Leitung in den Boden
28.04.2020 Region BremgartenReusstal: Kanton ist für eine Vollverkabelung
Die Gemeinden wollen, dass die Stromleitung von Niederwil nach Obfelden unterirdisch geführt wird. Nun schliesst sich der Kanton dieser Forderung an.
Kaum je zuvor waren sich die Gemeinden, Verbände ...
Reusstal: Kanton ist für eine Vollverkabelung
Die Gemeinden wollen, dass die Stromleitung von Niederwil nach Obfelden unterirdisch geführt wird. Nun schliesst sich der Kanton dieser Forderung an.
Kaum je zuvor waren sich die Gemeinden, Verbände und Organisationen im Freiamt so einig wie bei der Starkstromleitung von Niederwil nach Obfelden. Sie verlangen, dass diese auf der ganzen Länge unterirdisch verlegt wird – auch über den Wagenrain. Nun schliesst sich der Kanton dieser Forderung an den Bund an. «Ich bin davon ausgegangen, dass der Kanton unsere Anliegen ernst nimmt», sagt Wohlens Ammann Arsène Perroud. «Das ist nun eingetroffen.» --eob
Auch in Bern anklopfen
Im Reusstal freut man sich über die Haltung des Kantons zu einer Verkabelung der Hochspannungsleitung
An die hundert Meter hohe Strommasten? Das will im Reuss- und Bünztal niemand. Nun hat sich auch der Kanton für eine unterirdische Verkabelung der Starkstromleitung ausgesprochen. Entscheiden wird jedoch der Bund. Voraussichtlich Ende Oktober.
Erika Obrist
«Hochspannung in den Boden!» Dafür kämpft der Verein Verträgliche Starkstromleitung Reusstal (VSLR) seit Jahren. Der Verein will, dass die 380-Kilovolt-Leitung von Niederwil nach Obfelden unterirdisch verkabelt wird. Nun scheint sich dieser Einsatz auszuzahlen. Oder wie es Präsident Hans Kneubühler aus Fischbach-Göslikon ausdrückt: «Es braucht unglaublich viel, bis etwas in Bewegung kommt. Und nun bewegt sich etwas.»
Beim Bund, bei dem die Planung liegt, hat sich wenig bewegt seit Beginn des Sachplanverfahrens. Er hat Ende letzten November in Bremgarten informiert, dass der Strom von Niederwil mittels Freileitung über Wohler Gebiet nach Hermetschwil und Rottenschwil transportiert werden soll. Zwischen Rottenschwil und Jonen soll die Reuss unterirdisch mittels Erdkabel gequert werden. Dann weiter mittels Freileitung nach Obfelden.
Verkabelung im Interesse von Bund und Kanton
Der Widerstand im ganzen Freiamt gegen diesen Vorschlag des Bundes war gross. Gemeinden, Verbände, Organisationen, Vereine und Private beteiligten sich an der Anhörung. Mehr als sechzig Stellungnahmen gingen beim Bund ein. Der Tenor: Die Leitung muss auf der ganzen Länge von 17 Kilometern unterirdisch geführt werden.
Diese Haltung vertritt nun auch der Kanton Aargau. Seine Stellungnahme war mit Spannung erwartet worden. Der Kanton spricht sich auch dafür aus, die neue Leitung entlang der bestehenden 220-Kilovolt-Leitungsstrecke zu führen. Den Teilverkabelungsvorschlag des Bundes zur Querung der Reuss lehnt der Kanton ab. «Die Verkabelung auf der ganzen Länge würde aus Sicht des Regierungsrats die Interessen des Bundes, der betroffenen Gemeinden und des kantonalen Richtplans abdecken», hält der Kanton fest. Im Aargauer Richtplan steht nämlich, dass Übertragungsleitungen unterirdisch anzulegen sind, soweit dies technisch und ökologisch sinnvoll sowie finanziell tragbar ist. «Der Regierungsrat hat die Anliegen der Region und der betroffenen Gemeinden aufgenommen», heisst es weiter in der Medienmitteilung.
Zwei Eventualanträge
Allerdings stellt der Kanton auch zwei Eventualvorträge, falls sich der Bund doch gegen eine Verkabelung auf der ganzen Länge ausspricht. Im ersten Antrag möchte er die Leitung nach der Querung der Reuss unterirdisch weiterführen bei Besenbüren und Hermetschwil-Staffeln. Lehnt der Bund auch dies ab, so fordert der Kanton im zweiten Eventualantrag eine Verkabelung zumindest von Niederwil nach Fischbach-Göslikon. Weiter verlangt der Kanton Antworten auf die Fragen, die in einem Gutachten gestellt wurden, das der VSLR in Auftrag gegeben hat.
In Aarau vorstellig geworden
«Sehr erleichtert» ist VSLR-Präsident Hans Kneubühler, dass der Kanton sich nun ebenfalls für eine Verkabelung der Leitung auf der ganzen Länge ausspricht. «Zusammen mit Vorstandsmitglied Ursula Vanal, Wohlens Ammann Arsène Perroud und Niederwils Ammann Walter Koch war ich nach der Generalversammlung im Februar bei Regierungsrat Stephan Attiger», fährt Kneubühler weiter. Sie hätten ihm nochmals die Haltung der Region auseinandergesetzt. «Es war aber nicht zu spüren, ob er persönlich für oder gegen die Verkabelung ist.»
Beim Informationsanlass in Bremgarten Ende November habe er aber gespürt, so Kneubühler weiter, dass der Kanton einer Verkabelung nicht abgeneigt sei. Dass sein «Gspüri» richtig war, freut ihn. Einer Teilverkabelung zwischen Niederwil und Fischbach-Göslikon erteilt er eine Absage. «Das will niemand hier.»
«Ich bin davon ausgegangen, dass der Kanton Aargau die Anliegen der Gemeinden und Regionalplanungsverbände ernst nehmen wird und in seiner Stellungnahme an den Bund entsprechend gewichtet. Das ist nun eingetroffen», sagt Wohlens Gemeindeammann Arsène Perroud. «Er ist sich der Sensibilität des Gebiets bewusst, welches von der Freileitung betroffen wäre. Die massiven Eingriffe in die Landschaft können nicht im Interesse des Kantons sein», so Perroud weiter.
Minimalvariante unabdingbar
Am stärksten betroffen von einer Freileitung wäre Hermetschwil-Staffeln; dort verläuft sie direkt am Siedlungsrand. «Die Stellungnahme des Regierungsrats hat uns, auch in ihrer Deutlichkeit, sehr gefreut», sagt Harald Ronge, Präsident des Forums Hermetschwil. «Wir haben auf diese Reaktion gehofft und freuen uns, dass die Anliegen der Region so ernst genommen werden.» Für das Reusstal und seine Bewohner gebe es nur die Variante Verkabelung auf der ganzen Länge. Sollte dies aber nicht möglich sein, so sei eine Minimallösung mit einer Verkabelung bis Hermetschwil unabdingbar.
Auch Niederwils Ammann Walter Koch freut sich über die Stellungnahme des Kantons. Und fast mehr noch über diejenigen von Gemeinden im Repla-Gebiet, die gar nicht von der Starkstromleitung betroffen sind. «Die ganze Region hat sich solidarisch gezeigt.» Es gehe auch nicht um Niederwil, Fischbach-Göslikon oder Hermetschwil-Staffeln, sondern ums ganze Reusstal. Dann dämpft er die Erwartungen etwas. «Realistisch betrachtet hat der Kanton wenig zu sagen im Sachplanverfahren; die Entscheidung liegt beim Bund.»
Persönliches Gespräch mit Simonetta Sommaruga
Der VSLR möchte auch beim Bund etwas in Bewegung bringen. Er hofft auf ein Treffen mit Bundesrätin Simonetta Sommaruga, in deren Departement das Bundesamt für Energie angesiedelt ist.
«Wir möchten ihr das Anliegen der Region persönlich erklären», sagt Hans Kneubühler. Denn er kann sich nicht vorstellen, «dass sich der Bund politisch über die Köpfe der Region und des Kantons Aargau hinwegsetzt».