Der Damhirsch auf dem Schützenhaus-Wisli
04.12.2020 BremgartenDie Anfänge des Verkehrs- und Verschönerungsvereins Bremgarten
Das waren noch Zeiten. Turbulente Zeiten. In seinen Anfangsjahren brachte der Verkehrs- und Verschönerungsverein Bremgarten – heute «Bremgarten Tourismus» – den Reussuferweg vom ...
Die Anfänge des Verkehrs- und Verschönerungsvereins Bremgarten
Das waren noch Zeiten. Turbulente Zeiten. In seinen Anfangsjahren brachte der Verkehrs- und Verschönerungsverein Bremgarten – heute «Bremgarten Tourismus» – den Reussuferweg vom «Adler» zum ersten Schützenhaus der Stadt – heute «Bijou» – zustande. Innert sechs Monaten.
Effektiv gegründet wurde der «Verkehrs- und Verschönerungsverein Bremgarten» am 21. September 1901. Damals, im Ausklang des 19. Jahrhunderts, war der euphorische Geist überschwänglich. Nicht zufällig wurde die Bremgarten-Dietikon-Bahn beidseitig, von Dietikon und von Wohlen her, mit einem «Hauptbahnhof Bremgarten-West», von wo man in die Stadt hinauf hochherrschaftlich auf Kutschen kutschieren durfte, an die Stadtgemeinde angeschlossen.
«Wir bauen den Reussuferweg»
Eine Auswirkung der allgemeinen Euphorie ums Jahr 1900 zeigte sich im Umstand, dass unzählige Wirtschaften eröffnet wurden, es gab 26 Einkehrstätten, eine auf hundert Einwohner – was waren das doch für schöne Zeiten. Der Verkehrs- und Verschönerungsverein Bremgarten wurde im Hotel «Drei Könige» im Bogen von 42 Männern aus der Taufe gehoben. Die Mannen machten sich gewaltig ans Werk. Ihre ersten Themen waren die Reinlichkeit in der Promenade, die Pflege des 1895 erbauten Stadtschulhauses, ein Reussuferweg zum Schützenhaus, die Bedachung des Metzger-, auch Katzenturm genannt, Ruhebänkli und Wegweiser in der Stadt, die Badanstalt, Wege und Alleebäume der Reuss entlang, ein Trottoir zum «Hauptbahnhof» hinaus nach Bremgarten-West.
Und dann ereignete sich die über Jahre geführte Posse um den Damhirsch auf dem «Wisli» beim alten Schützenhaus, dem heutigen «Bijou», draussen an der Stadtbefestigung mit dem «Chatzetörli», durch das der fliehende Zwingli im Nachthemd nach Zürich geflohen sein soll. Die Männer vom Verschönerungsverein hatten sich bei der Gründung des VVB als Erstes vorgenommen, am rechten Ufer der Reuss von der Brauerei Adler bis hinaus zum Schützenhaus einen frei begehbaren Uferweg zu realisieren. Man redete um Varianten: oben auf der Ringmauer oder doch unten näher an der Reuss? Unentgeltliche Durchmarschrechte waren kurzzeitig ein Thema. Bau und Unterhalt sollten bei der Stadtgemeinde liegen – eigentlich war man sich einig.
Im Herbst schon fertig
Das Bauvorhaben kam rasch voran. Die Bewilligung dauerte nur vier Monate, und im Herbst war der neue Reussuferweg schon fertig. Vorher hatte man den Umweg über den steilen Bogen und durch die Stadt zum Spittelturm nehmen müssen. Man stritt nur noch um Details. So konnte das Holzgeländer am neuen Reussuferweg von Maler Werder nur aussen angemalt werden, weil sich die Grundbesitzer partout nicht an den Malerkosten für den Innenteil beteiligen wollten.
Die Sache mit dem Damhirsch
Die Euphorischen dachten indes noch viel weiter. Als zweites Projekt wollten sie einen Hirschpark, eine Geflügel- oder Rehanlage, wahlweise auch einen Hirschengraben mit Ententeich realisieren. Als Standort hatten sie die Wiese auserkoren, die nördlich des «Bijou» gegen den Spittelturm hinauf liegt wie das «Rütli» am Vierwaldstättersee, dort hinauf hatte man um 1560 geschossen. Die Mannen machten sich wacker ans Werk. In Königsfelden kauften sie sogleich zum Spezialpreis von 30 Franken einen ausgewachsenen Damhirsch, allerdings unter der Auflage und Bedingung, dass derselbe innert zweier Jahre nicht «zum Schmause dienen dürfe». Um den Park attraktiv zu machen, dachte man an die Ansiedlung von Heidschnuckenschafen, ein Herr offerierte gratis einen zweifellos wunderschönen Fasan. Weil man den gekauften Hirsch noch nicht am vorgesehenen Ort platzieren konnte, erhielt er eine provisorische Tierunterkunft beim Wirt der «Waage».
Doch es kamen Bedenken auf, wie man den künftigen Tierpark denn unterhalten könnte. Es trat allgemeine Ernüchterung auf. Der «Waage»-Wirt anerbot sich, für 20 Rappen pro Tag den Damhirsch weiterhin in Pension zu nehmen und zu pflegen. Und man fragte in Königsfelden an, ob sie auf die ursprüngliche Bedingung zurückkommen könnten, den schönen Hirsch in einen wohlschmeckenden Braten zu verwandeln. Antwort: Man müsste bis zum realen Wert aufzahlen, gefälligst. Dr. Bürgisser äusserte pragmatisch die Idee, man solle einen Verkehrsvereinsschmaus machen – aus dem Hirsch. Davor rettete ihn – den Hirsch – Herr Abt vom Schlössli, indem er ihn für 40 Franken abkaufte. –rts
Quelle: Rolf Meyer, Bremgarten: «Durchsicht des 1. Protokollbuchs des Verkehrs- und Verschönerungsvereins 1901–1911», Stadtarchiv Bremgarten.