Piraten, Sturm und Corona
19.05.2020 AristauSheila Feuerstein und Roland Stampfli auf dem letzten Kreuzfahrtschiff, während COVID-19 die Welt lahmlegt
Eine Traumreise startete für Sheila Feuerstein und Roland Stampfli aus Aristau Anfang Januar. Die Reise versprach ein Abenteuer zu werden. ...
Sheila Feuerstein und Roland Stampfli auf dem letzten Kreuzfahrtschiff, während COVID-19 die Welt lahmlegt
Eine Traumreise startete für Sheila Feuerstein und Roland Stampfli aus Aristau Anfang Januar. Die Reise versprach ein Abenteuer zu werden. Die beiden schipperten mit dem Kreuzfahrtschiff mitten in die Coronakrise. Eine Odyssee begann. Doch an Bord herrschte noch bis zuletzt eine gewisse «heile Welt».
Sabrina Salm
«Wir freuten uns sehr auf die Weltreise», erzählen Sheila Feuerstein und Roland Stampfli. Beim Ablegen Anfang Januar war die Welt noch eine andere. Vom neuartigen Coronavirus hatten sie noch nicht viel gehört. Höchstens, dass eine neue Lungenkrankheit China auf Trab hielt. Die erste Zeit auf dem Schiff bekamen sie nichts mit. Sie genossen ihre Reise. Waren von Südamerika angetan, überrascht von Chile, beeindruckt von den gut gelaunten und fröhlichen Polynesiern. Sie besuchten die herrlichsten Flecken der Erde. «Und schwammen in den schönsten Lagunen», ergänzt Sheila Feuerstein und meint augenzwinkernd: «Die schönste hiess Muri-Lagune.»
Über Auswirkungen nicht im Klaren
Von den Daheimgebliebenen hörten sie ab und zu etwas von Corona, doch auf dem Schiff war dieses Virus in weiter Ferne. Erst, als sie erstmals bei Aitutaki, Cook-Inseln, nicht anlegen durften, kam COVID-19 langsam ins Gespräch. Doch wie weitreichende Folgen dieses Virus auf ihre Reise noch haben würde, darüber waren sie sich noch nicht im Klaren. «Ich wurde zwar schon ein wenig nachdenklich, als meine Tochter erzählte, dass die Schulen in der Schweiz geschlossen sind», erinnert sich Roland Stampfi.
Die Hälfte ihrer Reise hatten sie schon hinter sich. In Wellington, Neuseeland, waren sie noch auf einem Landgang. Dieser wurde dann in Hobart, der grössten Stadt Tasmaniens, gestrichen. Nur kurz durften wir von Bord gehen, um die Imigration-Massnahmen zu machen. Ihr Kapitän Robert Leotta habe diese verordnet. «Zum Glück», sagen Feuerstein und Stampfi, die seit 14 Jahren ein Paar sind. Ansonsten wäre die Weiterreise wohl noch umständlicher gewesen.
Falschmeldung um Infzierte
Corona hatte nun auch die Kreuzfahrtschiffe und mit ihnen die Aristauer eingeholt. In Sydney ankerten sie im schönen Hafen. Links die Harbour-Bridge, rechts das berühmte Opernhaus. Doch Down Under erkunden? Fehlanzeige. «In Sydney hiess es: Hier ist die Weltreise beendet», erzählt Sheila Feuerstein. «Klar waren wir etwas enttäuscht. Denn Australien war mit ein Grund, warum wir die Reise gemacht haben. Und nun durften wir keinen Fuss auf australischen Boden setzen.» Zwar hätten die Passagiere hier das Kreuzfahrtschiff verlassen können, um mit dem Flugzeug heimzukehren und einige nutzten dies auch. Aber Sheila Feuerstein und Roland Stampfi nicht. Sie blieben auf der MSC Magnifca.
Die Reiseroute änderte sich. Ab nun hiess es, sechs Wochen ununterbrochen auf dem Meer zu sein. Immer mehr Häfen machten dicht. Auch Fremantle in Perth wurde geschlossen und so musste das Schiff ausserhalb des Hafens betankt und mit Lebensmitteln beladen werden. «Es ging das Gerücht um, dass wir 250 Corona-Infzierte an Bord hätten», sagt Roland Stampfi. Doch das stimmte nicht. Die gebürtige Engländerin Sheila Feuerstein hat dann in einem Radiointerview die Richtigstellung des australischen Zeitungsartikels gemeldet. «Bei uns auf dem Schiff gab es zum Glück keine Fälle.» Was ihnen ihr Leben auf hoher See bestimmt erleichtert hat.
Spannende Seetage
Auf dem Schiff wurden die geltenden Hygieneregeln dreimal am Tag durchgegeben. «Und das in fünf Sprachen», lachen die beiden. Einschränkungen gab es für sie aber nicht wirklich. «Es war kein Albtraum. Wir konnten uns gut beschäftigen», so Stampfi. Es gab Bastel-, Tanzoder Filmkurse. Sie konnten Tennis spielen, quizzen und gutes Essen geniessen. «Langweilig wurde es nie.» Roland Stampf li konnte seinen 70. Geburtstag im April auf dem Schiff wohl auch in grösserem Rahmen feiern, als wenn er zu Hause gewesen wäre. Die Schiffsreise war auch ohne Landgänge aufregend. Als Beispiel nennt Sheila Feuerstein die Fahrt durch den Golf von Aden. «Wegen der Piraterie durften wir in der Nacht kein Licht brennen lassen oder auf den Balkon gehen.» Auch die Passage des Suez-Kanals bezeichnet sie als ein Abenteuer. Auf die sieben Meter hohen Wellen wegen eines Sturmes im Mittelmeer hätte sie allerdings verzichten können, meint Feuerstein.
Anstatt am 30. April war die Reise schon am 21. April vorbei. Und nicht wie anfangs geplant in Italien, sondern in Marseille, Frankreich. Von den anfänglich 2200 Passagieren machten noch 1769 Personen die Weltreise zu Ende. Mit einem Car-Konvoi ging die Heimreise weiter. «Es war ein seltsames Gefühl, von Bord zu gehen. Wir verliessen ein Stück heile Welt und kamen in der Coronarealität an», beschreibt Sheila Feuerstein die Ankunft. An die neue Situation mussten sie sich zuerst gewöhnen.
Corona habe ihnen trotz Verkürzung die Reise nicht vermasselt. «Leider haben wir zwar viele Ortschaften verpasst. Aber trotzdem können wir sagen, wir haben die Welt umrundet. Wir haben den Äquator mehrmals gekreuzt und sind eigentlich Zeitreisende.» Denn auf einer Weltreise in diese Richtung verliere man einen Tag. «Und wir hatten es auf dem Kreuzfahrtschiff sehr gut.»