Geschlossenes Leiden

  16.02.2021 Wohlen

Wie geht es den Wohler Unternehmen, die im «Shutdown» ihre Türen geschlossen haben?

Nicht nur die Gastrobetriebe werden in dieser Coronakrise hart getroffen, sondern auch die vielen Laden- und Geschäftsbesitzer haben zu kämpfen.

Stefan Sprenger

Diese Ungewissheit drückt den Ladenbesitzern aufs Gemüt. Es stellen sich viele Fragen. «Was mache ich mit der Winterkollektion, die nicht verkauft wurde?» oder «Wann kommt die Unterstützung vom Bund?». Und die wichtigste aller Fragen für die Gewerbetreibenden: «Wann dürfen wir endlich wieder öffnen?»

«Wir haben Ausgaben und keine Einnahmen»

Diese Zeitung hat bei einigen Ladenund Geschäftsbesitzern in Wohlen nachgefragt. Alle leiden in der jetzigen Situation. Und alle versuchen das Beste daraus zu machen. Florence Hutterli vom Billard-Center «Upstairs» sagt: «Wir haben Ausgaben, aber keine Einnahmen.» So geht es momentan den meisten. Davide Iuliano, Inhaber der «Herrenmode Mazzotta» bleibt auf den Modekollektionen sitzen. Und angesichts der Ungewissheit ist die Bestellung neuer Ware «wie eine Lotterie».

Betroffen von der schwierigen Situation sind Ladenbesitzer aus den verschiedensten Branchen. Ob Dekorationsgeschäft Decorates by A. D., Fitnesscenter Acropolis, Informatikunternehmen BBS Office, Hobby-Shop Hässig, Salsatanzschule SalsaOlé oder der Uhren- und Schmuckladen Strebel.

Auch der Manor, einer der grössten Wohler Detailhändler, hat mit der Situation zu kämpfen. Dort sind momentan alle 29 Mitarbeitenden in Kurzarbeit.


Verlängerung schwer verkraftbar

Umfrage bei Wohler Gewerbetreibenden, die wegen Corona ihr Geschäft schliessen mussten

Viel ist von der Gastronomie die Rede, wenn es um die Corona-Opfer geht. Neben den Bars und Restaurants mussten im Dezember etliche weitere Betriebe schliessen. Wie geht es ihnen im Lockdown? Wir haben uns umgehört.

Josip Lasic, Stefan Sprenger und Chregi Hansen

Betroffen sind ganz viele Geschäfte in Wohlen. Läden, Fitnesscenter, Tanzschulen, Kursanbieter und viele mehr. Nachfolgend eine Auswahl.

Strebel Uhren: «Der Schock kam vor Weihnachten»

Heinz Strebel ist seit 1991 der Inhaber des Uhren- und Schmuckgeschäftes an der Zentralstrasse 19. Der Familienbetrieb, der seit 1954 existiert, hat noch nie solch ein aussergewöhnliches Jahr wie 2020 erlebt. «Der Schock kam vor Weihnachten, als wir in den umsatzstärksten und für uns wichtigsten Tagen des Jahres schliessen mussten», erklärt der 57-jährige Heinz Strebel. Für ihn war es nur schwer nachvollziehbar, wieso der Kanton Aargau als Einziger diese folgenreiche Massnahme ergriff. Er vermutet, dass viele Kunden ihre Weihnachtseinkäufe einfach in den umliegenden Kantonen tätigten. «In unserem grosszügigen Ladenlokal mit überschaubarer Kundenfrequenz und den umgesetzten Schutzmassnahmen ist das Infektionsrisiko sehr klein», sagt der Wohler. Der Umsatz, der online im Webshop via Click and Collect erzielt wird, ergibt nur einen Bruchteil von dem, was sonst verkauft würde. «Wir spüren die Solidarität von unseren Kunden, die uns treu bleiben in dieser Zeit», meint Strebel. «Das hat sehr gut getan.» Er steckt den Kopf nicht in den Sand und ist zuversichtlich, dass die Gesellschaft einen guten Weg aus der Krise und der Coronapandemie finden wird. «Irgendwann wird es weitergehen, darauf freuen wir uns sehr.»

Decorates by A. D.: «Keine Antwort erhalten»

«Alle sprechen immer nur von den Gastrobetrieben. Der Lockdown trifft aber auch die vielen kleinen Ladenbesitzer», macht Hanni Mathis ihrem Unmut Luft. Zusammen mit ihrem Sohn und Geschäftsinhaber Max Mathis sitzt sie im Dekoladen «Decorates by A. D.» an der Bünzstrasse 2. Für den Laden kam die Schliessung im Dezember zur Unzeit. Vor Weihnachten macht er einen grossen Teil des Umsatzes. Derzeit ist der Laden voll mit Osterdeko. «Wenn der Lockdown verlängert wird, geht auch dieses Geschäft flöten, dann wird es ganz schwierig», schaut Max Mathis besorgt voraus. Zwar habe man als Alternative einen Onlineshop eingerichtet, aber das sei nicht das Gleiche. «Die Leute wollen die Sachen in die Hand nehmen, nebeneinanderstellen, wollen beraten werden», so der Inhaber. Mathis fühlt sich alleingelassen. «Wir verkaufen ja auch Kunstblumen. Aber auf meine Frage, ob wir deswegen öffnen dürfen, habe ich bis heute keine Antwort erhalten», ärgert er sich. Zudem würden die Grossverteiler Dekomaterial verkaufen, während sie schliessen müssten. Derzeit bietet man am Freitag und Samstag während jeweils zwei Stunden einen Take-away-Verkauf an. Kunden können durchs Schaufenster zeigen, was sie gerne möchten, die Mathis bringen die Waren nach draussen und kassieren vor dem Laden ab.

BBS Office GmbH: «Sind wir ein Härtefall?»

Reto Salm ist Geschäftsführer der BBS Office GmbH. Das seit 1999 bestehende Unternehmen ist auf Informatikkurse und weitere Dienstleistungen im EDV-Bereich spezialisiert. Die Massnahmen führen laut Salm zu einem Umsatzeinbruch von 30 bis 50 Prozent. «Die Fixkosten bleiben hingegen praktisch unverändert.» Während des ersten Shutdowns von März bis Juni 2020 konnte die Firma keine Gruppenkurse mit Präsenzunterricht durchführen. Damals wurde ein Coronakredit vom Bund aufgenommen. «Das lief unkompliziert. Aber da wir nie vollständig schliessen mussten, ist zu klären, ob wir wirklich ein Härtefall sind.» Salm und sein Team haben ein Schutzkonzept für Präsenzkurse erstellt und wären bereit, diese wieder durchzuführen. Ein Teil der Dienstleistungen kann weiterhin durchgeführt werden. Die Firma bietet E-Learning-Kurse an. Das Unternehmen beschäftigt neun Mitarbeiter. Ein Teil ist in Kurzarbeit. Die Geschäftsleitung – bestehend aus Salm und Doris Felder – hat darauf keinen Anspruch. «Während des ersten Shutdowns erhielten wir einen Minimumlohn für zwei Monate. Schade, dass das Parlament hier nicht eine Lösung gefunden hat, Arbeitgeber in ähnlicher Stellung weiter zu unterstützen.»

Mazzotta Herrenmode: «Aargau  machte da einen Alleingang»

Davide Iuliano ist Inhaber des Herrenmodegeschäfts Mazzotta in Wohlen. Das Geschäftsjahr 2020 beschreibt er als «nicht so toll». Dass das Weihnachtsgeschäft weggefallen ist, sei besonders bitter. «Der Aargau machte da einen Alleingang. Für uns war dies enorm schwierig, weil an Weihnachten jeweils eine sehr umsatzreiche Zeit ist», sagt der 50-Jährige. Im Jahr 2020 gab es 35 Prozent weniger Umsatz als üblich. Beim Kleiderfachgeschäft sind vier Mitarbeiter in Kurzarbeit. «Wenn wir wieder öffnen können, sehe ich für die Zukunft kein Problem», sagt Iuliano, der ebenso Chef einer Architekturfirma ist. Ein Problem hat er momentan: «Wir sitzen auf der Wintermode fest und sind nun an den Bestellungen für den Frühling/Sommer. Weil es aber unklar ist, wie es weitergeht mit den Massnahmen, erscheint dies ein wenig wie eine Lotterie.»

Acropolis Fitness & Wellness: «Zur Untätigkeit verdammt»

Das Acropolis ist das älteste Fitnesscenter in Wohlen. Hier haben sehr viele Freiämter schon trainiert und etwas für ihre Gesundheit getan. «Und jetzt, wo sie ihr Immunsystem stärken sollten, wird ihnen das verwehrt», klagt Inhaber Patrick Iten. Bereits zum zweiten Mal muss er sein Center komplett schliessen. «Es ist traurig, dass es immer die Gleichen trifft», sagt er darum. «Januar und Februar sind unsere wichtigsten Monate. Dann haben viele das Bedürfnis, sich zu bewegen, abzunehmen oder etwas für ihre Gesundheit zu tun. Viele kaufen sich jetzt Trainingsgeräte für zu Hause. Dieser Markt floriert, während wir zur Untätigkeit verdammt sind», so das Fazit von Iten. Der Fitnesscoach fühlt sich alleingelassen. Seine Angestellten sind alle in Kurzarbeit. Beim ersten Mal sind die Entschädigungen sofort geflossen, jetzt aber wartet er immer noch darauf. Auch die Direkthilfe vom Bund kommt nicht in dem Masse, wie sie angekündigt wurde. «Ich erhalte nur einen Bruchteil der versprochenen Gelder», erklärt Iten. «Wir sind sehr geschwächt. Und wenn wir dann im Frühling wieder öffnen können, starten wir gleich in die schwächste Jahreszeit», sagt er.

Manor: «Für den Detailhandel ist die Lage ernst»

Der Manor an der Zentralstrasse hat geschlossen. Dies, obwohl man einen Teil des Sortiments verkaufen könnte. Manor hat aber nur die Geschäfte geöffnet, in denen es auch eine Nahrungsmittelabteilung gibt, dazu die Standorte Bern und Winterthur. Die Medienstelle von Manor sagt: «Alle anderen Geschäfte sind komplett geschlossen, da es sich aufgrund der restriktiven BAG-Liste nicht lohnt. Dort dürfen weniger als 20 Prozent unseres Sortiments verkauft werden.» Darunter fällt auch der Standort Wohlen mit seinen 29 Mitarbeitenden (die alle in Kurzarbeit sind). Zur Situation sagt Manor: «Für den Detailhandel ist die Lage ernst: Wir verlieren pro Tag zirka 4 Millionen Franken an Umsatz und jeder Tag kostet uns 1 Million Franken. Eine baldige Wiedereröffnung ist unserer Ansicht nach dringend notwendig.» Mit den Warenhäusern sei zwar der wichtigste Verkaufskanal geschlossen, «doch wir verkaufen eine grosse Anzahl Artikel natürlich auch online».

Tanzschule SalsaOlé: «Teilnehmer zahlen freiwillig»

Seit 2006 führen der Wohler Elior Zuncevski und die in Menziken wohnhafte Montserrat Bello die Tanzschule SalsaOlé am Gewerbering 25. Bei ihnen herrscht aktuell Stillstand. «Das Einzige, was wir anbieten, sind Onlinekurse», sagt Montserrat Bello. «Dafür verlangen wir nichts, aber die Teilnehmer können auf freiwilliger Basis zahlen, so viel sie wollen. Die Leute, die Motivation fürs Tanzen haben, sollen diese behalten.» SalsaOlé besteht aus einem Team von 22 Personen. Neben Bello sind aber nur zwei weitere Teammitglieder vollberufliche Tanzlehrer, die anderen geben vereinzelte Kurse. Der 45-Jährige und die 40-Jährige erhalten Corona-Erwerbsersatz. Beim ersten Shutdown lief das unkompliziert. Beim aktuellen ist es schwieriger. Der erste Härtefall-Antrag vom Tanzstudio wurde abgelehnt. Aus Solidarität zahlen viele Mitglieder auch ihre Abos weiter. Bello: «Wir haben uns bisher durchgekämpft. Aber jetzt sind wir am Limit. Je nachdem, wie lang die Massnahmen noch gehen und wie gelockert wird, sieht es schwierig aus.»

Hobby-Shop Hässig AG: «Manch mal muss man Glück haben»

Positive Nachrichten gibt es vom Hobby-Shop Hässig. Geschäftsführer Mario Hässig sagt: «Wir arbeiten schon viele Jahre stark im Onlinebereich. Das hat sich seit letztem April nun ausgezahlt.» Alle acht Angestellten arbeiten normal weiter. Der Hobby-Shop benötigt keine Kurzarbeit, Kredite oder sonstigen staatlichen Hilfen. «Im Modellbaubereich sind wir wohl auch in einer ziemlich krisensicheren Branche», sagt Mario Hässig. Sein Bruder Thomas Hässig, ebenfalls Teil der Geschäftsführung, ergänzt: «Kurz vor der Pandemie haben wir im Bereich Postanbindung alles optimiert. Es ist Zufall, aber manchmal muss man auch Glück haben.» Was laut den Brüdern wegfällt, ist die Lauf kundschaft. «Während des ersten Shutdowns hatten wir sogar ein Umsatzplus, weil sich die Leute mit Material eingedeckt haben», sagt Thomas Hässig. «Jetzt sind wir leicht unter dem Vorjahr. Es kann sein, dass die Umsätze sinken, falls der Shutdown länger geht und die Leute nicht mehr so viel Geld für das Hobby übrig haben. Im Grossen und Ganzen können wir nicht klagen.»

Spielbar Upstairs: «Gleich behandelt wie jede andere Bar»

«Diese ewige Ungewissheit, wie es Ende Februar weitergeht, die macht uns sehr zu schaffen», sagt Florence Hutterli. Sie hat das Billard-Center Upstairs mitten im ersten Lockdown übernommen und steuert die Spielbar jetzt zusammen mit ihrem Mann und ihrer Mutter durch den zweiten Lockdown. «Das hier ist das Lebenswerk meines Vaters, das möchte ich erhalten», sagt sie. Sie hat durchaus Verständnis für die Coronamassnahmen, die brauche es. «Schade ist, dass alle über einen Kamm geschert werden und nicht die Einzelfälle begutachtet werden», sagt sie. Denn im «Upstairs» wurde viel investiert in die Sicherheit, die Tische stehen weit auseinander, es hat eine sehr moderne Lüftung, alles wurde regelmässig desinfiziert, die Maskenpflicht wurde rigoros durchgesetzt, auch wenn man dadurch Stammkunden verlor. «Und dann werden wir trotzdem gleich behandelt wie jede andere Bar», bedauert die Geschäftsführerin. Das fing schon damit an, dass das Center plötzlich schon um 19 Uhr schliessen musste. «Zum Billard geht man nach dem Feierabend», erklärt sie. Und überhaupt: Die Wintermonate sind die starken Monate. «Wenn der Lockdown länger dauert, wird es schwierig. Im Sommer können wir dann kaum Kunden gewinnen», so Hutterli. Sie hofft darum, baldmöglichst wieder öffnen zu können. Denn auch wenn nicht gespielt wird, müssen die Tische regelmässig gereinigt werden. «Wir haben Ausgaben, aber keine Einnahmen. Und derzeit keine Ahnung, wann wir öffnen können», bedauert Florence Hutterli.

Mustang Pferdesport: «Laden endgültig geschlossen»

Yvonne Braun ist die Besitzerin von Mustang Pferdesport an der alten Villmergerstrasse. Es ist der grösste Pferdesportartikelverkäufer in der Region. Auf der Homepage steht geschrieben: «Mit einem lachenden und einem tränenden Auge habe ich den Mustang-Laden geschlossen.» Auf Anfrage bestätigt Yvonne Braun, dass sie ihren Laden geschlossen hat. Corona habe seinen Teil dazu beigetragen. Braun setzt nun auf den Onlineshop und wird diesen weiter ausbauen.


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