Mit Respekt und Toleranz
22.12.2020 BremgartenDora Weissenbach ist Nachbarin des Kulturzentrums Bremgarten (Kuzeb)
Seit rund 30 Jahren wird die ehemalige Textilfabrik Meyer als alternatives Kulturzentrum betrieben. «Sie haben ein besseres Herz als manch andere», sagt Nachbarin Dora Weissenbach über die ...
Dora Weissenbach ist Nachbarin des Kulturzentrums Bremgarten (Kuzeb)
Seit rund 30 Jahren wird die ehemalige Textilfabrik Meyer als alternatives Kulturzentrum betrieben. «Sie haben ein besseres Herz als manch andere», sagt Nachbarin Dora Weissenbach über die Kuzeb-Betreiber.
André Widmer
Viele Menschen kennen es gar nicht von innen, aber viele haben eine Meinung dazu: Das Kulturzentrum Bremgarten (Kuzeb). Die einen mögen es, die anderen verabscheuen es. Mit einer Reportage hat diese Zeitung in der Ausgabe vom 27. November das Innenleben des Kuzebs vorgestellt, das Selbstverständnis seiner Betreiber zu fassen versucht. Und vielleicht mit Vorurteilen aufräumen können, die von einigen Schlagzeilen aus der Vergangenheit herrühren könnten. Von der anfänglichen Besetzung im Jahr 1990 beispielsweise. Die dann aber in einem Mietvertrag und der Gründung eines Vereins mündete.
Nachbarin der ersten Stunde ist Dora Weissenbach, eine der bekanntesten Persönlichkeiten der Stadt Bremgarten und Ortsbürgerin. 1977 heiratete sie Hans Weissenbach, den früheren Herausgeber des Bremgarter Bezirks-Anzeigers (BBA) sowie Druckereibetreiber, und zog an der Zugerstrasse 1 ein – nur einen Steinwurf vom Gebäude der ehemaligen Kleiderfabrik Meyer entfernt. Der Betrieb dieser Textilfirma war etwa 1975 eingestellt worden, erinnert sich Dora Weissenbach. Dann lag die Nachbarsliegenschaft zu grossen Teilen brach, lediglich ein Spanierclub hatte sich im Wohnteil der ehemaligen Fabrik eingemietet. Wie bereits erwähnt, zogen 1990 die späteren Betreiber des Kulturzentrums Bremgarten in die frühere Fabrikanlage ein – zufälligerweise in demselben Jahr, als die Druckerei Weissenbach und damit der BBA an den Tages-Anzeiger verkauft wurden. Die jungen Leute hatten zuvor ein Tipi-Lager an der Reuss betrieben, wurden aber von den Behörden aufgefordert, dort wieder abzubauen. Also zogen sie in die schon etwas ältere Liegenschaft an der Ecke Zugerstrasse/Zürcherstrasse.
Miteinander reden statt die Polizei zu rufen
Nun sind es also bereits 30 Jahre, seitdem Dora Weissenbach und das autonome Zentrum Nachbarn sind. In all den Jahren war diese Nachbarschaft von gegenseitigem Respekt geprägt. Als Dora Weissenbach vor etlichen Jahren wegen Lärmimmissionen aus dem Nachbarsgebäude um 1.30 Uhr dem Kuzeb einen Kurzbesuch abstattete, erhielt sie von den Betreibern eine Telefonnummer. Diese kann sie jederzeit anrufen, wenn etwas stören sollte – beispielsweise, wenn ein Konzert im Kuzeb ihr zu laut ist. Das sei doch ein Beispiel, wie man miteinander umgehen könne – statt gleich die Polizei anzurufen. Man könne eine gute Nachbarschaft haben, «man muss aber auch etwas dazu beitragen», so Weissenbach.
Dora Weissenbach spricht mit viel Respekt über ihre Nachbarn. «Diese jungen Leute sind anspruchslos. Sie sind sehr offen», so Weissenbach. Immer erhalte sie eine Antwort, wenn sie ein Anliegen habe. «Vor einer Woche bin ich zum zweiten Mal drinnen gewesen», erzählt sie. Die Lärmimmissionen hätten im Vergleich zu früher stark abgenommen. «Es ist viel ruhiger geworden.» Kein Vergleich damit, als vor vielen Jahren mal die Strasse verbarrikadiert worden sei, erinnert sich die Nachbarin. Dass sie gut übers Kuzeb rede, stosse nicht immer bei allen Leuten auf Verständnis, erklärt Dora Weissenbach. Doch für sie ist in Bezug auf die Kuzeb-Leute klar: «Sie haben ein besseres Herz als manch andere.» Die Generationen im Kuzeb haben in den 30 Jahren natürlich geändert, aber ein Herr aus den Anfangsjahren sei immer noch dabei. Dieser sei nun Familienvater. Sie sieht ihn noch öfters beim Kuzeb. Es sei, was in Wohlen der «Chäber» gewesen ist, meint Dora Weissenbach: auch ein Ort, wo sinnsuchende Menschen eine Gemeinschaft fänden, Leute, die ihnen zuhören würden. «Solche, die Hilfe gesucht haben und sie schliesslich auch erhalten haben.» Diese soziale Komponente ist es, die Dora Weissenbach imponiert. Aus der nachbarschaftlichen Beziehung von Kuzeb und Dora Weissenbach gibt es eine kleine Anekdote, die ihr gleich einfällt und das gute Verhältnis treffend beschreibt: Diesen Sommer hat Dora Weissenbach einem jungen Herrn für den sehr ordentlich angelegten Garten Komplimente gemacht. «Ich habe ihm Hortensien gebracht. Daraufhin habe ich frische Teekräuter erhalten.» Für sie sei das ein Beispiel, wie man miteinander umgehen könne.