Besondere Momente: Besuch bei Giovanna Scheidegger (17. Juli 2020)
Chantal Gisler
Die Pandemie hat mir das Leben in diesem Jahr ganz schön erschwert. Trotzdem gab es für mich auch in diesem schwierigen Jahr schöne Momente und wertvolle Begegnungen. ...
Besondere Momente: Besuch bei Giovanna Scheidegger (17. Juli 2020)
Chantal Gisler
Die Pandemie hat mir das Leben in diesem Jahr ganz schön erschwert. Trotzdem gab es für mich auch in diesem schwierigen Jahr schöne Momente und wertvolle Begegnungen. Eine, an die ich immer zurückdenke, ist die Begegnung mit Giovanna Scheidegger. Ich durfte sie im Rahmen der Sommerserie «Erlebt – Senioren erzählen» kennenlernen. Sie lebt in der Oberen Mühle in Villmergen. Dort treffe ich sie an einem Freitagmorgen zum ersten Mal. Sie kommt im Rollstuhl in die Cafeteria, unterstützt von einer Pflegerin.
Mir fällt eines sofort auf: Giovanna ist ein Sonnenschein. Eine Person, die immer freundlich zu allen ist, immer etwas zu lachen hat. Auch wenn es ihr körperlich nicht immer gut geht. Nach unserer ersten Begegnung musste sie ins Spital Baden, um ihren Fuss untersuchen zu lassen. Trotzdem versprüht sie eine grosse Lebensfreude. Das spürte ich sofort bei ihr.
Während meinem Gespräch sprachen wir über alles Mögliche. Über Freunde, Familie, über Kleinigkeiten, aber auch über Schicksale. Wir hatten sofort einen Draht zueinander, auch wenn wir eineinhalb Meter voneinander entfernt sitzen mussten. Sie sagte mir, dass sie sich nicht vor dem Virus fürchte. Aber sie versteht, wenn jemand vor den Auswirkungen Angst hat.
Ich habe selten einen so verständnisvollen Menschen wie Giovanna kennengelernt. Sie ist etwas Besonderes. Wie sie mit anderen Menschen umgeht, jeden höflich grüsst und sofort mit allen ein gutes Gespräch beginnen kann. Mit ihrer offenen und fröhlichen Art hat sie mich tief beeindruckt.
Besonders, da sie schon einige Schicksalsschläge verkraften musste. Ihr Bruder und ihr geliebter Mann sind verstorben. Sie weiss zu jedem Zeitpunkt, wann sie von uns gegangen sind. Sie weiss, wie viele Jahre und Monate seither vergangen sind. Das hat mich nachdenklich gestimmt. Ich wüsste nicht, ob ich mit Verlusten so gut umgehen könnte wie sie. Denn sie bleibt trotz allem, auch bei Corona, optimistisch. Das bewundere ich sehr an ihr. Sie war schon immer so, erzählte sie mir in dem Gespräch. Ein spontaner und sehr lebensfroher Mensch.
Sehr berührt hat mich die Art, wie sie über ihre Ehe gesprochen hat. Ihren Mann kannte sie schon länger und er sagte zu ihr: «Giovanna, dich werde ich am Valentinstag in einem Jahr heiraten.» Damals lachte sie, doch genau ein Jahr später am Valentinstag heirateten sie. Diese Geschichte ist mir besonders in Erinnerung geblieben. Sie hat mich dazu angeregt, über mein eigenes Leben nachzudenken. Sie gab mir auch viele hilfreiche Tipps auf meinen Weg mit.
Sie hat noch mehr Geschichten auf Lager und erzählt sie auch gerne. Und sie weiss (fast) alles über Villmergen. Schliesslich führte sie jahrelang den kleinen Dorfladen an der Bahnhofstrasse. Zu fast allem kann sie etwas Spannendes erzählen. Und ich höre ihr immer gerne zu.
Daher mein Versprechen an dich, Giovanna: Ich komme dich bald wieder besuchen.