Grossartige Wundertüte
24.11.2020 WohlenKonzertfonds Wohlen: «Carte blanche, junge Talente» – zwei Auftritte in der Kanti
Das Konzertprogramm «Carte blanche, junge Talente» ist eine Wundertüte. Es ist grossartig, dass der Konzertfonds in dieser schwierigen Zeit den Anlass ...
Konzertfonds Wohlen: «Carte blanche, junge Talente» – zwei Auftritte in der Kanti
Das Konzertprogramm «Carte blanche, junge Talente» ist eine Wundertüte. Es ist grossartig, dass der Konzertfonds in dieser schwierigen Zeit den Anlass organisiert. Um die erforderlichen Schutzmassnahmen einzuhalten, fand das Konzert am Samstagabend zweimal in der Aula der Kantonsschule statt.
Klara Bosshart
Das Publikum ist neugierig. Jugendliche des kantonalen Spitzenförderungsprogramms der Aargauer Kantonsschulen musizieren. Den Auftakt macht eine Klavier-Sonatine von Maurice Ravel. Leonie Winzenried spielt alles auswendig. Ihr Spiel gleicht anfänglich einer leichten Brise im Blätterwald. Da wechseln sich Rauschen und Säuseln ab. Dynamisch ist ihr Spiel und der Wind steigert sich gegen Schluss zu einem Sturm. Tim Meyer spielt mit seinem Violoncello eine Solo-Suite von Ernst Bloch. Es ist immer wieder erstaunlich, was in diesem bauchigen Instrument steckt. Wilde Läufe dominieren. Eine angenehm dumpfe Klangfarbe bringt die Stimmung.
Musik geht unter die Haut
Witzig beginnt ein Trio von Joseph Haydn. Es spielen Jael Enzler und Jana Traut, Geige, und Rahel Furrer, Cello. Schön sind die Gegensätze von hellen, hohen Geigentönen und dem mit tieferen Registern geerdeten Cello. Auffallend sind das exakte Zusammenspiel und die Entlastungen am Schluss einer Phrase. Dieses Trio lädt mit seiner beschwingten und fröhlichen Musik zu einem Tänzchen unter Bäumen ein.
Es folgt eine Partita für vier Celli von Wolfgang Hofmann. Es spielen Nora Bürger, Rahel Furrer, Tim Meyer und Julian Schnetzler. Die Celli beginnen mit tollen Akkorden. Diese werden schrittweise aufgebaut und spicken immer wieder mit viel Dynamik das Werk. Sie gleichen einer stämmigen westfälischen Eiche. Doch im Geäst kribbelt und krabbelt es. Und Tausende Insekten schwirren umher. Der Wechsel von Harmonien und Dissonanzen bewegt, ja geht unter die Haut. Ein ruhiger Musikfluss kennzeichnet das Musikstück von Theo Mackeben. Es spielt nochmals das gleiche Cello-Quartett. Das ist Musik zum Träumen. Die vier Jugendlichen wissen zu gestalten. Wunderbar ist ihr Zusammenklang. Bemerkenswert, wie die kurzen Soli Raum bekommen.
Nun ist eine Partita von Johann Sebastian Bach an der Reihe. Cristina Beng schafft sich mit ihrer Geige selbstbewusst den Raum auf der Bühne. Und wie sie spielt! Schnell, verspielt, virtuos und genau. Da turnt ein Eichhörnchen von Ast zu Ast. Da jubiliert eine Amsel zuoberst auf einem Zweig.
Musiker kostet alle Tonlagen aus
Spannend ist die Komposition von Dimitri Schostakowitsch. Nora Bürger, Cello, und Manuel Ernst, Klavier, spielen eine Sonate. Virtuos und schnell beginnt das Cello. Herrlich, wie das Klavier den Rhythmus gibt, meistens Offbeat. Diese Musik erinnert an den Jazztrain. Vorherrschend sind die Forti, nur selten lullen Piani ein. Repetitive Motive jagen sich wie Wiesel im Wurzelwerk eines Baumes. Die beiden Instrumente wollen sich in rasantem Tempo immer wieder übertreffen, sagen, wo es langgeht. Da fegt ein Herbststurm durch die Bäume.
Wunderschön und mit Ausdruck spielt Manuel Ernst eine Etüde von Frédéric Chopin. Sehr schön, wie er die Melodien herausspielt, daneben eine dezente Begleitung gestaltet. Die Akkorde gleichen Fanfarenstössen. Frisch und keck ist sein Spiel. Das bringt Leben. Es folgt eine Suite für Cello von Gaspar Cassadó. Julian Schnetzler spielt. Geheimnisvoll beginnt diese Suite. Der Musiker kostet alle Tonlagen aus. Bemerkenswert ist sein Blickkontakt mit dem Publikum. Da wird mit verschiedensten Klangfarben eine Geschichte erzählt. Da werden mit Tönen bunte Herbstbäume gemalt. Und blinzelt da nicht listig der Mond durch die Äste eines Baumes und spielt Verstecken mit einer wendigen Haselmaus! Herrlich, wie hohe und tiefe Töne ausgelotet werden, sehr schnell gespielt und doch genau intoniert.
Von Jacques Ibert folgt ein Entr’acte für Flöte, gespielt von Sarah Suter, und Harfe, gespielt von Jana Bürger. Viel Bewegung ist im Spielen. Da entwickelt sich ein tolles Zwiegespräch zwischen Flöte und Harfe. Da sind fast atemlose Flötenläufe. Dazu kommt eine filigrane, leichte, ja zarte Begleitung mit der Harfe. Da zaubert die Flöte Spinnweben in das Geäst eines Baumes und die Harfentöne glitzern wie Raureif an den Zweigen nach einer Winternacht im ersten Morgenlicht. Ein beseelter Ausdruck liegt in dieser Musik. Bemerkenswert ist das genaue Zusammenspiel. Da fliessen die Melodien der Flöte wie selbstverständlich zum Musikfluss der Harfe.
Mit Dynamik und Innigkeit
Zum Schluss kommt etwas ganz anderes. Vier Herren spielen die Melodie «La vie en rose», einen Chanson von Edith Piaf. Jaco Ackermann beginnt mit seinem Akkordeon, eine schöne, gefällige Melodie. Dezent kommt die Begleitung dazu. Es spielen Armando Chappuis, E-Gitarre, und Christoph Gebhard, E-Bass. Sie geben den Puls an. Dann spielt David Gabi mit der Posaune die Melodie. Er intoniert genau, spielt grossartig, laut und leise, cool und doch beseelt. Beim Aufbau der Forti kommen die herrlichen Obertöne dieses Instrumentes hervor, so, als würde sie der Posaunist aus einem Hut zaubern. Steht da Edith Piaf ganz kurz auf der Bühne und entführt das Publikum nach Paris? Da wird mit viel Dynamik und Innigkeit gemeinsam musiziert. Listig und mit Schalk geht es zum Schlussakkord.
Das Publikum dankt mit einem herzlichen Applaus. Zwar sind hinter den Masken die Freude am Musizieren und das Lächeln der Jugendlichen versteckt. Doch das Leuchten und Aufblitzen in den Augen der jungen Talente ist trotzdem nicht zu übersehen.
Zum Schluss dankt Walter Feldmann, Leiter der Jugendlichen, dem Konzertfonds für das Organisieren und auch der Kantonsschule, welche für dieses Konzert ihre Türen öffnete und ein von vielen sehnlich herbeigesehntes Erlebnis von Livemusik ermöglichte.