Der Herr der Züge
06.03.2020 WohlenPeter Füglistaler, der Direktor des Bundesamtes für Verkehr, war zu Besuch in seiner Heimat
Er kommt immer wieder gerne zurück nach Wohlen. Natürlich nutzt er dafür den Zug. Und auch wenn er selber davon profitieren würde – ein ...
Peter Füglistaler, der Direktor des Bundesamtes für Verkehr, war zu Besuch in seiner Heimat
Er kommt immer wieder gerne zurück nach Wohlen. Natürlich nutzt er dafür den Zug. Und auch wenn er selber davon profitieren würde – ein Schnellzughalt in Wohlen ist nach Ansicht von Peter Füglistaler auf absehbare Zeit kein Thema. «Das notwendige Potenzial ist nicht vorhanden», erklärt der BAV-Direktor.
Chregi Hansen
Peter Füglistaler ist ein grosser Fan des öffentlichen Verkehrs. Er trägt quasi das Bähnler-Gen in sich. Lange Zeit war er bei den SBB tätig, jetzt ist er als Direktor des Bundesamtes für Verkehr sozusagen deren Aufseher. Und der Wohler stellt dem Schweizer Bahnverkehr ein gutes Zeugnis aus. «Wir sind das Vorzeigeland in Europa», ist er überzeugt.
Genau zu diesem Thema hielt er an der Kanti Wohlen im Rahmen des Europatages einen Workshop. Und nahm sich am Rande der Veranstaltung Zeit für ein grosses Interview. Natürlich wusste er, worauf er sich dabei einlässt. Dass dieses Gespräch irgendwann auf den so sehnlichst gewünschten Schnellzughalt in Wohlen einbiegt. «Mir war klar, dass die Frage kommen würde», erklärt er denn auch lachend, als dieser Moment eintrifft. Und er redet nicht lange um den heissen Brei herum. «Auch wenn das Freiamt das jetzt nicht gern hört: Hier fehlt das nötige Potenzial für einen Anschluss an den Fernverkehr», macht er deutlich. Sprich: Eine grosse Nachfrage zur Rushhour reicht eben nicht. «Schnellzüge müssen im Stundentakt fahren. Und sie müssen selbsttragend sein.»
Dennoch hat Füglistaler auch positive Nachrichten für seine alte Heimat. Das BAV hat nichts dagegen, dass der Freiverlad und der Güterschuppen vom Bahnhofareal verschwinden. «Solche Anlagen mitten im Dorf sind heute nicht mehr zeitgemäss», sagt der BAV-Direktor. Überhaupt zeigt er sich erfreut von der Entwicklung rund um den Bahnhof Wohlen. Er ist noch regelmässig hier zu Besuch und nutzt dazu immer den öffentlichen Verkehr. «Das Angebot ist gut. Nur mit dem Ortsbus bin ich
noch nie gefahren», erzählt er. Auch nicht für den Termin an der Kanti. «Solch kurze Strecken lege ich zu Fuss zurück», lacht er, bevor er zum verspäteten Mittagessen eilt.
«Mehr an die Kunden denken»
Interview mit Peter Füglistaler, dem Direktor des Bundesamts für Verkehr BAV
Er ist in Wohlen aufgewachsen, lebt aber schon lange in Bern. Und mischt an vorderster Front mit, wenn es um den öffentlichen Verkehr geht. Obwohl er vieles lobt, macht er sich Sorgen. «Wir haben eine steigende Nachfrage, wir haben überfüllte Züge. Nun müssen wir handeln», sagt Peter Füglistaler.
Chregi Hansen
Sie sind heute mit dem Zug nach Wohlen gereist. Welchen Eindruck haben Sie vom Bahnhof Wohlen?
Peter Füglistaler: Das Bahnhofgebäude sieht noch gleich aus wie zu meiner Zeit (lacht).
Aber um den Bahnhof herum hat sich doch viel verändert?
Ich beobachte bei jedem Besuch mit Interesse die Fortschritte auf dieser Baustelle. Schliesslich finanziert der Bund dieses Projekt mit.
Gefällt Ihnen, was Sie sehen?
Es ist ein typisches Projekt für die heutige Zeit. In Wohlen entsteht ein Verkehrshub, der Bahnhof wird zur Schnittstelle von Bahn und Bus mit einem Anschluss für den Individualverkehr via Parkhaus. Das ist genau der richtige Weg, so wird das Angebot des öV klar verbessert. Und das nicht nur in den grossen Verkehrsknotenpunkten wie Zürich, Bern oder Basel. Die Stärke der Schweiz ist es, die hohe Qualität des öffentlichen Verkehrs auch in den ländlichen Gebieten aufrechtzuerhalten. Da unterscheiden wir uns ganz klar vom Ausland.
Apropos Ausland: An der Kanti Wohlen haben Sie einen Workshop gehalten zum Thema «Verkehr: Die Schweiz als Vorzeigeland in Europa». Stimmt diese Aussage?
Ich bin heute wie immer mit dem Zug nach Wohlen gekommen. Und alles hat tadellos geklappt, ich war pünktlich hier. Das ist im Ausland nicht überall der Fall.
Wie sehr haben Sie Einblick in den öffentlichen Verkehr anderer Länder?
Ich bin Vertreter der Schweiz im gemischten Ausschuss zum Landverkehrsabkommen. Das ist eines der sieben bilateralen Abkommen, welche die Schweiz mit der EU abgeschlossen hat. In diesem Ausschuss haben wir sehr enge Kontakte mit Vertretern anderer Staaten. In diesem Ausschuss erhalten wir in Sachen Verkehr immer ein positives Feedback.
Also kann das Ausland von uns lernen?
Ich denke schon. Zum Beispiel übernehmen wir neue Vorschriften sehr schnell – nicht, weil dies verlangt wird, sondern weil wir den Nutzen sehen. Und die Schweiz geht oft mutig voraus. Sei es mit dem Neat-Ausbau oder mit dem Verbot lärmiger Güterzüge. Damit zeigen wir den anderen auch, was heute machbar ist.
Sind wir also die Besten?
Wir sind im öffentlichen Verkehr sicher das Vorzeigeland in Europa. Aber: Die anderen Länder holen auf. Gerade in Deutschland wird derzeit viel in das Bahnnetz investiert. Auch Italien hat grosse Fortschritte gemacht auf den Fernverkehrsstrecken. Das Schweizer Niveau hat jedoch noch niemand erreicht.
Die Schweiz mag in vielen Dingen top sein, das gilt aber sicher nicht bei den Preisen im Zugverkehr. Für den Betrag, den ich für eine Fahrt nach Bern bezahle, reise ich locker nach Berlin und unter Umständen gar zurück.
Das ist ein unfairer Vergleich. Die Schweiz ist nicht unbedingt teuer. Ein GA-Besitzer bezahlt lediglich 6 bis 8 Rappen pro Kilometer. Das ist wenig. Regelmässige Passagiere fahren in der Schweiz günstig. Was aber teuer ist, sind Einzelbillette für Passagiere, die nur selten Zug fahren. Genau darum bin ich dafür, Sparbillette mehr zu fördern. Wir müssen für die gelegentlichen Passagiere das Angebot verbessern.
Die Preise sind das eine, das andere ist das unübersichtliche Tarifsystem. Wer von Wohlen nach Zürich will, muss immer schon vorher wissen, ob er über Lenzburg oder Bremgarten fährt.
Das ist tatsächlich eines der wichtigen Themen der Zukunft. Wir haben in der kleinen Schweiz zwei völlig verschiedene Tarifsysteme. Einerseits Preise für Direktverbindungen, andererseits die Zonentarife der Verkehrsverbünde. Und von denen haben wir auch noch eine grosse Zahl. Das macht es für Kunden tatsächlich kompliziert. Wir müssen anfangen, mehr an die Kundinnen und Kunden zu denken. Sie wollen einen einheitlichen Preis – egal, welche Strecke sie fahren. Die Tarifhoheit liegt jedoch bei den Transportunternehmen; da die Interessen zu bündeln, ist nicht einfach.
Es gibt noch einen Unterschied zur EU: Dort haben die Passagiere mehr Rechte.
Das stimmt, und auch da wollen und müssen wir nachziehen. Wie im Flugverkehr gibt es in der EU auch bei den Zügen eine zwingende Rückerstattung bei Verspätungen. Das führen wir schon bald auch bei uns ein, das entsprechende Gesetz wurde bereits verabschiedet. Nun folgt die Verordnung durch den Bund.
Von welchen Beträgen reden wir?
Bei Verspätungen von einer Stunde hat man Anspruch auf 25 Prozent des Fahrpreises, bei zwei Stunden und mehr gar auf 50 Prozent. Ein 5-Franken-Sorry-Gutschein reicht heute einfach nicht mehr, wenn unter Umständen ein ganzer Familienausflug ins Wasser fällt.
Und die Transportunternehmen machen da mit?
Das hat der Bundesrat so entschieden, und jetzt sind sie auch einverstanden (lacht). Aber klar: Freiwillig wäre wohl nichts passiert.
Kürzlich haben Sie in einem Interview erwähnt, dass die Schweiz schlecht gerüstet ist für die steigende Nachfrage. Wie meinen Sie das?
Wir haben heute einen Marktanteil im öffentlichen Verkehr von rund 25 Prozent. Das heisst, der überwiegende Teil des Verkehrs findet nach wie vor auf der Strasse statt. Wenn diese Zahl jetzt massiv ansteigt, haben wir ein Problem. Denn mit dem geplanten Ausbau können wir zwar das normale Verkehrswachstum meistern, aber nicht die zusätzliche Nachfrage durch Umsteiger von Strasse auf Bahn. Kommt dazu, dass solche Ausbauten viel Zeit benötigen. Die Menschen, vor allem die Jugendlichen, wollen aber jetzt Antworten und Lösungen. Von daher müssen wir noch einen Zahn zulegen.
Ist das Umsteigen spürbar?
Kürzlich sagte mir ein Vertreter eines Bahnunternehmens: Wir haben so viele Werbekampagnen lanciert, doch keine hat so viel bewirkt wie der Greta-Effekt. Dieser Effekt ist tatsächlich messbar. Wir haben eine steigende Nachfrage, wir haben überfüllte Züge. Nun müssen wir handeln.
Also müsste man jetzt sofort ein neues Ausbauprogramm lancieren.
Nicht unbedingt. Wir haben in der Schweiz die Tendenz, immer weiter zu planen und dabei die Umsetzung fast zu vergessen. Wir müssen jetzt erst das ausbauen, was das Parlament beschlossen hat. Was wir aber schnell machen können: Wir können die operativen Probleme im Fernverkehr angehen. Damit sind bereits Verbesserungen möglich.
Fernverkehr ist genau das richtige Stichwort. Darf sich das Freiamt Hoffnungen auf einen Schnellzughalt machen?
Mir war klar, dass die Frage kommen würde (lacht). Wir haben die Fernverkehrskonzessionen aber eben erst neu vergeben, und diese sehen keinen Schnellzug für Wohlen vor.
Hat Wohlen einfach zu wenig Gewicht in Bern?
Der Fernverkehr wird durch zwei Aspekte definiert: Er muss eigenwirtschaftlich sein, erhält also keine Subventionen. Und er muss eine Regelmässigkeit besitzen; die Züge müssen also mindestens im Stundentakt fahren. Auch wenn das Freiamt das jetzt nicht gern hört: Hier fehlt das nötige Potenzial, um diese zwei Bedingungen zu erfüllen. Das Freiamt soll sich darum besser auf das konzentrieren, was möglich ist und Sinn ergibt. Das sind die Verbesserung der Taktfrequenz im Regionalverkehr und der Ausbau der Verbindungen nach Zürich. Da lohnt sich ein Engagement, ein Schnellzughalt ist hingegen unrealistisch.
Also hat die ebenfalls geforderte schnelle Verbindung in den Süden auch keine Priorität in Bern.
Nochmals: Es geht nicht um Prioritäten. Es geht primär um die Nachfrage. Der Freizeitverkehr am Wochenende rechtfertigt nicht eine regelmässige Verbindung während der ganzen Woche.
Das bedeutet, durch das Freiamt werden weiterhin vor allem Güterzüge donnern?
Wir müssen in diesem Bereich einen Verfassungsauftrag umsetzen. Die Alpen-Initiative verlangt die Verlagerung der Güter auf die Schiene, der Bau der Neat dient genau diesem Anliegen. Und wir sehen bereits den Erfolg. Der Güterverkehr über den Gotthard konnte von 1,4 Millionen auf unter 1 Million LKWs gesenkt werden. Schauen Sie mal den Brenner an. Der hat derzeit 2,4 Millionen Lastwagen pro Jahr, Tendenz steigend. Der Ausbau des Schienengüterverkehrs ist also wichtig und richtig.
Behindert dieser nicht den ebenfalls nötigen Ausbau des Personenangebots im Freiamt, zum Beispiel den Schnellzughalt?
Noch einmal: Wohlen erreicht die Vorgaben nicht, um Teil des Fernverkehrs zu werden. Das hat nichts mit dem Güterverkehr zu tun. Dass dieser Eindruck im Freiamt entstehen kann, das kann ich sogar ein wenig nachvollziehen. Umso wichtiger ist es, auch in der Region gute Angebote im Bahnverkehr zu machen. Der Ausbau des Regionalverkehrs muss trotz Güterkorridor Platz haben, dessen sind wir uns bewusst.
Sie haben sich in einem anderen Interview mehr Wettbewerb gewünscht? Aber bringt das den Kunden wirklich einen Vorteil? Beispiele im Ausland zeigen, dass sich dann alle Anbieter einfach auf die lukrativen Hauptverkehrsachsen stürzen.
Die Schweiz hat derzeit keinerlei Wettbewerb bei der Bahn, jede Strecke wird nur durch ein Unternehmen bedient. Von daher haben wir sehr monopolistische Strukturen. Manchmal braucht es aber ein Signal an die SBB, damit sie sich wieder mehr anstrengen. Mit der letzten Konzessionserneuerung des Fernverkehrs hat das BAV genau das getan. Dies führte zu grosser Aufregung, aber wir haben jetzt ein besseres Angebot als vorher. Allein die Furcht, dass eine Fernverkehrslinie an die BLS gehen könnte, hat bei den SBB zu einem Umdenken geführt. Richtigen Wettbewerb werden wir zwar auch in Zukunft nicht haben, aber das bestehende Monopol muss immer wieder durchgeschüttelt werden.
Die SBB sind sozusagen ein Staatsbetrieb. Kann ein Privater überhaupt je erfolgreich mitmischen in diesem Bereich?
Ich glaube nicht. Eine Privatisierung des Bahnverkehrs ist auch nicht das Ziel. Wir wollen aber über einen Ideenwettbewerb zu besseren Ergebnissen kommen. Das beste Angebot für die Gotthard-Bergstrecke kam diesmal von der Schweizerischen Südostbahn (SOB). Von dieser neuen Verbindung wird auch das Freiamt profitieren. Auch im Raum Bern mussten sich die SBB verbessern, weil sie durch die BLS einen Konkurrenten bekommen haben.
Fernbusse könnten den Wettbewerb beleben. Wie steht das BAV dazu?
Peter Füglistaler: Man muss unterscheiden. Nationale Fernbusse werden eine Nische bleiben, das haben die bisherigen Versuche gezeigt. Was funktioniert, sind die internationalen Fernbusse, die sind in einem starken Wachstum. Und sie haben durchaus Vorteile: Sie sind kostengünstig, und die Öko-Bilanz ist klar besser, als wenn man den Privatwagen nimmt. Fernbusse sind aber bloss eine Ergänzung. Man sieht heute genau: Dort, wo die Bahn stark ist, gibt es kaum Angebote; diese sind nur dort vorhanden, wo die Bahn schwach ist. Also liegt es an der Bahn, dagegen etwas zu unternehmen.
Könnte das BAV solche Busverbindungen verbieten?
Wir könnten das rechtlich gesehen nur, wenn durch den Betrieb des Fernbusses eine bestehende Bahnlinie existentiell gefährdet ist – so ist es in einem Vertrag mit der europäischen Union festgehalten. Weil dies aber nie der Fall ist, bewilligen wir eigentlich alle internationalen Fernbuslinien. Jeder Anbieter braucht aber eine Bewilligung vom BAV. Von mir unterschrieben. Diese müsste der Fahrer eigentlich immer dabei haben, Sie können ihn das nächste Mal danach fragen (lacht).
Sie sind als Direktor des Bundesamts für Verkehr mittendrin in den politischen Diskussionen. Wie sehr sehen Sie sich selbst als Politiker?
Es ist verpönt, als Amtsdirektor Politik zu machen. Aber natürlich ist jeder Amtsdirektor auch ein politischer Mensch. Das heisst, ich kann mich in Diskussionen einbringen und Vorschläge machen. Entscheidungen fällen müssen aber die Politikerinnen und Politiker. Und das ist gut so.
Sie haben also keine politischen Ambitionen?
Definitiv nicht.
Aber Sie gelten als einer, der sich eine eigene Meinung erlaubt und diese auch äussert?
Das ist Teil meiner Aufgabe. Und ich höre oft, im BAV werde zu viel politisiert. Von unseren rund 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern beschäftigen sich aber nur etwa 20 mit politischen Fragen, alle anderen haben Verwaltungsaufgaben. Zum Beispiel erteilte das BAV die Baubewilligung für den Ausbau des Bahnhof Wohlen – so wie wir für alle baulichen Massnahmen bei Eisenbahnen verantwortlich sind.
Das heisst, die gewünschte Verlegung des Freiverlads und der Abbruch des Güterschuppens in laufen auch über Ihren Tisch.
Sozusagen. Die Führung bei diesem Projekt liegt zwar bei den SBB, aber wir sind für die Finanzierung zuständig. Es gibt zudem ein Konzept Güterverkehrsanlagen, welches durch das BAV erarbeitet wurde. Dieses geht zwar nicht auf jeden Einzelfall ein, gibt aber die Richtung vor. Denn es ist tatsächlich nicht mehr zeitgemäss, dass eine solche Anlage mitten im Dorf liegt. Und es wäre sinnvoll, wenn die BD-Bahn in Zukunft direkt beim Bahnhof einfahren würde.
Das Bundesamt für Verkehr kümmert sich um den öffentlichen Verkehr. Fährt dessen Direktor überhaupt Auto?
Ich besitze seit 30 Jahren kein eigenes Auto mehr, nutze ganz selten das Mobility-Angebot. Aber das fällt mir als Bewohner eines städtischen Gebietes leicht. Würde ich heute noch in Wohlen leben, hätte ich vermutlich auch ein Auto.
Sie leben seit 1993 in Bern. Verfolgen Sie noch, was in Wohlen passiert?
Ich bin nach wie vor Abonnent des WA, und ich lese ihn regelmässig (lacht). Ich habe noch Familie hier in Wohlen, bin also öfters zu Besuch. Ich bin zudem überzeugt: Zu seiner ursprünglichen Heimat behält man immer eine besondere Beziehung.
Schüttelt man in der Grossstadt Bern nicht manchmal den Kopf darüber, welche Probleme die Provinz Wohlen hat?
Erwarten Sie nun tatsächlich einen politischen Kommentar von mir? Ich kann nur so viel sagen: Aus der Ferne betrachtet, macht sich Wohlen viele Probleme selber. Gerade der politische Umgang untereinander ist schon speziell. Das kenne ich vom Bundeshaus her nicht.
Das Verkehrsdepartement war lange Zeit freiämterisch geprägt, mit Bundesrätin Doris Leuthard, mit Generalsekretär Walter Thurnherr, der jetzt Bundeskanzler ist, und mit Ihnen als Direktor des BAV. War das spürbar?
Wir hatten ein gutes Einvernehmen. Menschen, die aus der gleichen Region stammen, haben oft auch ähnliche Werte, die sie vertreten, oder ein ähnliches Verständnis. Aber enge Kontakte gab es zwischen uns eigentlich nie, obwohl Walter und ich ganz in der Nähe aufgewachsen sind. Und Simonetta Sommaruga als neue Departementsvorsteherin ist bekanntlich aus Sins und damit auch eine Freiämterin. Was die Herkunft betrifft, hat sich also nichts verändert.
Aber sonst schon?
Die beiden haben einen sehr unterschiedlichen Stil. Das ist normal.
Haben Sie sich nach dem Rücktritt von Doris Leuthard auch einen Wechsel überlegt?
Natürlich macht man sich Gedanken. Denn die Person des Bundesrates prägt die Kultur in einem Departement sehr stark. Darauf muss man sich einstellen. Umgekehrt ist es bei uns nicht so, dass ein neuer Bundesrat gleich die ganze Departementsspitze auswechselt. Genau das halte ich für eine Stärke des Schweizer Systems. Wir sind es gewohnt, mit unterschiedlichen Menschen zusammenzuarbeiten. Und mir gefällt es immer noch in meinem Amt.
Es wirkt fast so, als hätten Sie Ihren Traumjob gefunden.
Das wirkt nicht nur so, das ist so.
Aber Direktor des Bundesamtes für Verkehr war vermutlich nicht der Wunschberuf des jungen Peter Füglistaler.
Nein, aber es ist das logische Ziel meiner beruflichen Laufbahn. Angefangen habe ich bei der Eidgenössischen Finanzverwaltung, schon da war ich für den öV zuständig. Später war ich bei den SBB, jetzt beim BAV. Man sieht, ich habe eine sehr hohe Identifikation mit dem öffentlichen Verkehr, daher bin ich jetzt am richtigen Ort. Umgekehrt bin ich letztes Jahr 60 geworden, ganz so lange werde ich also nicht mehr Direktor bleiben. Und das ist auch gut so. Alles muss ein Ende haben, auch meine Amtszeit.
Persönlich
Peter Füglistaler, Jahrgang 1959, ist in Wohlen aufgewachsen und hat hier die Schulen besucht. Er machte eine Lehre bei der Bank und studierte später an der Hochschule St. Gallen Volkswirtschaft. Seine berufliche Karriere begann er bei der Finanzverwaltung des Bundes, wo er für die Ausgaben im Bahnverkehr und für die Neat zuständig war. Später wechselte er zu den SBB, wo er ab 2001 Leiter Finanzen und Recht der Infrastruktur sowie Mitglied der Geschäftsleitung wurde. Seit Juni 2010 ist er Direktor des Bundesamtes für Verkehr. Füglistaler lebt heute in Wabern bei Bern.



