Der neue europäische Richter Andreas Zünd war in der ehemaligen Genossenschaft Dorfkern Wohlen tätig
Tatsächlich wurde in den Jahren 1986 bis 1991 darüber gestritten, den «Sternen» abzubrechen. Heute ist das sanierte Haus, das 1789 gebaut ...
Der neue europäische Richter Andreas Zünd war in der ehemaligen Genossenschaft Dorfkern Wohlen tätig
Tatsächlich wurde in den Jahren 1986 bis 1991 darüber gestritten, den «Sternen» abzubrechen. Heute ist das sanierte Haus, das 1789 gebaut wurde, ein Wohler Wahrzeichen. Beim Erhalt des «Sternen» kämpfte auch Andreas Zünd mit.
Daniel Marti
Andreas Zünd politisierte in Wohlen in den Jahren 1986 und 1987 im Einwohnerrat (siehe separater Artikel). Mit der Politik alleine war es nicht getan. Vom April 1986 bis September 1990 war er auch in der Verwaltung der ehemaligen Genossenschaft Dorfkern Wohlen tätig. Dieses Engagement kannte einen Grund: Während Zünd für die SP ins Dorfparlament einzog, gewann Walter Dubler einen Sitz für die Gruppe «Eusi Lüüt». Fast gleich alt, kannten sich die beiden. Und Dubler war es, der den neu gewählten Einwohnerrat ins Boot der Genossenschaft Dorfkern holte.
«‹Sternen› wichtiger als Verkehrsinteressen»
Die Dorfkern-Liebhaber kümmerten sich damals um das Ortsbild von Wohlen. Die Zusammenarbeit sei ausgezeichnet gewesen, so der ehemalige Gemeindeammann Dubler. Jurist Andreas Zünd sei «klug und bescheiden» zugleich gewesen. Zudem verfügt er über einen schalkhaften Humor. Die Genossenschaft konnte sich laut Dubler stets auf den juristischen Scharfsinn von Zünd verlassen, dieser sei «sehr wertvoll und nützlich» gewesen. Dies war vor allem bei der Spezialzone Steingasse und bei Baurechtsfragen der Fall gewesen.
Beim Thema «Spezialzone Steingasse» setzte sich die Genossenschaft Dorfkern vehement für den Erhalt der Liegenschaft Restaurant Sternen und des Steingasse-Quartiers ein. Dieser Einsatz ging bis vor den Regierungsrat, der im Juni 1991 entschied, dass der Erhalt des «Sternen» wichtiger sei als irgendwelche Verkehrsinteressen. Der Regierungsrat damals im Klartext: «Die als erhaltenswert bezeichneten Gebäude dürfen nicht abgebrochen werden.»
«Sternen»-Rückversetzung emotional diskutiert
Der «Sternen»-Kampf hatte bereits im September 1986 begonnen. Damals waren die Rückversetzung des Hotel Sternen und die Strassenverbreiterung in der «Sternen»-Kurve ein emotional diskutiertes Thema im Dorf. Ein Neubauprojekt lag bei der Bauverwaltung zur Vorprüfung, und die Rückversetzung des «Sternen» wurde von der Gemeinde zur Auflage gemacht. Mittels dringlicher Interpellation wehrte sich die Genossenschaft Dorf kern dagegen – unterzeichnet war der Vorstoss von Ruth Weber, Urs Kuhn, Walter Dubler und Andreas Zünd. Dank solchen Engagements steht der 1789 erbaute «Sternen» immer noch. Zum Glück. Und die Bindung unter den Verwaltungsmitgliedern blieb bestehen.
Schon damals habe man erkennen können, dass Andreas Zünd eine Richterkarriere einschlagen könnte, so Dubler. Üblicherweise sei die Wahl zum Bundesrichter der Höhepunkt für einen Richter, «mit der Wahl an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte hat er nun eine noch höhere, einsame Stufe erklimmt. Das freut mich sehr.» Für den ehemaligen Gemeindeammann Dubler ist die Einstellung von Zünd zur Rechtsprechung besonders erwähnenswert. Als Richter zähle seine eigene Meinung nicht, sagt Zünd. «Aufgabe eines Richters ist es, das geltende Recht anzuwenden, dabei keinen Pressionen nachzugeben und sich nie von der politischen Stimmungslage leiten zu lassen.» Dubler kann sich deshalb einen kleinen Seitenhieb nicht verkneifen: «Auch damit hebt sich Andreas Zünd wohltuend von einzelnen Aargauer Richtern ab.»
Zurück zum neuen Richter in Strassburg. Dieser erinnert sich gerne an seine Zeit in der Genossenschaft Dorfkern. Die Gestaltung des Dorfkerns sei damals eine zentrale politische Fragestellung für Wohlen gewesen, so Andreas Zünd. «Darum habe ich dort gerne mitgearbeitet.» Er sei der Meinung gewesen, «dass alte Bausubstanz, wenn sie dem Dorf das Gepräge gibt, erhaltenswert ist». Der damalige Genossenschaftspräsident Walter Dubler habe diese Arbeit «hartnäckig fortgeführt», so Zünd weiter. «Wenn ich heute am ‹Sternen› vorbeifahre, der damals hätte abgebrochen werden sollen, denke ich gerne an diese Zeit zurück.»