Sicherheitsgefühl hat gelitten
30.10.2020 WohlenVizeammann und Sicherheitspolitiker Roland Vogt zur allgemeinen Sicherheitsthematik in Wohlen
Die Menschen wollen sich sicher fühlen. Auch nachts. Auch am Bahnhof. Dieses Sicherheitsempfinden schwindet gegenwärtig. Roland Vogt, Grossrat und Gemeinderat sowie ...
Vizeammann und Sicherheitspolitiker Roland Vogt zur allgemeinen Sicherheitsthematik in Wohlen
Die Menschen wollen sich sicher fühlen. Auch nachts. Auch am Bahnhof. Dieses Sicherheitsempfinden schwindet gegenwärtig. Roland Vogt, Grossrat und Gemeinderat sowie Kriminalbeamter, schätzt die Sicherheitslage in Wohlen ein. Und nennt die Probleme beim Namen.
Daniel Marti
Übergriffe am Bahnhof. Latente Unsicherheiten im Zentrum. Steigende Einsatzzahlen der Regionalpolizei Wohlen. Unwohlsein der Bevölkerung. Wohlen, die grösste Freiämter Gemeinde, ist auf dem Weg zu städtischen Verhältnissen, die mehr Polizeipräsenz fordern. Und jüngstens wurden sogar zwei Politiker attackiert. Wie sicher lebt man überhaupt in Wohlen? «Immer noch sicher oder neutraler ausgedrückt nicht unsicherer als in anderen Zentrumsgemeinden oder Aargauer Städten», sagt Roland Vogt und fügt an: «Wir müssen leider auch akzeptieren, dass sich das Sicherheitsempfinden in den letzten Jahren verändert hat.» Vor allem das Sicherheitsgefühl in der Nacht habe sich ins Negative gewandelt.
Er muss es ja wissen, der 51-Jährige ist nicht «nur» Vizeammann, sondern er ist wohl jener Sicherheitspolitiker der gesamten Region mit der höchsten Kompetenz. Er ist Grossrat in der Sicherheitskommission, Gemeinderat mit dem Ressort Sicherheit und seit über 20 Jahren aktiver Polizist bei der Stadtpolizei Zürich.
Probleme am Bahnhof unbedingt ernst nehmen
Rein aus dieser Erfahrung heraus kann Roland Vogt eine professionelle Lagebeurteilung vornehmen. In Wohlen ist es vor allem der Hotspot rund um den Bahnhof, der ihn beschäftigt. «Am Bahnhof ist durch die aktuelle Situation viel Unsicherheit entstanden. Auf die Dauer kein haltbarer Zustand», betont er. Gewiss, die gegenwärtige Grossbaustelle rund um den neuen Busbahnhof habe dazu beigetragen, dass sich viele Menschen am Bahnhof nicht mehr sicher fühlen. «Die aktuelle Situation am Bahnhof ist unbefriedigend, weil sich verschiedene Gruppierungen auf engstem Raum befinden und die Pendler nicht in Ruhe gelassen werden.» Mit Gruppierungen meint er die Alkohol-, Jugend-, Drogen-, Asyl- und Poserszene.
Die Repol gibt so weit möglich Gegensteuer. Sie führt seit Wochen mehrmals täglich Kontrollfahrten durch und versucht durch Wegweisungen gewisser Personen die Lage einigermassen in den Griff zu bekommen. Von der baulichen Modernisierung des ganzen Areals erhofft sich Vogt eine gewisse Entspannung.
Dass eine der beiden jüngsten Attacken gegen Grossrat Harry Lütolf auf dem Bahnhofareal passierte, ist für ihn kein Zufall. Die Tätlichkeit gegen Gemeindeammann Arsène Perroud geschah bei der Bleichi. «Solche Attacken sind unabhängig der politischen Tätigkeit der Personen nicht akzeptabel, kommen aber leider immer wieder vor», so Vogt.
Moderner Bahnhof ohne Videoüberwachung geht nicht mehr
Ob Bahnhof oder Bleichi – für Vogt ist klar: «Jede Art von Übergriff, ist ein Angriff zu viel. Diese Erscheinungen müssen wir ernst nehmen, ansprechen und nicht immer alles schönreden. Solche Situationen, wenn unschuldige Personen grundlos attackiert und teilweise massiv körperlich angegangen werden, kennen wir schon länger aus den Städten.» In Zürich komme es jedes Wochenende zu solchen Übergriffen und die Opfer landen mehrheitlich im Spital. «Davon ist auch der Aargau immer mehr betroffen.»
Zurück zum Bahnhofareal. Da ist nun Harry Lütolf per Brief beim Gemeinderat vorstellig geworden. Er wünscht, dass das gesamte Bahnhofareal mit Video überwacht wird. Das Anliegen einer Videoüberwachung sei dem Gemeinderat bekannt, so der Vizeammann. «Ein moderner Bahnhof mit Busbahnhof ohne Videoüberwachung geht heute nicht mehr. Wir müssen aber zuerst die rechtliche Grundlage, sprich ein Reglement erarbeiten.» Erst danach können die Standorte beim Bahnhof für die Videoüberwachung und die möglichen anderen Standorte auf dem Gemeindegebiet definiert werden.
Zuletzt erteilt dann der Kanton die Bewilligung. Ein solches Konzept werde zurzeit im Gemeinderat und in der Verwaltung erarbeitet, und dann wird es auch den SBB noch vorgelegt.
Ausländische Bevölkerung verübt mehr Delikte
Neben dem Bahnhof gibt es in Wohlen weitere Hotspots. Es gab Zeiten, da waren die Schulhäuser im Brennpunkt. Bei den Schulhäusern sind laut Vogt mittlerweile teilweise andere Themen aktuell: Vandalismus und Littering. Dies sei erkannt. Und die Quartiere? «Da haben wir momentan noch eine entspannte Situation», kann der Sicherheitspolitiker beruhigen. Die Patrouillen der Regionalpolizei sorgen auch dort für ein gewisses Sicherheitsgefühl. Vor allem auch nachts.
Bei den Polizeipatrouillen gilt ein Grundsatz: Ist die Repol oder auch die Kapo sichtbar, hat das positive Auswirkungen für die Bevölkerung und auf das Sicherheitsempfinden. Auch die ständigen Verkehrskontrollen werden geschätzt. Und wer sich anständig verhält, wird auch anständig und mit Respekt behandelt. «Die Polizistinnen und Polizisten der Repol Wohlen leisten gute Arbeit», sagt Wohlens oberster Sicherheitschef.
Trotzdem: Woher stammen die steigenden Zahlen? Oder hat Wohlen allenfalls ein sogenanntes Ausländerproblem? Es sei eine Tatsache, so Roland Vogt, dass gesamthaft betrachtet ein Grossteil der Delikte von einem Teil der ausländischen Bevölkerung verübt werde. «Das sind leider die Fakten, die nicht alle akzeptieren wollen.» Vor allem bei Gewaltdelikten, bei häuslicher Gewalt, Cyberkriminalität, Drogenhandel und Vermögensdelikten treffe dies zu.
Wohlen ist vorbelastet
«Wohlen ist eine Zentrumsgemeinde», hält der Familienvater fest, und mit dem «überdurchschnittlichen Ausländeranteil von bald 40 Prozent» sei Wohlen «auf eine gewisse Art vorbelastet». Es sei aber nicht so, dass jeder Ausländer automatisch kriminell sei. «Die grosse Mehrheit unserer ausländischen Bevölkerung halte sich sehr gut an die Gesetzte oder Bestimmungen. Dafür braucht man übrigens auch keinen Schweizer Pass», sagt Vogt. Er selber habe sehr gute Freunde ohne Schweizer Pass, «die sich sehr gut an Schweizer Gesetze oder Bräuche halten».
Das Verhältnis müsse einigermassen stimmen, räumt Vogt ein, sonst könne keine Integration stattfinden. «Zu viele Ausländer in einem gewissen Gebiet oder Quartier führt früher oder später zu Problemen.» Solche Strukturen können in einer Zentrumsgemeinde wie Wohlen plötzlich zu Problemen führen. «Und in Wohlen stimmt dieses Verhältnis eindeutig nicht mehr.»
«Das Problem bei den Wurzeln packen»
Vogt weiter: «Wenn hauptsächlich die Zahlen der Delikte der ausländischen Bevölkerung und jene von Schweizern mit Migrationshintergrund steigen, dann stimmt etwas nicht.» Hier stehe vor allem die Integration im Mittelpunkt. Da dürfe man sich auch die Frage stellen, was die Integration den Staat kosten dürfe. Vogt, typisch SVP-Politiker, fordert vor allem ein genaues Hinsehen beim Familiennachzug im Asylbereich.
Ein Rezept, die Kriminalität zu senken, gibt es laut Vogt schon: «Das Problem bei den Wurzeln packen, die Grenzen selber kontrollieren und die Zuwanderung begrenzen.» Und es dürfe nicht so weit kommen, dass in der Bevölkerung eine Haltung entsteht, «dass gewisse Delikte okay sind und geduldet werden».
Man solle die Probleme beim Namen nennen dürfen. Und das tut er, der als Kriminalbeamter der Stadt Zürich seit über zwanzig Jahren vertieften Einblick in die Verbrecher-Szene hat und selber viel Aufklärungsarbeit im Hintergrund leistet. Als Revierdetektiv ist er ohne Uniform unterwegs, und er ist in seiner Funktion zudem eine Art Schnittstelle zur Staatsanwaltschaft.
Gutes Verhältnis zu den Nachbarsgemeinden
Zurück zu Wohlen und zu den Verhältnissen in der grössten Freiämter Gemeinde. Die eher schwierigen Verhältnisse sind im Zentrum anzutreffen. Genau dorthin schauen auch die Menschen der Nachbarsgemeinden, die der Regionalpolizei Wohlen angeschlossen sind. «Das Verhältnis zu den Nachbarsgemeinden ist gut», sagt dazu Sicherheitspolitiker Roland Vogt. «Natürlich ist die Repol sehr oft in der Zentrumsgemeinde unterwegs. Es wird alles ausgewertet und jeder Fall registriert, was sich schliesslich auf die Kosten auswirkt.» Und hier kreuzen sich die Begehrlichkeiten: Auch die Nachbarsgemeinden erhoffen sich möglichst viel Sicherheit an den stark frequentierten Stellen der Zentrumsgemeinde.