«Scheue keine Herausforderung»
24.07.2020 Region UnterfreiamtSommerserie «Starke Frauen»: Christina Daletska aus Sarmenstorf
Die klassische Sängerin Christina Daletska hat es in sich: Sie ist talentiert und stets offen für Neues. Auch als Profi nutzt sie jede Gelegenheit, neue Perspektiven zu gewinnen. ...
Sommerserie «Starke Frauen»: Christina Daletska aus Sarmenstorf
Die klassische Sängerin Christina Daletska hat es in sich: Sie ist talentiert und stets offen für Neues. Auch als Profi nutzt sie jede Gelegenheit, neue Perspektiven zu gewinnen.
Celeste Blanc
Seit ihrer Kindheit steht die Sängerin auf der Bühne. Trotz langjähriger Gesangs- und Bühnenerfahrung lässt sie es sich nicht nehmen, nach wie vor neue Erfahrungen zu machen. So zuletzt während Corona, als sie für das Kunstfestival «Festspiele Zürich» im Juni nicht auf der Bühne, sondern plötzlich für ein filmisches Essay vor der Kamera stand. «Es war eine spezielle Situation. Man steht jahrelang auf der Bühne und kennt den Ablauf – vor der Kamera hingegen musste ich lernen, loszulassen und mich hinzugeben», lacht sie.
Ausserhalb der Komfortzone
Daletska lotet ihre Grenzen immer wieder aufs Neue aus. So beispielsweise vor ein paar Jahren, als sie einen Auftrag als Sopranstimme annahm. «Es war ein sehr schwieriges Stück. Extrem hoch und ausserhalb meiner eigentlichen gesanglichen Komfortzone», erinnert sie sich zurück. Ihr wurde sogar von ihrer Agentin geraten, dieses Stück nicht zu singen. «Ich aber scheue keine Herausforderung. Und heute zählt dieses Stück zu meinen absoluten Lieblingswerken», so Daletska.
Dass die Sängerin für ihre Vorführungen in ganz Europa unterwegs ist, stelllt für sie kein Problem dar. Sie fühlt sich schnell an einem Ort zu Hause. «Ich bin eine Weltenbummlerin, die aus dem Koffer lebt», lacht sie. Seit 2012 lebt Daletska in Sarmenstorf. Vor allem die Nähe zum See hat es ihr angetan. «Am 8. März war ich das erste Mal bei 5,9 Grad schwimmen», zwinkert sie. Wenn sie nicht gerade beruflich unterwegs ist, wandert sie gerne in den Bergen. Durch Corona konnte sie diesem Hobby vermehrt nachgehen. «Zurzeit versuche ich herauszufinden, wie ich solche Ausflüge in die Berge mit meiner Arbeit verbinden kann», so die 35-Jährige. Sie ist dankbar, dass sie sich trotz ihres stressigen Alltags als klassische Sängerin und Aktivistin bei Amnesty International solche Momente für sich erlauben kann.
Voller Tatkraft und Leidenschaft
Sommerserie «Starke Frauen»: Die klassische Sängerin und politisch engagierte Christina Daletska aus Sarmenstorf
Mit zehn Jahren an der Royal Academy in London als Violinistin, mit 19 Jahren dann der erste Auftritt als klassische Sängerin: Christina Daletska ist in der Welt der klassischen Musik zu Hause und europaweit bekannt. Doch dem nicht genug – seit sieben Jahren setzt sie sich international für die Menschenrechte ein.
Celeste Blanc
Die Ukrainerin Christina Daletska hat das geschafft, wovon viele Musiker träumen: Sie darf in Madrid, Paris, Wien oder im Opernhaus Zürich auf der grossen Bühne vor begeistertem Publikum ihr Talent zum Besten geben.
Bereits im Alter von sieben Jahren stand sie zum ersten Mal als Solistin auf der Bühne von Lemberg, Ukraine. Dank dem Einsatz ihrer Mutter genoss sie eine hervorragende musikalische Ausbildung. «Meine Mutter war selbst Geigerin und ein echter Star in unserer Heimatstadt», erzählt die Sängerin, die seit 2012 in Sarmenstorf wohnt. Doch nicht nur die Musik, sondern auch der Einsatz für die Menschenrechte sind der 35-jährigen enorm wichtig. Seit 2013 ist sie offizielle Botschafterin von Amnesty International Schweiz.
Keine Kindheit
Der Weg zur klassischen Sängerin war kein einfacher. Seit jüngster Kindheit bestand ihr Alltag vorwiegend aus Übungsstunden an der Geige. «Meine Mutter wünschte sich, dass ich wie sie Geige spiele. Schnell merkte ich aber, dass das nicht mein Instrument ist», lacht Daletska. Dennoch profilierte sich die talentierte Frau damals auch an der Violine. So durfte sie mit zehn Jahren als Violinistin ein Violinkonzert von Bach an der Royal Academy in London spielen. Der unglaubliche Erfolg hatte aber auch seine Schattenseite. «Ich bin jeden Tag dankbar, diesen Weg gegangen zu sein. Aber es ist auch so, dass ich keine Kindheit hatte», verrät sie. Mit 15 Jahren entschied sie sich dann für Gesang. Nebst dem Mitwirken in zwei verschiedenen Orchestern mit klassisch bekanntem Repertoire absolvierte sie gleichzeitig noch die Schule. So lernte Daletska bereits früh, mit Erwartungsdruck, Belastungen und Stress umzugehen. «Es blieb einfach keine Zeit zum Jammern», zwinkert die sympathische Sängerin.
Selbst- anstatt Generalmanagement
Heute arbeitet Daletska als klassische Sängerin an verschiedensten Projekten, so nebst bei der Oper auch für andere Engagements. «Ich bin sehr flexibel, was die Aufträge angeht. Es hat Vorteile, nicht in einer Schublade zu stecken», weiss sie. Zwar ist sie bei drei Agenturen unter Vertrag, die für sie Aufträge aus ganz Europa einholen, dennoch managt sie ihre Engagements vorwiegend selber. «Es kann vorkommen, dass Agenturen bei der Planung Fehler machen», so die Sängerin. Dann werden beispielsweise Aufträge kurzfristig abgesagt, was Auswirkungen auf die ganze Jahresplanung haben kann. «Hierbei geht es um meinen Lebensunterhalt. Das ist der Grund, weshalb ich mich gegen ein Generalmanagement entschieden habe und lieber alles selber in die Hand nehme», so Daletska.
Weiter kommt erschwerend für die Planung hinzu, dass viele Veranstalter vermehrt die gleichen Zeitfenster im Jahr für ihre Events anpeilen. Somit gibt es in den Monaten Mai und November eine grosse Konzentration von Veranstaltungen, während im Januar und Februar viel weniger Events stattfinden. «Diese Entwicklung ist sehr schade, denn anders könnten die Künstler viel mehr Aufträge wahrnehmen. Findet alles in der gleichen Zeit statt, muss man schwierige Entscheidungen treffen, wo man auftreten will und wo nicht», erzählt sie.
Meditation als Schlüssel
Dies führt weiter zu Situationen, welche die 35-Jährige auch an ihre Grenzen bringen. So auch 2010, als sie in der gleichen Woche abwechselnd für Vorführungen im deutschen Baden-Baden und im österreichischen Graz auf der Bühne stand. Damals pendelte sie jeden Abend hin und her: «Diese Distanz und der enge Zeitplan waren fordernd. Und am Abend muss man dann wieder hundert Prozent für das Publikum geben.»
Für Daletska ist es unvorstellbar, einen Auftrag abzusagen – einerseits möchte sie es nicht missen, mit guten Regisseuren oder Dirigenten zu arbeiten, andererseits besorgen sie die Reaktionen der Veranstalter bei einer Absage. «Bei vielen ist es nicht willkommen, einen Auftrag nicht anzunehmen. Es kann dann durchaus sein, dass man für mehrere Jahre nicht mehr engagiert wird», erzählt sie. Eine Menge Druck also, mit dem es umzugehen gilt. Doch die Sängerin ist die Ruhe in Person. Für sie ist die Arbeit an der inneren Ruhe die beste Investition von Zeit: «Der Schlüssel ist Meditation und Achtsamkeit. Vor allem in der Coronazeit habe ich mich erneut mehr damit auseinandergesetzt.» Auch kann sie beim Schwimmen im Hallwilersee oder beim Wandern in den Bergen abschalten.
Patty Schnyder sei Dank
Vollen Einsatz zeigt Daletska nicht nur in ihrem Beruf, sondern auch im politischen und sozialen Engagement: «Nebst der Musik begleiten mich die Menschenrechte seit meiner Jugend. Ein heimlicher Wunsch war es immer, Jura zu studieren, damit ich mich für diese einsetzen kann.»
Als sie 2012 einen Beitrag der Schweizer Tennisspielerin Patty Schnyder für Amnesty International gelesen hatte, eröffnete sich dadurch ein Weg, sich auch ohne Studium einzusetzen. Im selben Jahr kam sie am Salzburger Festival mit dem Verantwortlichen bei Amnesty International ins Gespräch – zwei Tage später zählte sie zum Team. «Nun habe ich die Möglichkeit, meine zwei Leidenschaften zu vereinen und im Rahmen der klassischen Musik die Menschen über die Missstände in der Welt aufzuklären», schwärmt sie. Seit 2013 ist sie offizielle Botschafterin von Amnesty International Schweiz.
Koordination von Aufklärung
Auch bei diesem Engagement gilt es für Daletska, ihr Organisations- und Managementtalent unter Beweis zu stellen. So koordiniert sie diverse Gesprächsforen, Interviews und Diskussionsrunden, in denen sie Aufklärungsarbeit leistet, und organisiert grosse Werbeaktionen bei Grossveranstaltungen. Ihr bisher schönstes Erlebnis hatte sie vor einem Jahr am Opernhaus Zürich. Sie staunte nicht schlecht, als sie auf der ersten Seite des Abendheftes die riesige Anzeige von Amnesty International sah. Normalerweise erhalten nur die Grosssponsoren solch prominente Plätze. «Ich hatte riesige Freude. Genau solches Entgegenkommen von Veranstaltern bringt den Schneeballeffekt mit sich und das Wissen kommt in Umlauf», so Daletska. Dass sie die klassische Musik mit ihren sozialen Anstrengungen verbinden kann, ist der schönste Teil ihrer Arbeit. Für sie steht fest: «Jede Art von Ungerechtigkeit – vom Sexismus bis hin zur Umweltzerstörung – macht mich wütend. Es darf nicht sein, dass sich im Jahr 2020 noch viele Menschen ihre Rechte erkämpfen müssen.»