Ohne Druck im Genussmodus
12.05.2020 WohlenEgon Egemann ging an der Regionalen Musikschule Wohlen in den Ruhestand und will musikalisch kreativ bleiben
Nicht ganz 20 Jahre lang unterrichtete Egon Egemann an der Musikschule Wohlen. Er, der Musik-Star mit der Geige. Der gebürtige Österreicher. Nun hat er ...
Egon Egemann ging an der Regionalen Musikschule Wohlen in den Ruhestand und will musikalisch kreativ bleiben
Nicht ganz 20 Jahre lang unterrichtete Egon Egemann an der Musikschule Wohlen. Er, der Musik-Star mit der Geige. Der gebürtige Österreicher. Nun hat er seinen Ruhestand angetreten. Ganz leise, ohne Aufsehen. Trotzdem wird die Musikwelt weiter von ihm hören. Mit seinem Sohn Sascha packt er das nächste musikalische Projekt an.
Daniel Marti
Ganz entspannt sitzt er in seinem privaten Tonstudio. In seinem Reich. In seiner musikalischen Kreativ-Werkstatt. Er tippt auf die Tastatur und lässt hineinhören und -sehen in sein Werk, das am Entstehen ist. Vater und Sohn. Father & Son. Geige und Gitarre. Egon Egemann und Sascha. Das ist die Zukunft, das ist sein nächstes musikalisches Projekt. Diesem Duo will er viel Zeit widmen. Aber ohne Druck, ohne Stress, ohne zeitlichen Horizont. Denn Egon Egemann will auch in die Natur hinaus, auf seine langen Spaziergänge durch den nahen Wald. Geniessen. Abschalten. Und trotzdem an neuen musikalischen Projekten herumstudieren.
Die Liebe führte ihn nach Wohlen
«Ich bin privilegiert, das ist ein wunderschönes Gefühl», sagt er, denn er darf sich neuer Ziele annehmen. Er muss nicht, auch Bühnenpräsenz ist nicht sein erstes Ziel. «Irgendwann gibt es eine CD von Vater und Sohn», erklärt er. Viel weiter nach vorne schauen mag er nicht. «Denn der Spass steht im Vordergrund.»
Egon Egemann hat seit dem 1. Mai auch eine Menge Zeit. Am Tag der Arbeit hat offiziell sein Ruhestand begonnen. Der 1. Mai bedeutet das Ende einer langen Karriere an der Musikschule Wohlen, als Lehrer für Geige. Ende 2001 ist er eingestiegen. Nach seinem Studium in Österreich (Klassik und Jazz) unterrichtete er während rund fünf Jahren in seiner ehemaligen Heimat. Danach fehlte die Zeit dafür. Denn die Bühne war wichtiger. Egon Egemann startete mit seiner musikalischen Lauf bahn durch, feierte reihenweise Erfolge, auch für die Schweiz am Concours Eurovision im Jahr 1990 (siehe Kasten). Die Liebe führte ihn für immer in die Schweiz, nach Wohlen, das auch seine Heimat geworden ist.
Anfänglich unterrichtete er an der Musikschule Wohlen sieben, acht Schülerinnen und Schüler. Den Unterrichtsumfang steigerte er auf bis zu 30 junge Geigenspieler. Anfänglich sei halt die Geige nicht so angesagt gewesen, erinnert er sich. Mit einem Pensum von einem Nachmittag hat er begonnen, dies steigerte er bis zu drei Tage. Eine 100-Prozent-Anstellung stand jedoch nie zur Diskussion, zu wichtig war ihm die eigene Musik, zu wichtig war ihm der Werdegang, solo und mit Bands.
Einstieg in der Krise – Ausstieg in der Krise
Irgendwie gleichen sich die Zeiten, gemeint sind der Start von Egon Egemann an der Musikschule Wohlen und nun sein altersbedingtes Ende. Eingestiegen ist er nach den Terroranschlägen in den USA, nach dem 11. September (9/11), in Pension geht er mitten in der Coronakrise. Die gesamte Welt, die Menschheit ist verunsichert. 2001 und 2020. «Und die Musikindustrie droht den Bach runterzugehen, damals wie heute», sagt er dazu.
Damals machte er sich keine langfristigen Zukunftspläne, die Bühnentätigkeit und die Arbeit als Produzent standen im Vordergrund. Eigentlich immer. «Denn ich habe mich nicht als berufener Musiklehrer gefühlt.» Trotzdem habe er unendlich viele Momente an der Musikschule geniessen können. Vor allem auch dann, wenn er eines der doch eher seltenen Geigetalente entdeckte.
Mittlerweile findet es Egemann interessant, über die Entwicklung zu sinnieren. Es habe ein regelrechter Wandel stattgefunden. Hin zur Digitalisierung. Auch das Streben hin zu Erfolgserlebnissen habe sich verändert, sagt er. «Heute wollen viele Musiker mit möglichst wenig Aufwand viel Erfolg.» Das sei eine Nebenwirkung der Digitalisierung. Vieles veränderte sich in den letzten 20 Jahren, «nicht nur ins Positive». Und das mache sich in der Gesellschaft bemerkbar. «Immer schneller, höher, weiter ist ein Teil des Ganzen geworden.» Er sei ein Gegner «von der Glorifizierung der guten alten Zeiten», fügt er noch an. Andererseits soll man mit der Zeit, mit dem Trend gehen. Denn die Schnelllebigkeit und die Digitalisierung hätten auch Vorteile. «So kann man auch schnell kreativ sein.»
Musikschule – es war eine gute Zeit
Eines hat aber grosse Beständigkeit. Sein Markenzeichen. Sein Instrument. «Geige ist Geige.» Zum Glück habe sich daran nichts geändert. Zum Glück lernt man dieses Instrument nicht im Nu. «Es braucht Jahre und viel Geduld.» Die Geige in die moderne Musik zu transportieren, am Pult zu mischen, braucht noch weiteres Talent. Die reine Handarbeit an der Geige kann da nicht ersetzt werden. «Und von Hand gemacht, ist einfach besser», sagt der Musiker und Produzent. Das gilt für seine Karriere und für die Musikschule.
«Es war eine gute Zeit mit vielen tollen Momenten», bilanziert er über die zwei Jahrzehnte Musikschule. Vor allem die Arbeit mit verschiedenen Ensembles bleibt in spezieller Erinnerung. «Damit haben wir der Musikschule eine gute Präsenz bescheren können.» Und wenn Egon Egemann heute seinen ehemaligen Schülerinnen und Schülern begegnet, geht ihm oft ein Satz durch den Kopf: «Das hat Sinn gemacht. Die jungen Menschen konnten etwas fürs Leben mitnehmen.»
Nun ist Schluss mit Musikschule. «Das war es», sagt er ganz locker. Selbst sein Abgang passt ihm bestens, mitten in der Corona-Zwangspause, ohne grosses Aufsehen, ohne Abschiedsreden. Er habe Glück gehabt, betont er sogar. Glück gehabt, die Entwicklung des Fernunterrichts noch mitbekommen zu haben. «Das war spannend.» Sein letzter Arbeitstag Ende April verging leise, ohne Schule, ohne Unterricht. «Damit kann ich gut leben. Die Pensionierung bedeutet für mich nicht etwa Abstellgleis. Für mich geht das gesamte kreative Umfeld weiter.»
Projekt mit seinem Sohn Sascha ist kein Zufall
Im ersten Moment schaltet er nun in den Genussmodus. Noch mehr Natur, noch ausgeprägtere Spaziergänge im nahen Wald. Und hoffen, dass dieser «Corona-Spuk irgendwann weggeht. «Jetzt habe ich richtig Zeit, alles sacken zu lassen.» Zeit für sich, für seine Familie, für seine eigene Musik. Er kann mit vielen Musikkollegen mitfühlen, dass ihnen diese komische Coronazeit echt zu schaffen macht. «Jetzt ist es für viele Musiker pickelhart», zeigt er Mitgefühl. «Ich hoffe nur, dass alle diese Krise schadlos überstehen.» So vieles sei unklar, es gebe keine Planungssicherheit. Auch in dieser Phase ist Egon Egemann privilegiert. Er steht nicht unter Druck, er muss nicht sofort zurück auf die Bühne.
Deshalb passt das Projekt mit seinem Sohn Sascha jetzt in diese Übergangs- und Schaffensphase. Momentan sei die musikalische Zukunft überschaubar. In der Vergangenheit steckte er viel Aufwand in seine Projekte, tourte durch ganz Europa. Diesen Stress habe er gesehen. Sein Sohn Sascha war in vielen Projekten involviert. «Wir haben miteinander viel erlebt.» Darum sei es kein Zufall, dass das aktuelle Projekt Father & Son heisst. «Wir sind musikalisch miteinander verbunden.» Es gibt erste Stücke, ein Video dazu, einsehbar über die digitalen Kanäle Facebook und Youtube. Irgendwann kommt die CD dazu, irgendwann kann man Father & Son wieder für Auftritte buchen.
Nichts pressiert. Es werde bei ihm keine Entzugserscheinungen geben, versichert Egon Egemann. Und wie sieht es mit dem Applaus aus, den die Künstler auch benötigen? «Ich hatte in meiner Karriere bisher extrem viel Applaus, ich kann deshalb momentan gut ohne Beifall leben.» Aber wenn es in ferner Zukunft wieder Applaus geben sollte, dann nimmt Egon Egemann diese besondere Künstler-Währung gerne an. «Wenn es dann wieder Applaus gibt, dann werde ich diesen sehr gerne geniessen.»
Vielseitige Karriere
Weisser Anzug, weisse Geige. Das ist ein Bild, das zwar lange her ist, aber es gehört einfach zu Egon Egemann und zu seiner Karriere. 1990 vertrat er die Schweiz in Zagreb am Concours Eurovision mit dem Stück «Musik klingt in die Welt hinaus». Er holte damit für die Schweiz den guten elften Rang.
Zu jenem Zeitpunkt war seine Karriere längstens lanciert. Auch als zwischenzeitliches Mitglied der österreichischen Schlagergruppe «Die Paldauer». «Ein Lied für dich», so heisst ein Album mit Egemann und den Paldauern. Etliche internationale Fernsehauftritte waren zudem ein Sprungbrett für seine Karriere. Ab dem Jahr 2003 nahm die Familie mehr Platz ein in seiner musikalischen Laufbahn. «Two Generations» ist ein Familienprodukt. Mit junger und frischer Musik mit keltischen Tönen und irischem Rock erlebte Egemann mit seinen Kindern manchen Erfolg. Mit der Formation Mad Manoush bewies er seine Vielseitigkeit. Mit Mad Manoush spielte er Gypsy, Jazz und Rock. Ein Auftritt am Jazzfestival Montreux war einer der vielen Höhepunkte. Nun folgt das Projekt Father & Son.