«Zeitpunkt ist eher zufällig»

  02.03.2021 Wohlen

Interview mit Matthias Angst, Rektor der Kantonsschule, zur Entlassung von Lehrer Markus Häni

Die Entlassung von Kantilehrer Markus Häni sorgt für Emotionen. Das Pendel schwankt von Empörung bis Beifall. Mittendrin steht Kantirektor Matthias Angst. Er sieht sich aber keinesfalls im Clinch mit der Meinungsfreiheit.

Daniel Marti

Wer trägt die Verantwortung für die Kündigung von Lehrer Markus Häni?

Matthias Angst: Die Verantwortung trage ich. Die Kantonsschulen agieren als autonome Anstellungsbehörden und verfügen über die Kompetenz für eine Kündigung, die daher nur von mir unterzeichnet ist. Aufgrund der erwarteten medialen Aufmerksamkeit habe ich aber selbstverständlich mit dem Departement und dessen Rechtsdienst Rücksprache gehalten.

Gibt es fachliche Gründe für die Entlassung von Lehrer Häni?

An seinem Lateinunterricht gab es nichts auszusetzen.

Haben sich Schülerinnen oder Schüler über Lehrer Häni beschwert?

Nein.

Gab es Druck von aussen und spürten Sie solchen Druck (von Medien, besonders von sozialen Medien)? Und gab es auch Druck von innen, beispielsweise von der Lehrerschaft?

Ein doppeltes Nein. Die öffentlichen Reaktionen treffen erst jetzt nach Bekanntwerden der Personaltrennung ein. Das Lehrerkollegium hat sich stets vorbildlich diskret und korrekt verhalten.

Lehrer Häni engagiert sich in der Bewegung der Coronakritiker seit bald einem Jahr. Warum wurde die Kündigung gerade jetzt oder erst jetzt ausgesprochen?

Der Zeitpunkt ist eher zufällig; eine Trennung hatte sich seit Längerem abgezeichnet. Markus Häni und ich standen seit letztem Mai im intensiven, aber stets guten Dialog. Wir respektieren unsere Positionen als Lehrer und Rektor. Unsere persönlichen Ansichten standen dabei nicht zur Debatte. Ich versuchte in mehreren Phasen mit grossen Bemühungen und bei diversen Vorkommnissen mit viel Nachsicht zu agieren. Letztlich drehte sich alles um die Frage nach der sauberen Trennung von Beruflichem und Privatem.

Lehrer Häni hat doch gegen kein Gesetz verstossen. Da kann der berechtigte Vorwurf aufkommen, dass die Kündigung unverhältnismässig ist. Was sagen Sie dazu?

Würden wir nur von der Rede am Protestmarsch sprechen, ginge ich mit Ihnen einig, dass eine direkte Kündigung fraglich wäre.

Wenn es kein Gesetzesverstoss ist, gegen welche Richtlinien hat er dann verstossen?

Näheres darf ich Ihnen aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nicht sagen.

Man kann durchaus das Gefühl bekommen, Häni wurde wegen seiner Haltung entlassen ... Was sagen Sie dazu?

Das kann ich gut nachvollziehen. Ich bedaure es aufrichtig, dass Markus Häni und ich keinen gemeinsamen Weg gefunden haben. Bis zuletzt hatte ich gehofft, dass uns dies gelingen würde. Dafür braucht es aber bekanntlich beide Seiten. Würde ich je einer Lehrperson alleine wegen ihrer Haltung kündigen, müssten mich meine vorgesetzten Stellen subito aus dem Verkehr ziehen. Ich wäre dann wahrlich ungeeignet, ausgerechnet eine Kantonsschule zu leiten.

Bitte so konkret wie möglich: Warum wurde Lehrer Häni entlassen?

Die ordentlichen Kündigungsgründe finden sich in § 11 des Gesetzes über die Anstellung von Lehrpersonen und sind auch hier massgebend.

Hat die freie Meinungsäusserung – ein wichtiges Gut der Schweiz und der Demokratie – für Kantilehrer andere Grenzen?

Selbstverständlich nicht. Mit einem Anwaltspatent im Rucksack und Erfahrung als Staatsrechtsdozent glaube ich, dies gut beurteilen zu können. Es schmerzt etwas und ist nicht frei von einer gewissen Ironie, dass ich nun nach Ansicht einiger als «Mörder der Meinungsfreiheit» hinhalten muss.

Politiker dürfen sich in dieser Sache sehr kritisch äussern, die Schweiz als Bananenrepublik bezeichnen und sogar zum Ungehorsam und zum Widerstand aufrufen. Wo liegt der Unterschied in dieser Sache zwischen Politikern und Kantilehrern?

Staatsangestellten, also auch Lehrpersonen, obliegt eine besondere Sorgfalt in der Abwägung von öffentlichen Voten. Wir sind zur Differenzierung und Sachlichkeit in unseren Äusserungen angehalten. An der Schule geben wir keine Abstimmungsempfehlungen, hängen keine Wahlplakate auf und verhalten uns politisch neutral. Das können Ihnen bestimmt auch Ehemalige bestätigen, die heute zum Beispiel als Grossräte politisieren.

Oder wird eben je nach Beruf die Meinungsfreiheit unterschiedlich angewendet oder akzeptiert?

Die Antwort darauf liegt nicht in meiner Kompetenz, und das kann ich so umfassend gefragt nicht beantworten.

Lehrer Markus Häni ist weg. Nun herrscht wieder Ruhe in der Kanti Wohlen und Ihre Schule ist aus der Schusslinie. War auch das ein Ziel der Kündigung?

Nein. Die Frage ist suggestiv gestellt, weil an der Kanti keine Unruhe wegen Markus Häni herrschte. Er war ein Mitglied eines 120-köpfigen Lehrkörpers, der wegen seines Fachs wenige Schülerinnen und Schüler unterrichtete. Das relativiert gegen innen und aussen einiges. Ihm mit solchen Absichten zu kündigen, wäre ungerechtfertigt gewesen.


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