Auf der Eroberungswelle
17.04.2020 VillmergenRichnerstutz AG in Villmergen
Es ist eine einfache Säule. Sie misst die Kundenströme automatisch und zeigt an, ob dem Kunden Eintritt ins Geschäft gewährt wird. Oder ob er warten muss, bis es wieder genügend Platz im Lokal hat. In Zeiten von Corona hat die ...
Richnerstutz AG in Villmergen
Es ist eine einfache Säule. Sie misst die Kundenströme automatisch und zeigt an, ob dem Kunden Eintritt ins Geschäft gewährt wird. Oder ob er warten muss, bis es wieder genügend Platz im Lokal hat. In Zeiten von Corona hat die Firma Richnerstutz AG mit dieser Entwicklung im Detailhandel offene Türen eingerannt. Von der Idee bis zur Umsetzung ging es ganz schnell. Nun freut sich das Unternehmen über etliche Anfragen und Bestellungen. Die neuartige Zutrittskontrolle erobert momentan Teile von Europa. Die Anfragen reichen von Portugal bis nach Deutschland. Das Interesse reicht von Israel bis nach Übersee, so CEO André Richner. --dm
«CountMe» misst Kundenströme
Zutrittskontrolle: Die Richnerstutz AG in Villmergen entwickelt neue Lösung für den Detailhandel
Von Deutschland bis nach Portugal, von der Schweiz bis nach Übersee. Die Firma Richnerstutz wird momentan mit Anfragen eingedeckt. Das Villmerger Unternehmen entwickelte eine Neuheit, um die Kundenströme automatisch zu erfassen. Es landete damit einen echten Coup.
Daniel Marti
Die Not macht oft erfinderisch. Dies gilt auch für die Richnerstutz AG in Villmergen. Hart getroffen von der Coronakrise entwickelte das Unternehmen ein neues System, das vor allem dem Detailhandel hilft, die Kundenströme automatisch zu erfassen.
«Ein innovatives Ampelsystem mit dem Namen CountMe setzt die vorgeschriebenen Zutrittskontrollen mühelos und kostengünstig um», schreibt das Unternehmen in einer Medienmitteilung. Um die Verbreitung des Coronoavirus zu reduzieren, hat der Bundesrat bekanntlich den Richtwert von einer Person pro zehn Quadratmetern Verkaufsfläche angeordnet. In der Praxis versuchen sich die betroffenen Unternehmen mit Kontrolldiensten durch eigene Türsteher, Eintrittskarten-Verteilsysteme oder mobile Schranken zu helfen. «Das Resultat ist meist unbefriedigend und kostenintensiv», schreibt Richnerstutz weiter.
Mit «CountMe» hilft die Neuheit aus dem Hause Richnerstutz in einer ersten Phase vor allem dem Detailhandel. In einem zweiten Schritt kann es auch bei sämtlichen öffentlichen Einrichtungen wie zum Beispiel in Restaurants und Museen, aber auch in Bahnhöfen, Flughäfen und Grenzkontrollen zum Einsatz kommen. «CountMe» trägt somit auch dazu bei, das Coronavirus einzudämmen.
Sensor zählt Kunden automatisch
«CountMe» heisst übersetzt «zähl mich». Die Erfindung sieht aus wie eine Willkommenssäule und ähnelt einer Ampel in den Farben Rot und Grün. Und so funktioniert es: Die Säule steht am Ein- und Ausgang des Supermarkts und registriert über einen Sensor die eintretenden Kunden. Ist die definierte Personenmenge im Laden erreicht, leuchtet sie rot. Ist dies noch nicht der Fall, haben die Kunden grünes Licht zum Betreten des Ladenbereichs. Auch das Aufstellen ist leicht.
Die Installation und Programmierung erfolgt in wenigen Minuten über eine App. Zusätzlich zu den «Count-Me»-Säulen produziert Richnerstutz auch die passenden Boden-Aufkleber sowie die für die Kassen notwendigen Spuck-Schutzscheiben.
Innovativ, flexibel, kreativ
«Unserem Leiter für Innovation, Serafino Melloni, ist die Idee im Traum erschienen», erklärt André Richner, Co-CEO der Richnerstutz AG. War es tatsächlich eine Eingabe im Traum? «Ja, praktisch schon», antwortet er, «unser Spezialist hatte eine schlaflose Nacht, studierte an dieser Idee herum und morgens um 5 Uhr teilte er mir das Ganze mit.» Drei Stunden später waren die beiden an der Arbeit. Die Richnerstutz-Truppe befasste sich gleich intensiv mit der Idee. Es wurde gemeinsam «entwickelt und programmiert». Innerhalb des Unternehmens sei das notwendige Know-how, die Technik und das Material vorhanden. «Wir testeten bereits nach einer Woche den Prototyp. Das dauert normalerweise viel länger und ist für viele Unternehmen, nicht nur derzeit, unmöglich», erklärt Richner weiter.
Auch die Richnerstutz AG ist durch das Coronavirus betroffen, für das Personal wurde Kurzarbeit angemeldet. «Umso mehr freut es uns, unseren Beitrag zur besseren Bewältigung zu liefern und unsere Kunden, wo immer möglich, zu unterstützen», so der Geschäftsführer. Richnerstutz stehe eben nicht umsonst für Kreativität, Innovation und Flexibilität.
Präzis und begehrt: Anfragen aus dem In- und Ausland
Die Erfindung schlug ein wie eine kleinere Sensation. «Ich dachte, zumindest die Chinesen kennen dieses Kontrollsystem bereits.» Fehlanzeige. Die Richnerstutz AG ist allen eine Nasenlänge voraus. Das führende Schweizer Unternehmen im Bereich der dreidimensionalen Kommunikation landete einen Volltreffer. Grossverteiler wie Migros oder Lidl wollen «CountMe» unbedingt. Die Kontakte reichen bis nach Israel oder Portugal. Vor allem der Markt in Deutschland ist für Richnerstutz hochinteressant. Richnerstutz betreibt in Deutschland eine Filiale, dies erleichtert vieles.
Die ersten «CountMe»-Säulen sind bereits seit einer Woche in einigen Migros-Genossenschaften im Einsatz. Anfangs sei «CountMe» skeptisch betrachtet worden, so Richner, «mittlerweile respektieren die eintreffenden Kunden die Bedeutung der Zutrittskontrolle». «CountMe» ist präzise und effizient. Und anscheinend begehrt. Richnerstutz liegen Anfragen nicht nur aus Europa, sondern auch aus Übersee vor.
Damit nicht genug: Richnerstutz arbeitet bereits am Rollout der nächsten Sensor-Generation. Bei diesem neuen Hochpräzisionssensor wird die Messgenauigkeit weiter ausgebaut. Daraus lassen sich nicht nur Verhaltensmuster, sondern auch Optimierungspotenziale für die Ladenbetreiber realisieren. «CountMe» könne damit nachhaltiger, wirkungsvoller und längerfristiger eingesetzt werden, so Richner. Und dies auch nach den Zeiten von Corona.
Grosse symbolische Bedeutung vor allem in der Krise
Eines ist bereits sicher: «CountMe» ist zumindest eine Art Teilersatz für die vielen Verluste, welche die Firma in den letzten Monaten einstecken musste. «Der ganze Eventteil ist weggebrochen.» Der März sei noch einigermassen verkraftbar gewesen, der April sei ganz schlecht. Irgendwie sei alles ein wenig surreal, so Richner. Während zwei Drittel der Belegschaft Kurzarbeit hat, ist der «Count-Me»-Teil mehr als ausgelastet.
Letztlich ist die Neuheit im Hause Richnerstutz kein Zufall. «Das passt zu unserer Strategie», betont André Richner. «Wir sind pragmatisch. Und wir machen uns immer Gedanken, wie wir besser werden können.» Deshalb sei «CountMe» nicht «nur» ein weiterer Innovationsschritt, sondern die im eigenen Unternehmen entwickelte Erfindung hat auch eine symbolische Bedeutung, dass sich die Firma eben auch in schwierigen Zeiten behaupten kann. «Das ist eben Richnerstutz», sagt der Firmenchef mit ein wenig Stolz.




