Die Kleinen warten vergebens
02.10.2020 WohlenWohler Chlausgesellschaft sagt sämtliche Anlässe ab
Dass der Chlausauszug dieses Jahr nicht stattfinden kann, wundert nicht. Aber in Wohlen gibt es auch keine Hausbesuche.
Chregi Hansen
Röfe Wüst, der Wohler ...
Wohler Chlausgesellschaft sagt sämtliche Anlässe ab
Dass der Chlausauszug dieses Jahr nicht stattfinden kann, wundert nicht. Aber in Wohlen gibt es auch keine Hausbesuche.
Chregi Hansen
Röfe Wüst, der Wohler «Chlausvater», ist hin- und hergerissen. Einerseits schmerzt ihn die Absage – so etwas gab es in der langen Geschichte der Chlausgesellschaft noch nie. Anderseits ist er auch erleichtert. «Die Last ist zu gross, ich könnte nicht mehr ruhig schlafen», erklärt er.
Das Thema hat ihn und die anderen Mitglieder des Chlausbüros seit Wochen bewegt. Gleichzeitig weiss er – andere Ortschaften schauen ganz genau, wie die grösste Chlausgesellschaft des Kantons mit der Situation umgeht. Orientieren sich vermutlich daran. «Wir wurden schon mehrfach angefragt, was wir vorhaben und planen», so der Brauchtumsleiter. «Entscheiden müssen die anderen Gesellschaften allein. Wir können nur aufzeigen, was alles beachtet werden muss.»
Und das ist ganz viel, wie Wüst und Peter Locher, der Präsident des Vereins Freunde St. Nikolaus Wohlen, aufzeigen. Das fängt beim Schminken der Schmutzli an und hört bei der Registrierung der Besucher der Chlausmesse auf. «Es gibt ganz viele Baustellen», erklären die beiden. Zu viele. Aus diesem Grund werden nicht nur der Auszug mit seinen über 2000 Besuchern, sondern gleich alle Aktivitäten abgesagt. «Am meisten leid tut mir das für die Kinder, sie werden um einen ganz speziellen Moment in einer schwierigen Zeit gebracht», sagt Locher dazu.
Zu viele Baustellen entdeckt
Die Chlausgesellschaft Wohlen zieht den Stecker – keine Anlässe in diesem Jahr
Die Enttäuschung ist riesig. Sowohl bei den Kindern, die heuer vergeblich auf den Besuch des Samichlaus warten. Aber auch bei den Verantwortlichen, welche dieses Brauchtum am Leben erhalten.
Chregi Hansen
Röfe Wüst hat in seinen vielen Jahren als Chlausvater schon vieles erlebt. Und immer eine Lösung gefunden. Selbst damals, als wegen einer Software-Panne über 40 Anmeldungen verloren gingen, konnte die Situation gerettet werden und wartete kein Kind vergeblich zu Hause auf das ersehnte Klopfen.
In diesem Jahr brauchen sie nicht zu warten. Der Nikolaus, sein Diener und seine Schmutzli sind diesen Winter in Wohlen nicht unterwegs. Da kann nicht mal Röfe Wüst etwas ändern. Im Gegenteil – er steht voll und ganz hinter dem Entscheid, welchen das Chlausbüro gefällt hat – die Absage sämtlicher Aktivitäten. Also der Hausbesuche, der Chlausmesse sowie dem Auszug aus der Kirche als jährlicher Höhepunkt.
Die ewige Unsicherheit
«Wir sind das Thema frühzeitig angegangen, haben Gespräche mit dem Kanton und der Gemeinde geführt», erklärt Wüst. Die Antwort: Ja, der Auszug und auch andere Aktivitäten sind möglich. Allerdings nur, wenn die notwendigen Schutzkonzepte vorliegen. Und: Die Bewilligung kann auch kurzfristig wieder entzogen werden, falls die Zahlen der Ansteckungen wieder ansteigen. «Derzeit sinken sie eher, aber wer weiss, was im Dezember ist», so Wüst, «dann stehen wir da mit kiloweise Mandarinen, Schokokugeln und Nüssli.»
Dass der traditionelle Chlausauszug am Sonntagabend mit seinen über 2000 Besuchern zum Problem werden kann, das war den Verantwortlichen schnell klar. «Natürlich könnten wir eine Maskenpflicht einführen, aber wie kontrollieren wir das und setzen es durch? Das ist für uns nicht machbar», so der Brauchtumsleiter. Doch nicht nur der Grossanlass entpuppt sich als Problem. An einer Sitzung Anfang September notierten die Verantwortlichen alle Problembereiche im Zusammenhang mit Corona und den Samichlausaktivitäten auf. Am Schluss des Abends lag eine riesige Liste vor. «Wir haben selber gestaunt, was da alles zusammenkommt», gibt Wüst zu.
Schon beim Schminken gibt es Probleme
Das fängt schon an beim traditionellen Schminken der Schmutzli und Oberschmutzli (nach wie vor mit Kerze und Korkzapfen) in der Garage des Chappelehofs. Aufgrund der vorgeschriebenen Massnahmen müssten die rund 60 Kinder auf verschiedene Räume verteilt werden. Diese Räume müssten nach jedem Schminken gelüftet und desinfiziert werden. Noch schwieriger erweist sich das Schminken und Ankleiden der Nikoläuse und Diener. Zum einen gehören die Garderobiere und die Schminkfrauen fast alle zur Risikogruppe, zum anderen dürfte das nötige Material nicht mehrfach verwendet werden. Für jeden Diener und jeden Nikolaus müsste ein eigenes Schminkset angeschafft werden. Natürlich müssten auch nach jedem Einsatz die Kleider gewaschen und die Bärte desinfiziert werden. Die Vorbereitungszeit würde enorm verlängert, gleichzeitig dürften die Kinder untereinander keinen Kontakt haben.
Doch selbst wenn all diese Probleme gemeistert werden können – jeder Hausbesuch bei einer Familie birgt ein neues Risiko. «Wer weiss, ob jemand in der Familie das Virus hat. Und wir es dann nicht in die nächste Familie schleppen? Diese Verantwortung können wir nicht übernehmen», sagt Chlausvater Wüst. Kommt dazu, dass vieles wegfallen müsste, was den Nikolaus-Besuch so besonders macht. Das Händeschütteln bei der Begrüssung und der Verabschiedung, die Nähe, die grimmigen Gesichter der Schmutzli, die hinter einer Maske versteckt wären. «Die Besuche haben jeweils etwas fast Magisches», weiss Peter Locher, der Präsident des Vereins Freunde St. Nikolaus, aus eigener Erfahrung. «All dies wäre in diesem Jahr nicht gegeben.»
Zu grosse Verantwortung
Die Unsicherheit ist zudem gross. Die Chlausgesellschaft rechnet damit, dass sich weniger Familien als üblich einen Besuch wünschen. Umgekehrt wird es Familien geben, welche ihre Kinder nicht als Schmutzli mitgehen lassen. «Es gibt einfach ganz viele Unsicherheitsfaktoren», sagt Wüst. Für jeden einzelnen Bereich müsste ein Schutzkonzept entwickelt werden. Auch für die Chlausmesse – momentan dürfen 100 Besucher einen Gottesdienst in der Wohler Kirche besuchen. An der Chlausmesse ist es jeweils ein Mehrfaches, das würde eine Maskenpflicht sowie eine Registrierung notwendig machen. Fazit: Es sind einfach viel zu viele Baustellen, um die man sich kümmern müsste. «Wir haben uns den Entscheid nicht leicht gemacht. Aber wir haben eine Verantwortung gegenüber unseren Mitgliedern, den Schmutzli, Dienern und Samichläusen sowie allen Helfern. Aber auch gegenüber den Besuchern der Messe und des Auszugs und allen Familien, die wir besuchen», erklären Wüst und Locher.
Und diese Verantwortung kann die Gesellschaft nicht übernehmen – auch wenn es schmerzt, ist die Absage der einzig logische Schritt. «Wir machen das alles in unserer Freizeit, wir können all diese Aufgaben und Massnahmen nicht stemmen», betont Wüst. Und auch wenn ihm der Entscheid persönlich nahegeht, so ist er auch ein wenig froh. «Man bekommt ja mit, was rundherum passiert. Ich hätte in den kommenden Wochen nicht mehr ruhig schlafen können», macht Wüst deutlich.
Nächstes Jahr ein Jubiläum feiern
Ganz in den Winterschlaf verfällt der Nikolaus aber nicht. Das Chlausbüro hat sich überlegt, welche Alternativen es gibt. «Wir planen einen Videodreh im Wald. Im Film soll der Nikolaus den Kindern erklären, warum er nicht persönlich vorbeikommen kann. Und er wird ihnen eine Geschichte erzählen, so wie er es bei seinen Besuchen immer macht», berichtet Wüst. Das Video soll in den kommenden Wochen produziert werden und wird dann auf der Homepage der Chlausgesellschaft aufgeschaltet. Familien, welche letztes Jahr bereits einen Besuch bestellt hatten, werden zudem per Brief über diese Möglichkeit informiert. Informiert wurden auch bereits alle Vereinsmitglieder. Und zumindest etwas Positives können Röfe Wüst und Peter Locher doch noch verkünden. Im kommenden Jahr feiert man wieder ein Jubiläum. Und das bedeutet, dass wohl auch das Chlaushüsli wieder aufgestellt wird. Falls es dann wieder erlaubt ist.



