Ferien im Sperrgebiet
31.01.2020 WohlenReto Neeser und Fabienne Reber nehmen im April an der CATrophy teil
Er ist ein Wiederholungstäter. Sie fährt zum ersten Mal mit. Reto Neeser und Freundin Fabienne Reber haben sich für die diesjährige Funrallye angemeldet. Diese führt sie unter ...
Reto Neeser und Fabienne Reber nehmen im April an der CATrophy teil
Er ist ein Wiederholungstäter. Sie fährt zum ersten Mal mit. Reto Neeser und Freundin Fabienne Reber haben sich für die diesjährige Funrallye angemeldet. Diese führt sie unter anderem nach Tschernobyl. «Wir sind gespannt, was uns alles erwartet», sagen sie.
Chregi Hansen
«Eines ist klar: Wer sich an dieser Trophy anmeldet, darf keine Angst haben, sich ab und zu zum Affen zu machen», sagt Reto Neeser. Denn bei dieser Rallye geht es nicht um eine möglichst schnelle Zeit. Auf dem Weg warten viele mehr oder weniger schwierige Aufgaben, die von den Teams gelöst und mit Fotos festgehalten werden müssen.
Mit einem selbst gebastelten Alien-Abwehrhut in einem bestimmten Laden einen Einkauf tätigen, gehört da noch zu den leichteren Aufgaben. «Bei den ersten Teilnehmern finden es die Inhaber noch lustig, bei den letzten sind sie meist nur noch genervt», lacht Neeser. Und er gehörte letztes Jahr meist zu den Schlusslichtern. «Weil wir die Regeln befolgt haben und ohne Navigationsgerät unterwegs waren», wie der 26-Jährige anfügt. Zusammen mit seinem Bruder hat er an der CATrophy 2019 teilgenommen. Ein wunderbares Erlebnis, wie er sagt. Und eines, das er jetzt ein zweites Mal erleben will.
«Radioactive Roulette»
In seinem Team dabei ist diesmal nicht sein Bruder, der in einem anderen Team ist, sondern seine Freundin. «Als ich letztes Jahr die Bilder gesehen habe, war für mich klar: Das will ich auch mal erleben», sagt Fabienne Reber. Neeser selber war vorsichtiger. Er wollte erst wissen, wohin die Trophy in diesem Jahr geht. Denn der vom Wohler Chris Huber seit 2014 jedes Jahr organisierte Event führt die Teilnehmer jeweils an neue Orte. Letztes Jahr war es Südeuropa mit Abstechern nach Mallorca oder Ibiza. In diesem Jahr geht es in den Osten.
«Radioactive Roulette» heisst das Motto – der Name ist Programm. Der Weg führt unter anderem nach St. Petersburg, Moskau und Tschernobyl. «Ich habe schon viel über die dortige Katastrophe gelesen. Ich möchte mit eigenen Augen sehen, wie es heute aussieht», begründet Neeser seine Motivation. «Auch wenn es eine Fun-Rallye ist, so werden wir diesem Ort sicher mit Respekt begegnen», fügt Reber an. Und wie sieht es mit der Angst vor der Strahlung aus? «Die Freude überwiegt die Angst», sagt die 30-Jährige. Beide gehen davon aus, dass der Abstecher in die Sperrzone heute ungefährlich ist.
Die «dicke Berta» ist bereit
Etwas anderes beschäftigt das Paar mehr. Wie werden die Wetterverhältnisse im April im Norden Russlands sein? «Letztes Jahr waren wir in Südeuropa unterwegs, da konnte man abends gemütlich draussen sitzen», erzählt Neeser. In diesem Jahr dürfte es um einiges kühler sein. Zwei Wochen wird das Auto zu ihrem «Hotelzimmer» – sie fahren nicht nur damit, sondern schlafen auch darin. Viel Luxus bleibt da nicht. Denn die CATrophy ist eine Low-Budget-Rallye. Die Autos müssen mindestens 20 Jahre alt sein und dürfen maximal 2000 Franken kosten.
Das Fahrzeug von Reto und Fabienne ist schon Trophy-erfahren. Die «dicke Berta», wie es genannt wird, kam letztes Jahr bereits zum Einsatz. 28 Jahre hat der Chrysler Grand Voyager auf dem Buckel, für 900 Franken haben die Neesers ihn vor zwei Jahren gekauft und umgebaut. «Wir dachten, wir hätten einen guten Kauf gemacht, aber schon, als wir nach dem Kauf zurück nach Wohlen fuhren, ging das Automatikgetriebe kaputt», berichtet Neeser. Gut, versteht die ganze Familie etwas von Autos, die Reparatur war schnell erledigt. «Die ‹dicke Berta› hat ihre Macken, aber sie sollte die Reise problemlos schaffen. Im Notfall holt man sich telefonisch Tipps von Freunden», schaut Neeser voraus. Weil diesmal die Freundin und nicht der Bruder mitfährt, baut er im hinteren Teil ein richtiges Doppelbett ein. «Die Soft-Matratze haben wir schon im Ausverkauf geholt», lacht Reber.
15 Tage, mehr als 8000 Kilometer und 239 Prüfungen warten auf den Rettungssanitäter und die Restaurationsfachfrau, die als Team Flying Dutchmedic an den Start gehen. Was von ihnen verlangt wird, wissen sie nicht. «Das Trophybuch mit den Prüfungen und der genauen Route erhält man erst beim Start», erzählt Neeser. Klar ist, dass es kein Spaziergang wird. Die Organisatoren sprechen selber von einem hohen bis sehr hohen Schwierigkeitsgrad in diesem Jahr und kündigen an, dass diesmal alles anders ist. «Was immer das heisst», lachen die beiden. Doch die Teilnahme soll in erster Linie Spass machen – egal, ob dann alle Prüfungen gemeistert werden oder nicht. «Wir sind vier befreundete Teams, die sich angemeldet haben. Wir werden mehrheitlich zusammen unterwegs sein und uns gegenseitig helfen», berichtet Reber. Und natürlich die gemeinsame Zeit geniessen.
Viele Wiederholungstäter
Und ein Genuss soll es werden. Der Vorteil der Trophy ist es, dass sie die Teilnehmer an Orte führt, an die man sonst nicht kommt. Und an den meisten dieser Orte sind die «Spinner» mit ihren mottogerecht verzierten Fahrzeugen willkommen. «Es gibt viele wunderbare Begegnungen in diesen zwei Wochen», so Neeser, «kein Wunder, melden sich viele gleich wieder an. Obwohl man bei der Ankunft so kaputt ist, dass man eigentlich wieder Ferien braucht.»
Keine Zeit zum Streiten
Derzeit sind die beiden beschäftigt mit Materialeinkauf, Umbau, Sponsorensuche. Am 4. April geht es los für das Wohler Team. Noch bleiben neun Wochen für die Vorbereitung. Theoretisch – denn vorerst steht die Fasnacht an. Eine sehr aktive Zeit für beide. «Ich bin schon froh, wenn wir nicht wie letztes Mal die Hälfte des Materials vergessen», lacht Neeser. Dafür will seine Freundin sorgen. «Ich fahre nicht so gern Auto, aber dafür kann ich besser organisieren», ist sie überzeugt. Vor den vielen Stunden und Tagen gemeinsam im Auto haben sie keine Angst. «Man hat gar keine Zeit zum Streiten, denn man ist immer mit etwas beschäftigt, Karten lesen, Rätsel lösen, Trophybuch nachführen», so Neesers Erfahrung. «Ich kann es kaum erwarten, dass es losgeht», sagt denn auch Reber. So wie sie hat sich wohl noch niemand auf Ferien in Tschernobyl gefreut.
Infos im Facebook unter Team Flying Dutchmedic catrophy.