Das Ende der Schulpflege
29.09.2020 WohlenNicht überaus deutlich, aber das Aargauer Stimmvolk hat entschieden, dass die Schulpflegen Ende 2021 abgeschafft werden. Der Wohler Franco Corsiglia, Präsident des Verbandes Aargauischen Schulpfiegepräsidenten, ist natürlich enttäuscht.
Nicht überaus deutlich, aber das Aargauer Stimmvolk hat entschieden, dass die Schulpflegen Ende 2021 abgeschafft werden. Der Wohler Franco Corsiglia, Präsident des Verbandes Aargauischen Schulpfiegepräsidenten, ist natürlich enttäuscht.
«Kämpften gegen eine Übermacht»
Interview mit Franco Corsiglia, Präsident des Verbandes Aargauer Schulpflegepräsidenten
Das Aargauer Volk hat entschieden: Die Schulpflegen werden abgeschafft. Sehr zum Leidwesen von Franco Corsiglia. Der höchste kantonale Schulpfleger weist darauf hin, dass nun in der Übergangszeit Chancen und Risiken analysiert werden müssen.
Daniel Marti
Im Kanton wurden die beiden Vorlagen mit 56 beziehungsweise 57 Prozent angenommen und somit das Ende der Schulpflege besiegelt. Wie sieht Ihre Analyse des Resultates aus? Oder kämpfte man gegen eine Übermacht?
Franco Corsiglia: In Anbetracht dessen, dass der Grossrat mit einer so deutlichen Mehrheit und der Regierungsrat für die Abschaffung eingestanden sind und dass die Gemeindeammännervereinigung die Schulpflege unbedingt weghaben wollte, kämpfte der Verband Aargauer Schulpflegepräsidenten wohl effektiv gegen eine Übermacht. In Anbetracht dieser Ausgangslage erachte ich das Ergebnis mit einem Ja-Anteil mit 57 Prozent zwar klar, jedoch nicht als berauschend. Aufgrund der vielen Podien, Informationsveranstaltungen und Gespräche habe ich ein knappes Resultat erwartet. Dass die Abschaffung schliesslich beschlossen wurde, habe ich nicht zwingend erwartet. Doch es hat mich auch nicht überrascht.
Die Gegnerschaft mit Ihnen an der Spitze warnte vor dem Demokratieabbau. Eigentlich ein starkes Argument. Sind Sie mit diesem Argument zu wenig stark durchgedrungen?
Dies ist schwierig zu sagen. Wir bleiben bei dieser Aussage, weil es nun effektiv einen Demokratieabbau geben wird, da der Stimmbürger ab Ende 2021 die Schulbehörde nicht mehr wählen darf und auch nichts dazu sagen kann, wer im Gemeinderat die Schulbelange steuern soll. Ob es genau dieses Argument war, mit welchem wir zu wenig durchgedrungen sind, ist sehr schwierig zu beurteilen.
Im Bezirk Bremgarten stimmten knapp 51,6 Prozent für die Vorlage und fünf Gemeinden – Dottikon, Hägglingen, Islisberg, Tägerig, Villmergen – dagegen. Ist das wenigstens ein kleines Trostpflaster?
Es ist natürlich kein Trostpflaster, aber es zeigt doch auf, dass die Abschaffung auf keinen Fall so klar war, wie dies die Befürworter oft zu glauben schienen. Dies zeigte auch die Feststellung des Bildungsdirektors, der selber über das Ergebnis erstaunt war.
In Wohlen stimmten knapp 52 Prozent für die Vorlage. 48 Prozent für den Erhalt der Schulpflege. Ist dieser Wert wenigstens ein gutes Zeugnis für die bestehende Schulpflege?
Das gesamtkantonale Ergebnis stellt den Schulpflegen eigentlich ein gutes Zeugnis aus. Ich denke, dies trifft, wenn man die Stimmendifferenz in Wohlen betrachtet, so auch für die Schulpflege Wohlen zu. Es zeigt auch auf, dass sowohl der Verband Aargauer Schulpflegepräsidenten als auch das Gegenkomitee einen fairen Abstimmungskampf geführt und einen guten Job gemacht haben. Was schliesslich effektiv dazu geführt hat, diesen nicht gewonnen zu haben, ist schwierig zu beurteilen.
Jetzt folgt die Übergangszeit, für Sie gleich doppelt. Als Präsident des Verbandes Aargauischer Schulpflegepräsidenten und als Präsident der Schulpflege Wohlen. Wie sieht hier die Übergangsarbeit aus?
Ja, die Übergangszeit hat heute begonnen und der Fahrplan ist auf jeden Fall für alle sehr sportlich. Auf der Ebene des Verbands Aargauer Schulpflegepräsidenten findet am 31. Oktober eine ausserordentliche Generalversammlung statt. Hier werden wir kurz zurückblicken und mit den Präsidien im Besonderen die weiteren Schritte anschauen. Seitens des Kantons sollen ja nun umgehend entsprechende Angebote laufen, welche die Überführung unterstützen und begleiten sollen. Sicher ist, dass die Schulpflege noch bis am 31. Dezember 2021 im Amt ist und diese Zeit nutzen wird, laufende Projekte und Arbeiten abzuschliessen – im Besonderen mit den Schulleitungen auch die neue Ausgangslage sowie künftige Chancen als auch Risiken anzuschauen und allenfalls notwendige Schritte einzuleiten.
Und wie sieht das in Wohlen aus?
Inwiefern der Gemeinderat an einer Unterstützung durch die Schulpflege interessiert ist, wird sich zeigen.
Ab 2022 gibt es im Gemeinderat ein Ressort Volksschule. Das wäre doch etwas für diverse jetzige Mitglieder der Schulpflege, so könnte ganz viel Wissen transportiert werden. Ist eine Gemeinderatskandidatur eines Schulpflegemitglieds allenfalls auch ein Thema? Oder werden Sie jemanden dabei unterstützen?
Hierzu kann ich im Moment nur für mich persönlich sprechen und für mich stellt sich die Frage einer Gemeinderatskandidatur sicher nicht. Ich zog 2001 meine bereits eingereichte Einwohnerratskandidatur zugunsten einer Schulpflegekandidatur zurück. Dabei entwickelte ich mich zu einem Vollblutschulpfleger, dessen Aufgabe nun per 31. Dezember 2021 nach 20 Jahren beziehungsweise fünf Amtsperioden und acht Jahren Kantonalpräsidium enden wird. Sollte ein Mitglied der aktuell amtierenden Schulpflege solche Ambitionen hegen, würde ich dieses sicher unterstützen. Eigentlich habe ich noch ein ganz anderes Anliegen.
Nur zu, welches Anliegen haben Sie denn?
Der Schulpflege Wohlen ist und wird es ein grosses Anliegen sein, einen im Besonderen für die Schulleitungen und speziell auch die Lehrpersonen guten Übergang mitgestalten zu können. Dies wird schliesslich in Zusammenarbeit mit den Schulleitungen und dem Gemeinderat erfolgen müssen. Die Abschaffung der Schulpflege erfolgte bekanntlich unter dem Titel «Optimierung der Führungsstrukturen». Nun darf man gespannt sein, was darunter verstanden wird. Denn Führungsstrukturen zu verändern, umzuorganisieren und dem Gemeinderat und/oder den Schulleitungen mehr Kompetenzen und auch Macht zu geben, das ist das eine, dabei jedoch im Besonderen darauf zu achten, dass es vor allem auch für die wirklich tragende Säule einer Schule – nämlich die Lehrpersonen – schliesslich eine spürbare Optimierung gibt, ist das andere. Ich vertrat nie die Meinung, dass ein Gemeinderat eine Schule strategisch nicht führen kann. Doch es wird für diesen wohl nicht ganz so einfach zu erkennen und zu akzeptieren sein, dass die Führung einer Schule in keiner Art und Weise mit der Führung einer sonstigen Abteilung innerhalb der Gemeindeverwaltung vergleichbar ist.