Freiämter Doppelspitze
27.11.2020 VillmergenMattea Meyer hat ihre Wurzeln in Villmergen
Als neue SP-Co-Präsidentin und Kämpferin für wirtschaftliche Hilfe in der Coronakrise ist Nationalrätin Mattea Meyer in den Medien aktuell sehr präsent. Der Heimatort der 33-Jährigen, die mit dem ...
Mattea Meyer hat ihre Wurzeln in Villmergen
Als neue SP-Co-Präsidentin und Kämpferin für wirtschaftliche Hilfe in der Coronakrise ist Nationalrätin Mattea Meyer in den Medien aktuell sehr präsent. Der Heimatort der 33-Jährigen, die mit dem Boswiler Cédric Wermuth an der Parteispitze steht, ist Villmergen.
Ihre politische Laufbahn hat in der Stadt Winterthur begonnen. Dort hat Mattea Meyer den Grossteil ihrer Kindheit verbracht und lebt nach wie vor in der zweitgrössten Stadt des Kantons Zürich. Weniger bekannt ist, dass der Heimatort der neuen SP-Co-Präsidentin im Freiamt liegt. Die 33-Jährige verbindet nach wie vor einiges mit Villmergen.
Meyer spricht über ihre Verbindung zum Freiamt und darüber, was die Arbeit als Co-Präsidentin einer der grössten Parteien des Landes mit sich bringt, wieso sie und der Boswiler Cédric Wermuth sich für eine Co-Präsidentschaft entschieden haben und was sie motiviert, sich in der aktuellen Coronakrise für wirtschaftliche Hilfe für Arbeitnehmer und Unternehmer einzusetzen. --jl
«Wir bleiben dran»
Die neue SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer hat Villmerger Wurzeln
Nationalrätin Mattea Meyer lebt in Winterthur, hat aber Wurzeln in Villmergen. Seit dem 17. Oktober ist sie gemeinsam mit Cédric Wermuth Co-Präsidentin der SP Schweiz. Sie spricht über ihre Verbindung zum Freiamt, ihre neue Rolle als SP-Co-Präsidentin und die Situation bezüglich Corona.
Josip Lasic
Mattea Meyer, wann waren Sie das letzte Mal in Villmergen?
Mattea Meyer: Lassen Sie mich kurz nachdenken. 2019 fand die Hochzeit meines Cousins in der Nähe von Villmergen statt, aber nicht in der Gemeinde selbst. Der letzte Besuch dürfte ein Familienfest im Jahr 2017 gewesen sein. Dieses Jahr bin ich ausserdem auf einer Velotour durch das Freiamt gefahren (lacht).
Ihr Heimatort ist Villmergen. Was verbinden Sie mit dem Ort und der Region?
Vor allem Kindheitserinnerungen. Meine Grosseltern väterlicherseits sind in Villmergen aufgewachsen. Sie haben mit uns häufig ihre Geschwister im Ort besucht. Ich verbinde Familientreffen mit der Gemeinde. Meine Cousins leben seit ihrer Kindheit in Villmergen.
Mit Ihnen und dem Boswiler Cédric Wermuth ist die SP Schweiz jetzt in Freiämter Hand.
(lacht) Wenn Sie das sagen. Auf Cédric Wermuth trifft das sicherlich zu. Er ist in der Region aufgewachsen und zur Schule gegangen. Ich kenne das Freiamt primär als Besucherin. Aber ja, in meinem Pass steht der Heimatort Villmergen.
Sie haben seit rund einem Monat das Co-Präsidium inne. Hat sich Ihre Tätigkeit seither gross verändert?
Unsere Wahl fiel zusammen mit einem starken Anstieg der Coronazahlen. Das hat das öffentliche Leben wieder zu einem grossen Teil zum Erliegen gebracht. Viele geplante Veranstaltungen finden nicht statt. Wir nutzen die Zeit, um uns einen Überblick zu verschaffen, was für Aufgaben auf uns zukommen. Das ist viel. Auch viel Unvorhersehbares wie Medienanfragen, Interviews oder Anliegen aus der Bevölkerung.
Wie sah Ihre Arbeit im ersten Monat aus?
Cédric und ich haben uns bewusst den ersten Monat Zeit genommen, um mit dem Parteisekretariat Gespräche zu führen und einen Einblick zu erhalten. Andererseits fordert die Coronasituation rasches Handeln. Wir organisieren zum Beispiel Videokonferenzen mit Verantwortlichen in Pflegeberufen oder Branchenverbänden aus der Reise-, Veranstaltungsund Gastrobranche. Wir wollen wissen, wie das Gesundheitspersonal die Situation in den Spitälern und Alterszentren erlebt oder welche wirtschaftliche Unterstützung die betroffenen Selbstständigen brauchen. So können wir die richtigen politischen Forderungen stellen. Langweilig wird mir auf jeden Fall nicht (lacht).
Sie waren schon sehr aktiv, als Sie «nur» Nationalrätin waren. Haben Sie mehr Arbeit, seit Sie Co-Präsidentin der Partei sind?
Es war ein bewusster Entscheid, dass Cédric Wermuth und ich uns für ein Co-Präsidium entschieden haben. Das ist entlastend. Das Präsidium besteht auch nicht nur aus uns beiden. Wir haben ein Team mit Leuten, die Verantwortung übernehmen und alle an einem Strick ziehen. Diese Teamarbeit macht Spass und ist eine Stärke. Ich bin überzeugt, dass gemeinsam erarbeitete Ideen bessere Ideen sind. Es gibt viel zu tun mit der Parlamentsarbeit, den Bedürfnissen und Ideen der Kantonalparteien, den Anliegen aus der Bevölkerung. Die Tage, an denen ich arbeite, sind sehr lang. Aber die Co-Arbeit erlaubt Cédric Wermuth und mir, auch Verantwortung und Betreuungsarbeit in der Familie wahrzunehmen. Ich habe eine kleine Tochter, Cédric Wermuth hat sogar zwei Kinder.
Sie haben vorhin die Videokonferenzen mit den von Corona besonders betroffenen Branchen erwähnt. Bezüglich der wirtschaftlichen Hilfe für diese Branchen war Ihr Engagement schon vor Ihrer Wahl zur Co-Präsidentin gross.
Ja, das beschäftigt mich seit dem Frühjahr. Gleich als der erste Lockdown im März verkündet wurde, habe ich mich dafür eingesetzt, dass Selbstständige und Geschäftsinhaber Erwerbsersatzentschädigung erhalten und diese Betriebe nicht Konkurs und Arbeitsplätze nicht verloren gehen. Als Co-Präsidentin der SP führe ich dieses Engagement natürlich weiter und setze mich dafür ein, dass niemand wirtschaftlich auf der Strecke bleibt.
Als der Bundesrat im März den Lockdown verkündet hat, wurde finanzielle Hilfe für die Wirtschaft kommuniziert. Weshalb benötigt es Ihren Einsatz, damit die Unternehmen die Hilfe auch erhalten?
Es ist korrekt, dass der Bundesrat wirtschaftliche Hilfe versprochen hat und gesagt hat, dass niemand allein gelassen wird. Das war zu Beginn auch so. Es gab schnellen Zugang zu Kurzarbeitsgeldern für Unternehmen. Ebenso Erwerbsersatzentschädigung für Selbstständige. Der Bundesrat hat danach aber völlig ohne Not im Mai kommuniziert, dass ab Juni keine Hilfsgelder mehr fliessen. Gemeinsam mit den entsprechenden Branchen haben wir danach Druck gemacht, sodass ab Juli wieder Hilfe für einen Teil der Betroffenen garantiert wurde. Im September wurde dann das Covid-Gesetz verabschiedet, das all die bisherigen Beschlüsse zusammenfasst und bis Ende 2021 gilt. Dort war die Erwerbsersatzentschädigung in der ursprünglichen Vorlage wieder nicht drin enthalten. Also mussten wir wieder dafür kämpfen.
Wieso tut der Bundesrat so etwas?
Ich verstehe es auch nicht. Vermutlich ist es das Prinzip Hoffnung. Also die Hoffnung darauf, dass uns die zweite Coronawelle nicht so stark erwischt. Diese Hoffnung dürfte sich jetzt zerschlagen haben. Andererseits scheint es mir ein zu kurzfristiges wirtschaftliches Denken zu sein.
Inwiefern?
Uns muss klar sein, dass wir die Folgen der Coronakrise so oder so bezahlen werden. Wenn nicht mit finanzieller Hilfe für Unternehmen und Branchen, dann mit Konkursen und Arbeitslosigkeit. Diese Folgen würden uns teurer zu stehen kommen. Deshalb glaube ich, dass es zu kurzfristig gedacht ist, wenn man glaubt, dass wir irgendetwas einsparen können.
Bundesrat Ueli Maurer hat gesagt, dass sich die Schweiz keinen zweiten Lockdown leisten kann. Ihre Meinung dazu?
Das war ein herber Schlag ins Gesicht der Betroffenen, die dringend auf finanzielle Unterstützung angewiesen sind. Und es ist falsch und gefährlich. Die Schweiz ist nach wie vor eines der reichsten Länder der Welt und hat die finanziellen Möglichkeiten, die Coronamassnahmen wirtschaftlich mitzutragen. Wenn es Konkurse und Arbeitslosigkeit gibt, zahlt das am Ende auch die öffentliche Hand. Und die Arbeitsplätze sind dann weg.
Gegenüber dem «Blick» haben Sie gesagt, dass viele Menschen das Virus aus Existenzangst verharmlosen. Ist das so?
Ich erhalte viele Briefe und E-Mails von Menschen, deren Schicksale mir wirklich nahegehen. Menschen, die Hilfe benötigen. Es steht nicht nur die Existenz auf dem Spiel, sondern ihre Geschäfte waren ihre Lebensträume, die sie sich aufgebaut haben. All das steht für diese Leute auf dem Spiel. Das Virus ist etwas Kleines, für viele quasi Unsichtbares. Die Null auf dem Konto am Ende des Monats ist für diese Leute sehr gut sichtbar. Wenn man dann keine Fälle von schwer Erkrankten an Corona im eigenen Umfeld hat, wirkt die Bedrohung durch den finanziellen Ruin verglichen mit dem Virus grösser. Diese Verharmlosung ist Gift für die Bekämpfung des Virus.
Besteht die Gefahr, dass man die Bevölkerung gegeneinander aufbringt?
Wenn gewisse Branchen, Wirtschaftszweige und Menschen längerfristig auf der Strecke bleiben, sehe ich durchaus die Gefahr, dass die Schutzmassnahmen nicht mehr mitgetragen werden. Deshalb ist für mich klar, dass medizinische Schutzmassnahmen immer Hand in Hand mit wirtschaftlichen Schutzmassnahmen gehen müssen. Aktuell sehe ich die Stimmung in der Bevölkerung noch positiv. Die Massnahmen werden zu grössten Teilen mitgetragen. Wir müssen dafür sorgen, dass die Stimmung nicht kippt.
Wie weit sind Sie in Ihrem Kampf, um den Menschen in dieser seltsamen Zeit zu helfen?
Es gibt noch viel zu tun. Positiv ist, dass wir schon viel erreicht haben. Wir bleiben dran.
Persönlich
Mattea Meyer wurde am 9. November 1987 in Basel geboren. Bis zu ihrem 9. Lebensjahr ist sie in Rothenfluh (Basel-Landschaft) aufgewachsen und lebt seither in Winterthur. Heimatberechtigt ist sie in Opfikon ZH und Villmergen. Die 33-Jährige ist Mutter einer bald vierjährigen Tochter. Meyer hat an der Universität Zürich den Master of Science in Human- und Wirtschaftsgeographie abgeschlossen, ist seit 2015 Nationalrätin und seit Oktober 2020 Co-Präsidentin der SP Schweiz. --jl