Verklebtes Städtli

  07.04.2021 Bremgarten

Anonyme Flyer-Aktion in Bremgarten

Da staunte René Holenweger. Am Karfreitag läuft der Geschäftsführer des «Marco Polo» durch die Bremgarter Altstadt. «An jedem Laden klebte ein Flyer. Es wurde gar ein Plakat an das Hotel Drei Könige gehängt», erzählt er. Der Angriff gilt der Marco Polo Business Apartments AG. Der Firma wird unterstellt, dass sie «ortsansässige Menschen und lokale Kulturschaffende verdrängt» und mitverantwortlich sei für eine «widerliche Entwicklung» in Bremgarten, Wohlen, Buchs und Brugg, wo das «Marco Polo» überall Betriebe hat. Holenweger äussert sich zu den Vorwürfen. Bremgartens Stadtammann Raymond Tellenbach verurteilt das Schreiben, betitelt es als «unter jedem Hund». --spr


Anonyme Anfeindung

Flyer-Aktion in der Altstadt mit vielen Vorwürfen gegen die Marco Polo Business Apartments AG

«Verdrängung by Marco Monopolo» – unter diesem Titel wurde in der Bremgarter Altstadt ein anonymes Schreiben an jeden Laden geklebt. «Marco Polo»-Geschäftsführer René Holenweger nimmt Stellung zu den Vorwürfen und Stadtammann Raymond Tellenbach verurteilt die Aktion.

Stefan Sprenger

«Offensichtlich hat jemand ein Problem mit uns», sagt René Holenweger. Er ist Geschäftsführer der Marco Polo Business Apartments AG. Der 54-jährige zweifache Familienvater ist in Büblikon zu Hause und das Oberhaupt des Unternehmens, das in Brugg, Buchs, Wohlen und Bremgarten total elf Betriebe führt. Früher war er zwei Jahrzehnte lang in Hongkong in einem Gastrounternehmen tätig und Chef von 2000 Mitarbeitenden. Nun sieht sich der erfahrene Gastronom mit heftiger Kritik im Städtli konfrontiert.

Angriflg im Ton, inhaltlich fehlerhaft

Am Karfreitag wird an jeden Laden in der Altstadt ein anonymes Schreiben (siehe Kasten) gehängt, professionell gestaltet, angriffig im Ton und inhaltlich fehlerhaft. Zudem wird am Gerüst des ehemaligen Hotel Drei Könige ein Plakat aufgehängt: «Verdrängung by Marco Monopolo». René Holenweger sagt: «Wir sind offen für Kritik und nehmen diese auch ernst. Wir schätzen es aber, wenn man sich zuvor richtig informiert.» Denn fälschlicherweise wurde das Hotel Drei Könige als «Marco Polo»-Immobilie aufgelistet.

Stadtammann Raymond Tellenbach erklärt auf Anfrage, dass man dieses anonyme Schreiben verurteilt. Der 66-Jährige bezeichnet es als «Quatsch und unter jedem Hund». Tellenbach meint, dass ein Gespräch viel mehr bringen würde als solch ein anonymer Flyer mit Anfeindungen. Er selbst betitelt das «Marco Polo» als «sehr innovativ». Es seien Leute, die sich in der Altstadt bemühen und engagieren. «Es ist ein gut geführter Betrieb, die Leute schätzen das ‹Marco Polo›.» Tellenbach habe nie etwas Schlechtes gehört.

Auch deshalb hat die Stadt das «Marco Polo» vor wenigen Tagen als neuen Pächter der Badi in Bremgarten engagiert. Der bisherige Restaurationsbetreiber des Freibads Bremgarten musste sich aus finanziellen Gründen zurückziehen. «Marco Polo» springt ein und kann auf seinen Erfahrungsschatz in der Badi Wohlen zurückgreifen. «Sie haben in Wohlen gezeigt, dass sie es können. Es ist die beste Lösung», sagt Tellenbach.

Holenweger nimmt Stellung zu den Vorwürfen

Zurück zum anonymen Schreiben. Wird die Altstadt von der Marco Polo Business Apartments AG eingenommen? Werden Menschen und Kulturschaffende aus dem Städtli verdrängt? Oder sorgt das Hotellerieund Gastrounternehmen Marco Polo für eine Aufwertung in Bremgarten?

René Holenweger erklärt: «Wir wollen das Städtli beleben und etwas bewegen. Uns ist wichtig, dass die Bremgarter Altstadt lebt.» Das sind keine leeren Worthülsen, denn mittlerweile führt das Unternehmen ein Hotel, ein Café, ein Restaurant, den Städtlimärt und neu auch das Badi-Restaurant. Alles Orte, die zu einem lebhaften Bremgarten beitragen.

Der Vorwurf im anonymen Flyer: «Marco Polo» kaufe die Altstadt auf, verändere das Stadtbild und verdränge die Menschen und die Kulturschaffenden aus dem Städtli. Diese Aussage kann Holenweger so nicht stehen lassen. Er verfasst einen offenen Brief an die Einwohnerinnen und Einwohner von Bremgarten und erklärt die Begebenheiten. Die erste Liegenschaft an der Marktgasse 20 habe man durch eine Zwangsversteigerung erworben. «Sie war extrem heruntergekommen, der Lift und die Installationen nicht mehr zumutbar und sie stellte eine Gefahr für die Bewohner dar.» Nun ist dort ein kleines Café und es entstehen 12 kleine Mietwohnungen mit moderner Infrastruktur. «Wir zerstören keinen Wohnraum. Im Gegenteil. Die Nachfrage ist gross für diese Mietwohnungen, die man zu einem erschwinglichen Preis mieten kann», so Holenweger.

«Leute dachten, wir hätten Juri Tirez rausgeworfen»

Der zweite Punkt im Brief handelt vom Hotel Sonne, eine Liegenschaft mit hohem emotionalem Wert. Kultbeizer Juri Tirez führte zuvor das Lokal. Im Juli 2019 hat das «Marco Polo» das Hotel Sonne dann erworben. Holenweger sagt: «Wir hatten keinen leichten Stand. Die Leute dachten, wir hätten Juri Tirez und den ‹Stiefelchnächt› rausgeworfen. Doch das stimmt nicht. Juri Tirez hätte es übernehmen können, doch er wollte nicht. Und die Besitzer sind dann auf uns zugekommen.» Nun ist es ein Restaurant, eine Bar und ein Hotel. Seit der Schliessung des «Stadthofs» das einzige in der Altstadt. Die Übernahme sei ein grosser Kraftakt gewesen. «Denn wir sind keine grossen Investoren, auch wenn wir immer wieder als solche porträtiert werden.»

Im letzten Dezember übernahm die Marco Polo Business Apartments AG den Städtlimärt. Auch hier wurde niemand vertrieben, im Gegenteil. Das Lokal stand damals bereits ein Jahr lang leer. «Solch ungenutzte Kapazitäten mitten in der Altstadt sind sehr schade und deshalb haben wir uns stark dafür engagiert, den Laden wieder zu öffnen.» Nun gibt es dort regionale Produkte von regionalen Produzenten zu kaufen. «Reich werden wir davon nicht. Es ist ein Herzensprojekt», so Holenweger, der im Brief erwähnt, dass auch das Unternehmen mit rund 40 Angestellten stark unter der momentanen Coronakrise zu leiden haben.

«Städtli ist etwas eingeschlafen»

Jüngster Coup ist das Engagement in der Badi in Bremgarten. «Keine einfache Sache, denn es ist extrem wetter- und saisonabhängig. Man muss schnell entscheiden», so Holenweger. In der Badi werden Sommerjobs geschaffen für Studenten und Teilzeitmitarbeitende, «die hoffentlich allesamt aus Bremgarten oder der Region kommen», so Holenweger.

Mit dem offenen, zweiseitigen Brief hofft Holenweger, ein bisschen Klarheit geschaffen zu haben. Er hat die Vorwürfe auf dem anonymen Flyer im Keim erstickt. Er erklärt auch, dass das Unternehmen aus fünf Investoren besteht (darunter FC-Aarau-Sportchef Sandro Burki). «Keiner von uns ist aus Bremgarten. Aber wir alle haben Familie und Freunde hier, wodurch es uns sehr am Herzen liegt, etwas Gutes für die Stadt zu tun. Bremgarten hat durch uns hoffentlich ein bisschen an Leben gewonnen», hofft Holenweger. Ein Fakt, den Stadtammann Raymond Tellenbach bestätigt. «Das Städtli ist etwas eingeschlafen, in der Coronazeit erst recht. Das ‹Marco Polo› zeigt Initiative», so Tellenbach.

Das Unternehmen hat 20 Arbeitsplätze geschaffen. «Das Potenzial in Bremgarten ist gross», so Holenweger. «Gemeinsam, wenn alle am gleichen Strick ziehen, können wir etwas erreichen», meint er. Tellenbach ergänzt, dass langfristig das Standortmarketing (das wegen Corona stillsteht) für die Stadt Bremgarten wieder aufgenommen werden wird. «Wir müssen aktiv werden», so Tellenbach.

Verfasser bleibt ungewiss

Die Reaktionen auf den offenen Brief des «Marco Polo» sind durchwegs positiv. Wer die anonymen Verfasser sind, bleibt ungewiss. Die Haltung kommt aber angesichts der Reaktion aus der Bremgarter Bevölkerung von einer klaren Minderheit. «Für uns ist die Sache damit erledigt. Es ist schade, wurde nicht das Gespräch gesucht, sondern auf diese Art und Weise ein Flyer mit Vorwürfen verteilt», so Holenweger. «Wir sitzen alle im gleichen Boot und haben alle dieselbe Absicht: das Städtli wiederzubeleben.»


Das anonyme Schreiben

Der Inhalt des anonymen Schreibens beinhaltet viele Vorwürfe an die Marco Polo Business Apartments AG: «Immobilien in der Altstadt werden aufgekauft und so das Stadtbild nach und nach verändert. Die Stadtmitte wird weniger divers und es wird von einem reichen Investor dominiert. Dieser folgt dabei der kapitalistischen Logik und der endlosen Profitmaximierung und verdrängt die ortsansässigen Menschen und lokalen Kulturschaffenden. Menschen mit niedrigen Einkommen werden durch diese vermeintliche Aufwertung an den Rand der Stadt und der Gesellschaft gedrängt.» Weiter heisst es, dass die Marco Polo Business Apartments AG ein Beispiel unter vielen sei und «mitverantwortlich für diese widerliche Entwicklung in Bremgarten, Wohlen, Buchs und Brugg». Aufgelistet werden danach die Immobilien, die «sie sich in Bremgarten bereits unter den Nagel gerissen haben». Fälschlicherweise wird dabei das Hotel Drei Könige aufgelistet. Am Ende des Flyers heisst es: «Nicht mit uns. Das Problem Gentrifizierung stoppen – die Ursache Kapitalismus abschaffen. Für ein buntes Bremgarten und ein selbstbestimmtes und solidarisches Miteinander.» --red


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