Impft der Aargau zu langsam?
16.04.2021 Wohlen«Unsere Kapazität ist seit Wochen zu höchstens 45 Prozent ausgelastet. Einziger Grund dafür ist der Mangel an Impfstoff. Schneller impfen als im Kanton Aargau ist nicht möglich.» Dies sagt Gesundheitsdirektor Jean-Pierre Gallati. Und genau das bestätigt auch der ...
«Unsere Kapazität ist seit Wochen zu höchstens 45 Prozent ausgelastet. Einziger Grund dafür ist der Mangel an Impfstoff. Schneller impfen als im Kanton Aargau ist nicht möglich.» Dies sagt Gesundheitsdirektor Jean-Pierre Gallati. Und genau das bestätigt auch der Spital Muri. --dm
«Schneller impfen ist nicht möglich»
Regierungsrat Jean-Pierre Gallati aus Wohlen zur Impfstrategie des Kantons Aargau
Die Impfstrategie steht auch im Aargau oft im Zentrum der Diskussionen rund um die Coronakrise. Gesundheitsdirektor Jean-Pierre Gallati betont, dass sein Impfteam ausgezeichnet funktioniert. «Es gilt auch, die Leistungsfähigkeit der ganzen Kette der Gesundheitsversorgung aufrechtzuerhalten», gibt der Regierungsrat aus Wohlen zu bedenken.
Daniel Marti
Warum gibt es Kantone (wie Genf), bei denen schon die breite Bevölkerung geimpft wird, und bei uns im Aargau dauert es noch rund zwei Monate, bis das der Fall sein wird?
Jean-Pierre Gallati: Stand 11. April hat der Kanton Aargau gemäss einer Statistik von BAG und SRF news von allen 26 Kantonen am drittmeisten Impfungen verabreicht; nur die Kantone Genf und St. Gallen liegen knapp vor dem Kanton Aargau. Gemäss einer anderen Statistik von letzter Woche hatte unser Kanton im Verhältnis zu den erhaltenen Impfdosen von allen Kantonen am meisten verimpft. Nicht alle Kantone erhalten gleich viele Impfdosen, da gibt es Schwankungen.
Können Sie etwas zum Tempo sagen?
Der Kanton Aargau verimpft alle Impfdosen, die er erhält, sofort. Wir legen aber eine kleine Reserve zur Sicherstellung der Zweitimpfungen zurück. So können wir alle geplanten Zweitimpfungen durchführen und müssen diese nicht absagen, wie es in anderen Kantonen, bei sogenannten Turbo-Kantonen, geschehen ist. Unsere Verimpfungskapazität ist seit Wochen zu höchstens 45 Prozent ausgelastet. Einziger Grund dafür ist der Mangel an Impfstoff. Schneller impfen als im Kanton Aargau ist nicht möglich.
Da gab es letzte Woche jedoch eine andere Meldung von «10vor10» und dass der Aargau eher schlecht dasteht …
Die Berichterstattung der Sendung «10vor10» von letzter Woche war falsch, und die Redaktion hat sich beim DGS dafür entschuldigt.
Sind Sie mit der Impfstrategie im Aargau grundsätzlich zufrieden?
Wie gesagt gehört unser Kanton zu den schnellsten Kantonen. Die Impfzentren in acht Spitälern und unsere sechs bis zehn mobilen Impfteams funktionieren ausgezeichnet. Auf die Leistung unseres Impfteams unter Führung von Andreas Obrecht bin ich stolz. Wir können alle erhaltenen Impfdosen rasch und sicher verimpfen. Die grösste Herausforderung ist derzeit, dass sich möglichst viele Personen für einen Impftermin auf www. ag.ch /covid-impfanmeldung registrieren. Für den weiteren Erfolg der kantonalen Impfkampagne ist es zentral, dass sich möglichst viele Personen anmelden. Nur so kann eine optimale Verteilung der Impfdosen auf die Impfkanäle erfolgen.
Im Juli/August sollten alle Impfwilligen im Aargau zweimal geimpft sein, sagt der Impfchef Andreas Obrecht. Da braucht es für viele Menschen sehr viel Geduld. Ist das nicht etwas gar spät?
Wir können genau so viele Impfdosen verimpfen, wie wir vom Bund erhalten. Und das machen wir, mehr und schneller ist nicht möglich. Schön wäre, wenn es schneller ginge, aber das ist wegen des Mangels an Impfdosen nicht möglich. Zwischen der ersten und der zweiten Impfung müssen wir einen Abstand von zirka vier Wochen einhalten. Wann die letzte Person geimpft sein wird, hängt von der Anzahl der Anmeldungen ab. Ich hoffe auf eine möglichst hohe Impfbereitschaft, damit wir 70 bis 75 Prozent der Bevölkerung impfen können.
Bitte wagen Sie eine Prognose: Wann wird im Aargau wieder Normalität einkehren und wann können sich die Menschen wieder frei bewegen?
Aktuell läuft die dritte Welle der Pandemie. Vor ziemlich genau hundert Jahren verbreitete sich die Spanische Grippe auf der ganzen Welt. Diese war nach zwei Jahren und drei Monaten zu Ende. Bis heute kennt auch die Wissenschaft die Gründe für das damalige Ende der Pandemie nicht. Eine Prognose für das Ende der Covid-19-Pandemie wage ich nicht. Aus der Erfahrung der Spanischen Grippe erscheint mir ein Ende in rund einem Jahr als realistisches Szenario. Hoffentlich werden die Impfungen diese Pandemie abkürzen.
Noch zu Ihrer Partei. Die SVP-Chefetage verlangt eine sofortige Öffnung. Die Regierungsräte, auch von der SVP, bremsen hier gewaltig. Läuft das auf einen Konflikt hinaus?
Zum Thema Bekämpfung von Pandemien schweigen sich die Parteiprogramme aller Parteien aus. Eine gefestigte Parteimeinung dazu gibt es in keiner Partei. Aber es gibt aus dem Moment geborene Forderungen, oftmals angestossen von Verbänden und Firmen. Interessant ist, dass sich die Mitglieder der Gesundheitskommissionen der Parlamente auf Stufe Bund und Kanton eher zurückhalten. Mein Ziel als Gesundheitsdirektor ist es nicht, nationale Politiker zu überzeugen.
Sondern…?
Meine Aufgabe besteht darin, unseren Kanton bestmöglich durch die Pandemie zu bringen. Dazu gehört der Erhalt unseres Gesundheitswesens und vor allem der Spitalkapazitäten. Weiter gilt es, die Leistungsfähigkeit der ganzen Kette der Gesundheitsversorgung aufrechtzuerhalten – vom Spital über die Hausärzte bis hin zu den Apotheken und Drogerien. Dies ist die Basis für das Funktionieren der Wirtschaft und der ganzen Gesellschaft. Wo nötig, unterstützen Bund und Kanton die notleidenden Branchen und Institutionen finanziell.



