganz oder teilweise ausländische Wurzeln haben, kommt eine weitere Problematik hinzu: Der fehlende «richtige» Kontakt mit den Verwandten, den Gross- oder Schwiegereltern. Aufgrund von Reisebeschränkungen oder geschlossenen Grenzen war oder ist dieser fallweise sogar während Monaten nur noch per Skype möglich. «Grosseltern haben ihre Enkelkinder noch nicht gesehen», so Koller. In einigen Kulturen kommt gerade der Grossmutter eine wichtige Rolle im Familiengefüge zu. Taufen, Geburtstagsfeste und Hochzeiten werden verschoben, weil Familien nicht zusammenkommen können.
Als Begleiter oder Coach unterstützen
Die Mütter- und Väterberatung Bezirk Bremgarten bietet präventive Unterstützung. «Wir sehen uns als Begleiter oder Coach», so Brigitte Koller.
Neben Hausbesuchen und telefonischen Beratungen oder Auskunft (Montag bis Freitag von 8 bis 9.30 Uhr) gibt es auch Konsultationen in den 22 angeschlossenen Ortschaften. Dort können öffentliche oder kirchliche Räumlichkeiten von der Beratungsstelle benutzt werden.
Das herausforderungsvolle Jahr 2020 hat sich auch in der Statistik der Mütter- und Väterberatung Bezirk Bremgarten niedergeschlagen. Seit vielen Jahren gab es zwar 2020 rekordverdächtig viele Geburten in den angeschlossenen Gemeinden, nämlich 818 (2019: 782, 2018: 766). Doch die Hausbesuche gingen coronabedingt auf 406 zurück.
Die Anzahl Konsultationen fiel von 3329 im Jahr 2019 um über zehn Prozent auf 2633 im letzten Jahr. 2020 wurden quasi auf Distanz 843 Beratungen per Telefon und 198 per E-Mail durchgeführt.
Ein Lichtblick fürs Team
Ein Lichtblick oder eine kleine Verschnaufpause «für unser Team», so Brigitte Koller, war letztes Jahr der Teamausflug im September. «Er erfüllte unser Bedürfnis nach Zusammensein und danach, gemeinsam etwas zu erleben».

