«Lassen uns nicht ausbremsen»
28.04.2020 Wohlen«Judo goes Orient»: Team verschiebt nach Rallye-Absage Hilfslieferung in den Sommer
Mit gleich drei Anhängern voller Kisten und drei vollbepackten Dachträgern wollte das Team im Rahmen der Europa-Orient-Rallye Hilfsgüter nach Rumänien und ...
«Judo goes Orient»: Team verschiebt nach Rallye-Absage Hilfslieferung in den Sommer
Mit gleich drei Anhängern voller Kisten und drei vollbepackten Dachträgern wollte das Team im Rahmen der Europa-Orient-Rallye Hilfsgüter nach Rumänien und Bulgarien bringen. Jetzt wurde der Event abgesagt. Doch die Wohler Judokas haben einen Plan B entwickelt.
Chregi Hansen
Am 9. Mai wäre es losgegangen. Von Deutschland über den Balkan, Istanbul, Ankara, Anatolien bis nach Jordanien. Rund drei Wochen wären die 111 Teams unterwegs gewesen. In alten Autos, abseits der Autobahnen. Quer durch 14 Länder.
Angesichts der jetzigen Situation ein unmögliches Unterfangen. Vor einer Woche folgte der Entscheid – die Rallye wird aufs nächste Jahr verschoben. Betroffen davon ist auch das Wohler Team «Judo goes Orient». Im Freiamt nahm man den Entscheid einigermassen gelassen. «Uns war eigentlich schon länger klar, dass diese Rallye wohl nicht stattfindet. Wir arbeiteten darum bereits vor der Absage an einem Plan B», erklärt Teamcaptain Andreas Schmid.
Ohne persönlichen Kontakt macht es wenig Spass
«Wir sind enttäuscht, aber nicht erschüttert», fügt Kollege Roger Hofer an. Und Philipp Schmid sieht sogar das Positive. «Wir haben jetzt die Chance, uns noch besser auf das nächste Jahr vorzubereiten», sagt er. Denn dass die Wohler im kommenden Frühling wieder dabei sind, das war schnell klar. «Jeder musste für sich selber überlegen, ob er nochmals mitmacht. Aber Stand jetzt sind alle sechs wieder dabei», sagt der Captain. Und das wundert ihn nicht. «Wir sind ein gutes Team, haben schon viel erreicht bisher.»
Für die Verschiebung haben die Judokas grosses Verständnis. «Selbst wenn die Grenzen offen wären: In der jetzigen Situation durch diese Länder zu fahren, das wäre nicht das Gleiche», ist Hofer überzeugt. Denn den Wohlern geht es nicht um Spass oder gar den Sieg, sondern in erster Linie um das Kennenlernen fremder Menschen und Kulturen. Und um eine soziale Mission. Wie schon bei der ersten Teilnahme vor vier Jahren hat das Team «Judo goes Orient» in den letzten Monaten ganz viel Hilfsmaterial gesammelt, das es auf dem Weg nach Jordanien in Bulgarien und Rumänien abladen wollte. Die entsprechenden Kinder- und Waisenhäuser sind jetzt aber abgeriegelt, eine Übergabe nur schwer möglich. «Einfach Material abladen ohne den persönlichen Kontakt, das wäre nicht das Gleiche», sagt Schmid. Immerhin: Die Suppenküche, für welche das Team Geld gesammelt hat und die grosszügig vom STV Besenbüren unterstützt wurde, konnte den neuen Bus bereits in Betrieb nehmen. «Wir sind ständig in Kontakt mit den beiden Institutionen. Es geht ihnen den Umständen entsprechend einigermassen gut», macht Andreas Schmid deutlich.
Hilfslieferung noch dieses Jahr
Weil das Team auf mehreren Tonnen Hilfsmaterial sitzt, greift eben Plan B. Damit die Institutionen nicht bis nächstes Jahr auf Hilfe warten müssen, fahren die Judokas schon diesen Sommer privat in die beiden Länder. «Wir lassen uns von Corona nicht ausbremsen», macht Hofer deutlich. Vom 26. Juli bis 4. August soll die Reise stattfinden – wenn es dann schon möglich ist. Dafür opfern alle Judokas ihre Ferien. «Unser Plan ist es, möglichst direkt nach Rumänien und Bulgarien zu fahren und uns dann auf dem Rückweg etwas Zeit zu lassen und die Landschaft zu geniessen», erklärt Joél Berger.
«Dass wird diese Sachen liefern, sind wir auch all denen schuldig, die uns so grosszügig unterstützen», betont Berger. Im Moment ist man mit der Organisation der Reise beschäftigt. Die drei Anhänger und alles Material – kistenweise Spielsachen, Schulmaterial, Kleider, Lebensmittel und vieles mehr – sollen in Osteuropa bleiben. Die drei Autos, die normalerweise am Rallye-Ziel verwertet werden, kehren zurück in die Schweiz und kommen nächstes Jahr nochmals zum Einsatz. «Jetzt hat sich das Vorführen wenigstens gelohnt», lacht Lukas Küchler. Kleine Anekdote: Das letzte der drei Fahrzeuge bestand die MFK am letzten Tag, als das Strassenverkehrsamt noch offen war.
Und was passiert nächstes Jahr?
Falls die Reise im August noch nicht möglich ist, soll sie im Herbst erfolgen. Im nächsten Jahr will das Team «Judo goes Orient» dann nur die Rallye fahren – ohne zusätzliches Hilfsprojekt. «Dafür fahren wir dann um den Sieg mit», lacht Philipp Schmid. Zeit genug, sich darauf vorzubereiten, haben die sechs ja. Allerdings: «So, wie ich uns kenne, schmieden wir bereits auf der Reise im Sommer erste Pläne für ein neues Hilfsprojekt», fügt Hofer an. Denn einfach nur zum Spass fahren, das sei einfach nicht ihr Ding. «Es ist enorm, welche Dynamik ein solches Projekt entwickelt», sagt Andreas Schmid. «Wir waren bis zur Verschiebung mit Vollgas an der Arbeit, waren bereit für den Start. Nach der Verschiebung haben wir sofort mit Plan B weitergemacht.» Und die Verschiebung habe auch Vorteile. «Wir können uns länger treffen und gemeinsam an einem Ziel arbeiten», sagt Küchler.
Die zusätzliche Zeit möglichst optimal nutzen
Das alte Haus an der Farnbühlstrasse bleibt weiterhin die «Oase» der Wohler Judokas. «Wir haben die Zusicherung des Besitzers, dass wir bis nächsten Frühling bleiben können», freut sich Schmid. Jetzt will man den Ort noch mehr nutzen. In den letzten Tagen wurde ein Gemüsegarten angelegt, weitere Bäume gefällt, der Umschwung verschönert. «Wir planen mehrere Events im Laufe des Sommers, mit denen wir all unseren Supportern danken möchten», so Berger. Und man werde sicher weiter fleissig die Früchte zu Konfitüre und Schnaps verarbeiten, denn diese seien ein Verkaufsschlager. «Uns wird es in den kommenden Monaten sicher nicht langweilig. Und das Team wird noch mehr zusammenwachsen», freut sich Andreas Schmid. «Wir sehen die Verschiebung als Chance, uns noch mehr zu verbessern», fügt Berger an. Und davon werden dann wohl wieder einige soziale Einrichtungen in Osteuropa profitieren. «Für unser Team steht der karitative Aspekt eben im Vordergrund», sagt Roger Hofer zum Schluss.