Wenn der Moderator verzweifelt
28.02.2020 WohlenEuropatag in der Kanti: Podiumsdebatte mit Schriftsteller Jonas Lüscher und SVP-Nationalrat Andreas Glarner
Eigentlich sollte es auf dem Podium um die Europafrage gehen. Doch schnell drehte sich alles um Migration allgemein und Entwicklungshilfe in Afrika im ...
Europatag in der Kanti: Podiumsdebatte mit Schriftsteller Jonas Lüscher und SVP-Nationalrat Andreas Glarner
Eigentlich sollte es auf dem Podium um die Europafrage gehen. Doch schnell drehte sich alles um Migration allgemein und Entwicklungshilfe in Afrika im Speziellen. Und da prallten zwei komplett gegensätzliche Meinungen aufeinander.
Chregi Hansen
«Ich habe die Hoffnung aufgegeben», meinte Moderator Sebastian Ramspeck mit einem gequälten Lächeln, nachdem sich eine weitere Frage aus den Reihen der Schülerinnen und Schüler um die Entwicklungshilfe drehte. Das eigentliche Thema des Podiums – Europa – war völlig aus dem Fokus geraten.
Immerhin: Mit der Bitte an Andreas Glarner, ein Kanti-eigenes Entwicklungsprojekt für einen Brunnenbau in Kamerun zu unterstützen, wurde ein versöhnlicher Schlusspunkt gesetzt. Dies umso mehr, als der SVP-Politiker diesen Wunsch nicht von vornherein ablehnte, sondern weitere Infos wünschte. «Wir Unternehmer unterstützen viele Projekte. Wir reden nicht unbedingt darüber, wir tun es», betonte Glarner. Und liess sich auf dem Weg zum Parkplatz das Projekt näher erklären.
Positives? Gibt es nicht
Zuvor zeigte sich der Politiker eher unversöhnlich. Seine Haltung zur EU lässt sich in einem Wort zusammenfassen: Unbrauchbar. Gefragt nach etwas Positivem nannte er lediglich den Austritt Grossbritanniens. «Dieses Konstrukt braucht es nicht», ist der Freiämter Politiker überzeugt. Und die Schweiz solle weiterhin den Alleingang wagen. «Es kann nicht sein, dass die reichen Länder die faulen unterstützen.»
Während Glarner in erster Linie wirtschaftlich argumentierte, zählen für EU-Befürworter und Schriftsteller Jonas Lüscher auch andere Werte. «Die EU ist ein Friedensprojekt. Eine so lange Phase ohne Krieg gab es hier noch nie», erklärte der SP-Vertreter. Genau diese Idee stand auch am Anfang der Gründung – Staaten, die wirtschaftlich verknüpft sind, «schlagen sich weniger die Köpfe ein». Das bedeute nicht, dass alles gut sei, was in der EU passiere. «Sie ist fehlerhaft und man müsste viel verändern. Vor allem besteht ein Demokratiedefizit», stellt Lüscher fest.
Schizophrene Haltung
Für Lüscher machen sich Unternehmer wie Glarner unglaubwürdig, wenn sie immer den Alleingang predigen, aber fleissig Handel mit dem Ausland betreiben. Das sei doch schizophren, so der Europa-Befürworter. «Ich mache Geschäfte mit Partnern, nicht mit Ländern», konterte der Präsident der SVP Aargau. Die Schweiz müsse in erster Linie für sich selbst schauen.
«Mein schönstes Amt in meiner Politkarriere war jenes als Gemeindeammann in Oberwil-Lieli. Dort konnte man für einen kleinen, begrenzten Raum frei entscheiden und das Optimum herausholen», fügte er an. Wenn die Schweiz aber der EU beitrete, dann sei man fremden Richtern ausgesetzt und habe im eigenen Land nichts mehr zu sagen. «Das ist einfach falsch. Auch als Ammann in Oberwil-Lieli mussten Sie übergeordnetes Recht beachten. Und auch in Deutschland wählen wir unseren Bürgermeister noch immer selber oder stimmen über Radweg-Projekte ab», konterte der Wahl-Münchner Lüscher.
Trotzdem: Auch für den SP-Mann ist der Beitritt momentan kein Thema. Aber man müsse alles tun, um die jetzigen Beziehungen und Verträge nicht zu gefährden. «Gerade die Jungen schätzen die Möglichkeit, im Ausland zu studieren oder frei zu reisen», betonte er. Glarner hingegen warnte – wenn die Begrenzungsinitiative im Mai abgelehnt werde, dann werde die unkontrollierte Zuwanderung weitergehen. «Und es kommen nicht die Fachkräfte, die wir brauchen. Sondern Menschen, die dann gleich Sozialhilfe beantragen und ihre Familien nachziehen.» Das aber gefährde den Wohlstand der Schweiz und verursache Probleme.
Keiner flieht ohne Grund
Von da an ging es in erster Linie um das Thema Migration und Entwicklungshilfe. Lüscher erinnerte Glarner daran, dass vor nicht allzu langer Zeit viele Europäer aus wirtschaftlichen Gründen ausgewandert sind. So, wie dies heute eben die Afrikaner tun. «Wer seine Heimat verlässt, tut dies nie einfach so. Sondern weil er zu Hause keine Perspektive hat», so Lüscher weiter. Und er appellierte an den sozialen Auftrag der Schweiz. «Wollen wir wirklich alle aufnehmen, die kommen? Dann haben wir bald grosse Probleme in unserem Land», entgegnete der SVP-Politiker. Besser sei es, Hilfe vor Ort anzubieten. «Und das für die wirklich wichtigen Dinge wie Nahrung oder Medizin, und nicht etwa für Kulturprojekte», fügte er an.
Die Diskussion zwischen den Politikern und die Voten der Schüler und Schülerinnen waren zum Teil sehr emotional, die Debatte blieb aber stets fair. Glarner machte das, was er am besten kann: die Diskussion auf das Thema Migration und Asyl lenken. Lüscher wiederum versuchte, die Widersprüche bei der SVP herauszuschälen. Dass vorwiegend unqualifizierte Menschen in die Schweiz kommen, das liege gerade an bürgerlichen Unternehmen, welche billige Arbeitskräfte wollen, meinte er etwa.
Mehrheit gegen EU-Beitritt
Moderator Sebastian Ramspeck, als SRF-Korrespondent in Brüssel ein Experte in Sachen EU, versuchte, die Diskussion wieder zum Thema zurückzuführen. Allein, die Akteure machten ihm einen Strich durch die Rechnung. Immerhin: Am Schluss führte Ramspeck noch eine kleine Umfrage durch. Und siehe da: Eine knappe Mehrheit der Anwesenden sprach sich gegen einen EU-Beitritt der Schweiz aus. Ein Ergebnis, das Glarner natürlich freute. Und ihn vielleicht spendenfreudiger stimmte.