«Inakzeptabel und undemokratisch»
17.01.2020 Hermetschwil-StaffelnForum Hermetschwil-Staffeln lud zur «Stromleitungsversammlung» und sammelt Unterschriften
Dem Ortsteil Staffeln käme die neue Starkststromleitung auf der Strecke Niederwil bis Obfelden am nächsten. Auch deshalb wehren sich die Reusstaler vehement und ...
Forum Hermetschwil-Staffeln lud zur «Stromleitungsversammlung» und sammelt Unterschriften
Dem Ortsteil Staffeln käme die neue Starkststromleitung auf der Strecke Niederwil bis Obfelden am nächsten. Auch deshalb wehren sich die Reusstaler vehement und wollen eine Erdverkabelung auf der gesamten Strecke.
Hans Rechsteiner
«Starkstromleitung wohin? Freileitung oder Erdverkabelung?» – so lautet seit zehn Jahren die Fragestellung im Reusstal. «Die letztlich gewählte Linien- und Ausführung wird das Bild unserer Landschaft für 50 bis 70 Jahre prägen», hob Harald Ronge vom Forum Hermetschwil-Staffeln denn auch an der eigens organisierten Infoveranstaltung diese Woche hervor.
Das Bundesamt für Energie (BFE) und die Swissgrid wollen die Starkstromleitung vom Kernkraftwerk Beznau bis nach Mettlen von heute 220 kV Spannung auf 380 kV ausbauen. Das «Netzprojekt» von Niederwil über den Wagenrain an Staffeln vorbei und unter der Reuss durch, an Jonen vorbei bis Obfelden ist die letzte Etappe. Das BFE legte 2017 sieben Varianten vor und fragte Gemeinden und Verbände nach ihrer Einschätzung. 28 Gemeinden und 13 Verbände beurteilten Variante 5 als beste: gänzliche Unterbodenvariante. Im vergangenen November kam es dann im Casino Bremgarten zum Showdown: Die Expertengruppe BFE präsentierte den perplexen Gemeindevertretern überraschend eine gänzlich neue Variante, einen neuen Netzkorridor. Die Verantwortlichen liessen die empörten Gemeindevertreter wissen, dass es sich da «keineswegs um eine demokratische Angelegenheit» handle, was die Emotionen gänzlich überkochen liess.
In Hermetschwil-Staffeln referierte vor rund 160 Interessierten nun Elektrofachmann Markus Wey, Präsident der örtlichen Elektra. Die Stromversorgung der Zukunft werde vom heutigen Einbahnverkehr auf Gegenumstellen. Strom werde künftig möglichst an Ort und rund um die Uhr produziert und genutzt. Also sei die Notwendigkeit einer solchen «Energie-Autobahn» zu überdenken. Wey zeigte auch einen Vergleich der Strahlungsemissionen zwischen Erdverkabelung und Freileitung auf. Und die Dimensionen der Übergangsbauwerke. Am südlichen Siedlungsrand von Staffeln seien 50 bis 80 Meter hohe Gittermasten zu erwarten.
Bessere Bauweise gefordert
Kiesabbau-Unternehmer Heiri Müller – die bestehende Starkstromleitung führt über ein langes Landstück beim Waldheim, unter dem ein bedeutendes Kiesabbau-Vorhaben aufgegleist ist – beleuchtete das Bauvorhaben aus baulicher Sicht. Es gebe alternative Baupraktiken, die nicht so breite Waldschneisen für den Leitungsbau erfordern. Es bestünden schon lange Ideenstudien, die die Verkabelung unter bestehenden Waldstrassen empfehlen. Mit der «Überkopf bauweise» könne die benötigte Baugrabenbreite auf 8 bis 10 Meter reduziert werden und benötige keine Bauschneise im Wald von 25 bis 30 Metern. «Überkopfbauweise» heisst: Im 50-Meter-Takt, überlappend, werden vorne der Aushub und das Zwischenlager gefahren, dann die zwei Kabelstränge einbetoniert, hinten die Überdeckung samt Waldstrassen-Wiederherstellung ausgeführt. In Riniken sei bewiesen worden, dass dieses System funktioniert, sagte Müller. Hans Kneubühler, Präsident des Vereins «verträgliche Starkstromleitung Reusstal», präsentierte in seinem Argumentenkatalog den Eingabeentwurf des 200 Mitglieder starken Vereins, der die Erdverkabelung der gesamten Strecke durchs Reusstal fordert. Die vorgeschlagene Lösung sei inakzeptabel und undemokratisch, löse das Problem in keiner Weise, verschiebe es nur räumlich. Die allerschlechteste Variante überhaupt. Das BFE selber sage, man müsse Infrastruktur bündeln, hier wolle man mit einer Höchstspannungs-Freileitung durch den Wald. Es gebe kein taugliches Argument gegen die Erdverkabelung.
Sein Verein hat den Argumentenkatalog des BFE von zwei international anerkannten Experten kritisch überprüfen lassen. Die kritische Analyse zeige auch technisch und baulich günstigere Alternativen auf. Er fordert, alternative Verfahren zu prüfen, und fordert eine unabhängige detaillierte Studie. Als Notnagel: Wenn es keine totale Erdverkabelung gebe, seien wenigstens die Korridore detailgenauer auszuarbeiten. Und Forstfachingenieur Toni Bürgi fragte sich: «Was machen Freileitungen mit dem Wald? Was haben sie dort überhaupt verloren?» Die vorliegende sei unter allen Titeln die denkbar schlechteste Korridorvariante: über den Wald im Zickzack über 6 bis 7 Kilometer, über zwölf definierte Naturschutzgebiete im Wald, wolle man den Wald überspannen. Bei einer Baumhöhe von 40 bis 48 Metern seien grosse Mastenhöhen zu erwarten. Das gäbe nachträglich mit Bestimmtheit Niederhaltungs-Servitute. Aus der Sicht der Forstkomissionen sei ganz sicher Widerstand zu erwarten.
Gleich äusserte sich Stadtrat Daniel Sommerhalder. «Variante 5 war diejenige, die wir alle wollen. Jetzt kommen sie mit der schlechtesten, die es gibt: einen dünnen Korridor hart am definierten Siedlungsgebiet.» Für den Stadtrat komme nur die Erdverkabelung infrage. Er überlege sich rechtliche Schritte.
Forum mit Lösungsvorschlägen
Das Forum Hermetschwil-Staffeln fasst zusammen: Auf der ganzen Korridorlänge ist der Ortsteil Staffeln am nächsten bei der geplanten Leitung. Eine Erdverkabelung wäre im freien Gelände realisierbar. Würde eine Freileitung über den Wald geführt, wäre das Erscheinungsbild aufgrund der topografischen Verhältnisse und der extremen Höhe der Masten äusserst störend. Gegenüber der heutigen Freileitung wäre dies optisch eine massive Verschlechterung. Und er schlägt Lösungen vor: Eine zusätzliche Verkabelung Niederwil–Rottenschwil, womit das Umspannbauwerk Niederwil eingespart würde. Und: Das in Rottenschwil vorgesehene Übergangsbauwerk sei ins Gebiet «Spannhölzli» im Ortsteil Staffeln (westlich «Waldheim») zu verlegen oder die Verkabelung soll direkt bis zum Werk in Niederwil geführt werden.