Mit den teuersten Pferden der Welt
31.01.2020 KallernNadine Gut ist Agronomin und arbeitet als Pferdepflegerin – aktuell im Mekka der Vollblüter, in Newmarket
Pferde haben es ihr schon immer angetan. Sie sei ein «Rösslimeitli» gewesen, sagt Nadine Gut. Pferde gehören nach wie vor ganz fest zu ...
Nadine Gut ist Agronomin und arbeitet als Pferdepflegerin – aktuell im Mekka der Vollblüter, in Newmarket
Pferde haben es ihr schon immer angetan. Sie sei ein «Rösslimeitli» gewesen, sagt Nadine Gut. Pferde gehören nach wie vor ganz fest zu ihrem Alltag. Sie kümmert sich um Vollblüter, die im Rennsport eingesetzt werden. Dank ihrem Beruf hat sie schon viel von der Welt gesehen. In der Schweiz in diesem Bereich zu arbeiten, sei fast unmöglich.
Annemarie Keusch
Daran denkt sie manchmal lieber nicht. Besser konzentriert sie sich auf die Arbeit, anstatt dass sie daran denkt, dass sie teilweise über 100 000 Franken an der Hand führt. Nadine Gut arbeitet mit den teuersten Pferden der Welt. Vollblüter sind es, die im Bereich des Galopprennsports eingesetzt werden. Ihnen gilt Nadine Guts Faszination, die sie seit dreieinhalb Jahren zum Beruf machen konnte. «Die Athletik, die Ausstrahlung, die Kraft, die andere Muskulatur.» Sie gerät ins Schwärmen, wenn sie über die Pferde spricht, die sie pflegt.
Ihre Liebe zu den Huftieren begann schon früh. Ein richtiges «Rösslimeitli» sei sie gewesen. Auf dem Bauernhof der Grosseltern verbrachte sie viel Zeit, daheim in Kallern versank sie in Pferdeheften. Und sie besuchte Reitstunden. Dass sie mehr will, merkte Nadine Gut bald. «Obwohl ich niemanden aus dem Rennsport kannte, obwohl ich lange nicht in direkte Berührung mit Vollblütern kam, wusste ich, dass ich mit ihnen arbeiten will.» Grösseres Herz, grössere Lunge – für Höchstleistungen sind die Tiere gezüchtet. «Klar, ich schaue mir ab und zu auch Dressur- oder Springwettkämpfe an», sagt sie. Richtig in den Bann ziehen diese Sportarten sie aber nicht.
Nach Agronomie-Studium in die weite Welt hinaus
Nach der Schule absolvierte die heute 28-Jährige die kaufmännische Ausbildung. «Nach vier Jahren war für mich aber klar, dass das nicht meine berufliche Zukunft ist.» Sie begann in Bern Agronomie zu studieren, mit dem Fokus auf Pferdewissenschaften. Hier wurde ihre Neugier für englische Vollblüter langsam gestillt. So erstaunte es nicht, dass sie diesen Weg nach dem Studium weiterging. Es folgten Stationen in Neuseeland, Japan, Australien, Irland, Deutschland und jetzt in England. «Alle rund sechs Monate zu wechseln, macht das Ganze sehr spannend», sagt sie.
Die gebürtige Kallererin ist jeweils auf Höfen oder Gestüten angestellt und sorgt sich dort um die Fohlen oder um die Jährlinge. «Mit diesen Baby-Pferden zu arbeiten, ist schon sehr süss», meint sie schmunzelnd. In Japan zum Beispiel sei sie im Bereich des «Abfohlens» tätig gewesen. Täglich mussten die jungen Pferde untersucht, auf die Weide gebracht und möglichst schnell an Halfter gewöhnt werden. Zudem lernen sie schon früh den Hufschmied kennen. «Als Pflegerin hat man eine grosse Verantwortung für die kleinen, krankheitsanfälligen Tiere.»
Gewöhnt ans Loslassen
Am meisten beschäftigt sich Nadine Gut aber mit «Jährlingen». So werden die Vollblüter ab ihrem ersten halben Lebensjahr genannt. Nach rund eineinhalb Jahren werden die Jungtiere an einer Auktion verkauft. Das Ziel jedes Züchters ist es, dort einen guten Preis zu erreichen. Und da spielt Nadine Gut eine zentrale Rolle. «Ich sorge dafür, dass die Pferde am Tag X bereit sind.» Heisst, sie übt mit ihnen das Paradieren. «Nicht selten zeigt meine Uhr am Ende des Tages 30 000 Schritte an.» Sie gewöhnt die Tiere daran, Decken zu tragen, ihre Beine bandagiert zu haben oder Zaumzeug zu tragen. Hinzu kommt das Longieren für eine schöne Muskulatur. «Am Schluss sind alle Faktoren entscheidend.»
Abschied nehmen, das gehört mit einer gewissen Regelmässigkeit zu Nadine Guts Leben. Nach wenigen Monaten werden die Pferde, um die sie sich intensiv kümmerte, weiterverkauft. Und nach wenigen Monaten zieht es sie jeweils auch beruflich weiter. «Ich sehe darin mehr Vor- als Nachteile.» Neue Leute, andere Pferde, andere Kulturen, andere Länder. «Das Abschiednehmen fällt mir zwar jeweils nicht leicht, weil es auf jedem Gestüt etwas oder jemanden gibt, den ich vermisse.» Das Loslasen sei aber zur Gewohnheit geworden.
Mindestens alle sechs Monate zu Hause
Anders sieht es aus, wenn sie mindestens alle sechs Monate zu Besuch in der Heimat ist. «Beim Abschied von der Familie fliessen jeweils Tränen. Daran werde ich mich wohl nie gewöhnen», sagt sie. Überhaupt, mit der Heimat Kontakt zu behalten, sei nicht immer einfach – trotz modernen Kommunikationsmitteln. «Mein Freundeskreis ist eher klein. Diesen versuche ich aber so gut wie möglich zu pflegen.»
Der Galopprennsport ist in der Schweiz wenig bekannt. Es gibt wenige Rennen, etwa jene in Aarau oder in St. Moritz. Der breiten Öffentlichkeit sind Spring- oder Dressurreiten weitaus bekannter. «Der Rennsport ist ein eigentliches Business. Amateure oder Leute, die nicht im Rennsport aktiv sind, finden oft keinen Zugang zu dieser Sportart.» Gar nicht vergleichbar sei es mit Privaten, die hobbymässig Pferde halten. «Klar, wir schauen auch so gut zu unseren Pferden, wie es geht, und es entsteht eine enge Bindung. So weit, dass die Besitzer ihre Pferde wie Kinder betrachten, gehe es aber nicht.»
Eigentlich überqualifiziert
Dreckige Hände, körperliche Arbeit, teils lange Arbeitszeiten. Äusserst beliebt ist der Job der Pferdepflegerin nicht. Entsprechend ist der Markt ausgetrocknet und Nadine Gut muss nicht lange suchen, bis sie eine neue Anstellung findet. «Mehr Probleme gibt es teilweise mit einem Arbeitsvisum für gewisse Länder.» Klar ist aber, dass die junge Kallererin mit ihrem Agronomiestudium für den Job als Pferdepflegerin eigentlich überqualifiziert ist, vor allem in europäischen Ländern. «In Australien oder Neuseeland trugen wir mehr Verantwortung, in Europa ist es versicherungstechnisch schwieriger, dass Pferdepfleger zum Beispiel den Tieren Spritzen verabreichen.»
Entsprechend hat Nadine Gut Ziele. Ein eigenes Gestüt oder zumindest die Leitung eines Gestüts wäre ihr Traum. «Aber dafür braucht es ordentlich Startkapital», sagt sie und lacht.