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30.06.2020 BremgartenAbstimmung: Mit 51 Prozent Nein lehnen Bremgarter Steuerfusserhöhung und Budget 2020 ab
937 Ja zu 983 Nein: Der vom Stadtrat beantragte Steuerfuss von 97 Prozent (plus drei Prozent gegenüber Vorjahr) hat an der Abstimmungsurne keine Mehrheit gefunden. Vorerst ...
Abstimmung: Mit 51 Prozent Nein lehnen Bremgarter Steuerfusserhöhung und Budget 2020 ab
937 Ja zu 983 Nein: Der vom Stadtrat beantragte Steuerfuss von 97 Prozent (plus drei Prozent gegenüber Vorjahr) hat an der Abstimmungsurne keine Mehrheit gefunden. Vorerst bleibt die Stadt ohne gültiges Budget.
André Widmer
Lediglich 36 Prozent der Stimmbürger haben an der Referendumsabstimmung zur geplanten Steuerfusserhöhung und dem Budget 2020 teilgenommen. Mit den sonntäglichen 937 Ja zu 983 Nein ist der Entscheid der Einwohnergemeindeversammlung vom 12. Dezember letzten Jahres nicht bestätigt worden, wonach der Stadtrat den Steuerfuss von 94 auf 97 Prozent erhöhen wollte. Damals stimmten die Anwesenden noch mit 154 Ja zu 38 Nein zu, worauf ein überparteiliches Komitee das Referendum ergriff.
«Bin sehr erleichtert»
Kein Wunder, herrscht jetzt aufgeräumte Stimmung beim Nein-Komitee. «Es hat sich gezeigt, dass wir referendumsfähig sind», freut sich SVP-Vorstandsmitglied Patrick Fischer. Die Volkspartei hatte sich zusammen mit dem parteilosen Stefan Hausherr im Winter gegen die Steuerfusserhöhung gestemmt, die FDP schloss sich dem Komitee an. Über 800 gültige Unterschriften kamen damals zusammen.
«Für uns ist es klar ein Sparauftrag für den Stadtammann und die Verwaltung. Wir sind nicht der Meinung, dass alles gestoppt werden soll, aber dass haushälterischer umgegangen werden muss. Die Politik ist nicht da, um sich gern zu haben, sondern für das Wohl der Bürger», so Claudio Müller, SVP-Ortsparteipräsident, zum Abstimmungsergebnis. Stefan Hausherr erklärt: «Ich bin sehr erleichtert.» Man sei sich der breiten Allianz der Ja-Seite mit Beteiligung von zwei Grossräten aus Bremgarten bewusst gewesen. «Der Stadtrat muss sich nun hinterfragen beim Budget, wo er sparen kann und wo Einnahmen erhöht werden können.» So beispielsweise bei der Badi, wo die Eintrittstarife zu tief seien. Hausherr vertritt auch den Standpunkt, dass die demokratischen Strukturen in Bremgarten zu hinterfragen sind, da die Einwohnergemeindeversammlung nicht repräsentativ genug sei. Stefan Hausherr zeigte sich dankbar für die erfahrene Unterstützung, auch anlässlich der Beschwerde gegen den Nichtzustandekommensentscheid des Stadtrates. FDP-Präsident Cyril Lilienfeld, ebenfalls im Vorstand des Nein-Komitees, zeigt sich «hoch erfreut» über das Nein, aber gleichzeitig auch «etwas betrübt» in Bezug auf das Ja zu den beiden Kreditvorlagen. «Es ist schon ironisch, den Steuerfuss zu senken, aber weiter unnötige Ausgaben zu tä- tigen.» Allgemein herrscht beim Nein-Komitee die Auffassung, nun sei es auch an der Zeit, bei der Verwaltung die Ausgabenseite genauer zu betrachten.
«Wir haben es begriffen»
Stadtammann Raymond Tellenbach nimmt den Auftrag des Stimmvolkes für die ausserordentliche Gemeindeversammlung, an der Budget 2020 und Steuerfuss vorgelegt werden, natürlich entgegen. «Wir werden mit 94 Prozent kommen, das ist klar, wir haben es begriffen», so Tellenbach. Da die Kreditvorlagen mit zwei klaren Ja angenommen wurden, interpretiere er das dahingehend, dass es um den Steuerfuss gehe. «Es geht nicht ums Sparen, sondern darum, die Kosten im Griff zu haben.» Der Corona-Lockdown habe die Ausgangslage geändert, bemerkte er weiter. Die Einnahmen bei den juristischen Personen für 2020 lassen sich etwa abschätzen. Es sei schon klar, dass nicht alles wie geplant realisiert werden kann. Raymond Tellenbach schätzt, dass für 2020 mit einem Minus in der Höhe von 200 000 bis 300 000 Franken gerechnet werden könnte. Und Stadtamman Raymond Tellenbach empfand die Art und Weise des Abstimmungskampfes mit Angriffen und einer vergifteten Atmosphäre als mühsam.
SP-Präsident Stefan Dietrich vom Ja-Komitee erklärt, dass SVP und FDP nun Bremgarten in eine Sackgasse führen würden. «Das überparteiliche Komitee für das Budget hatte eine erschwerte Ausgangslage, da es immer einfacher ist, gegen Steuererhöhungen zu argumentieren. Offensichtlich konnten wir vielen Bürgern die Folgen eines Nein für uns und unsere Stadt nicht deutlich genug aufzeigen. Es ist bedauerlich, dass Bremgarten weiterhin kein Budget hat und auch der Ausgang Ende August keinesfalls sicher ist.» Auch er betont das Paradox des Nein zur Steuerfusserhöhung bei gleichzeitigem Ja zu den Kreditvorlagen. Jetzt sei das Nein-Komitee in der Pficht, konstruktive und realistische Vorschläge für das Budget einzubringen. «Sie müssen Fakten auf den Tisch legen.» Und Dietrich stellt bezüglich Stadtverwaltung klar: «Ein Stellenabbau liegt für uns nicht drin.»
«Erstaunt sind wir darüber, dass bei einer Stimmbeteiligung von nur rund 36 Prozent das Budget beziehungsweise der Steuerfuss unserer Stadt fast zwei Dritteln der stimmberechtigten Einwohnerinnen und Einwohner offensichtlich egal ist», äussert sich Karin Koch Wick von der CVP. Auch sie wundert sich wegen der Kreditvorlagen. «Der Wille, zu investieren, scheint somit durchaus vorhanden zu sein. Es darf einfach nichts kosten; ein gewisser Widerspruch.»
Leistungs- und Stellenabbau verhindern
Dominik Peter will die GLP bei den Verhandlungen zum neuen Budget einbringen, «um einen Leistungs- sowie Stellenabbau bei der städtischen Verwaltung zu verhindern». Auch er äussert sich dahingehend, dass das Referendumskomitee nun «sinnvolle Antworten» liefern soll, wo eingespart werden könnte. Das Resultat stimme nachdenklich. «Einerseits hat knapp die Hälfte der Stimmbürger das Budget abgelehnt – wohl aufgrund des höheren Steuerfusses –, andererseits werden Investitionen sehr deutlich angenommen. Was will der Bremgarter nun? Mehr Leistung für sein Geld? Und: «Oder bestand die Überlegung, in Corona-Zeiten antizyklisch zu handeln?» Die GLP werde eine Umfrage in der Bevölkerung lancieren, um herauszufnden, wo der Schuh drücke und was Bremgarten besser machen solle, so Peter.