Immer mehr – bis zur Verdoppelung
31.12.2019 WohlenWohlens anstehender Investitionsschub und ein Vergleich mit dem Finanzplan vor zehn Jahren
Das politische Jahr 2019 in Wohlen wurde von zwei Zahlen beherrscht: 115 Prozent und 140 Millionen Franken. Der neuer liche Versuch, den Steuerfuss um fünf Prozent zu ...
Wohlens anstehender Investitionsschub und ein Vergleich mit dem Finanzplan vor zehn Jahren
Das politische Jahr 2019 in Wohlen wurde von zwei Zahlen beherrscht: 115 Prozent und 140 Millionen Franken. Der neuer liche Versuch, den Steuerfuss um fünf Prozent zu erhöhen, wurde damit begründet, den anstehenden Investitionsschub zu meistern. Und er scheiterte erneut.
Daniel Marti
Die 115 Prozent waren gleich zweimal im Brennpunkt der Diskussionen. Aber im Frühling folgte der Regierungsrat dem Willen des Gemeinderates nicht, er liess die Marke bei 110 Prozent fürs Budget 2019. Und im Herbst verweigerte der Einwohnerrat dem Gemeinderat zweimal die Zustimmung und einigte sich auf 113 Prozent, wobei das Volk im kommenden Februar das letzte Wort haben wird. 115 Prozent, das braucht es einfach, um den anstehenden Investitionsschub der Gemeinde Wohlen einigermassen finanzieren zu können und den Schuldenberg nicht ins Unermessliche steigen lassen zu müssen. Und zwar in den nächsten zehn Jahren. Dies führt der Gemeinderat in seinen Argumentationen immer wieder aus. Diese Diskussionsdebatte in Wohlen rund um den Finanzhaushalt ist allerdings nicht neu.
Investitionsvolumen von 68 auf 140 Millionen Franken
Den Schwerpunkt beim anstehenden Investitionsboom bildet gemäss aktuellem Finanzplan im Zeitraum 2019 – 2029 der Bildungsbereich. 90 Millionen Franken sollen in die Bildung fliessen, 40 Millionen Franken in den Verkehr. Rund 46 Millionen werden dabei für die Erneuerung, die Erweiterung und die Sanierung des Schulzentrums Halde benötigt.
Riesige Summen werden also im Finanzplan 2020–2029 abgebildet. Nur, wie haben sich diese Zahlen entwickelt? Wie sahen beispielsweise die Prognosen vor zehn Jahren aus? Der Finanzplan ist ja ein Führungs- und Steuerungsinstrument. Wie wurde was vor zehn Jahren gesteuert? Ein Blick in den Finanzplan 2009–2013 gibt Auskunft. Damals wurden fünf Jahre betrachtet und sogenannte weitere Jahre, heute umfasst der Finanzplan zehn Jahre.
Das gesamte Investitionsvolumen der Gemeinde Wohlen wurde vor zehn Jahren mit 68,3 Millionen Franken angegeben, dies für die Jahre 2009 bis und mit 2013, inklusive der späteren Jahre. Also knapp die Hälfte der heutigen Hochrechnung. Die beschlossenen Projekte und Neu-Projekte machten damals 44 Millionen Franken aus.
Von da an stieg das prognostizierte Investitionsvolumen stetig an. Von 68 Millionen vor zehn Jahren auf 140 Millionen von heute. Dass der Finanzplan eine finanztechnische Schwarzmalerei ist, muss hier noch erwähnt werden. Meistens werden nur 80 Prozent der aufgeführten Projekte ausgeführt – und erst noch unterschiedlich. Dies beweist ein Blick in den Finanzplan 2009–2013 im Vergleich zu den heutigen Erkenntnissen.
Schulen: Verschoben und sehr viel teurer
Ein paar Stichproben. Die Erneuerung des Halde-Schulzentrums wird voraussichtlich in den nächsten Jahren zum grössten Ausgabenposten der Gemeinde. Im Finanzplan 2009– 2013 waren dafür gerade mal 4,7 Millionen Franken vorgesehen (für Fassaden, Pausenplatz, Sanitäranlagen). 2 Millionen davon waren für die Turnhallen-Sanierung reserviert. Und für 100 000 Franken hätte bereits im Jahr 2010 ein Gesamtprojekt für die Sanierung der Schulanlage erarbeitet werden sollen.
Die Realität – zwar immer noch nicht auf Papier und immer noch nicht an der Öffentlichkeit – sieht heute wesentlich anders aus. Und mindestens zehnmal teurer.
Interessant ist auch das Bild der Sanierung des Schulhauses Junkholz. Vor zehn Jahren waren fürs Gebäude 7 Millionen angedacht in den Jahren 2010 bis 2013. Nun sind es aktuell 7,1 Millionen für die Jahre 2023–2026. Einfach die Zeitachse hat sich um mehr als zehn Jahre verschoben. Oder die Junkholz-Turnhalle hätte einst für 1,5 Millionen Franken im Jahr 2011 saniert werden sollen. Jetzt sind es 4,4 Millionen in den Jahren 2020 bis 2022.
Drastische Entwicklung von Badi, Eisbahn und Bahnhof
Ein weiteres Grossprojekt war die Erneuerung von Eisbahn und Badi. Beide Anlageteile standen Jahrzehnte auf der Liste der dringenden Arbeiten. Für die Badi-Sanierung wurden vor zehn Jahren im Finanzplan 4,5 Millionen eingestellt für die Realisation in den Jahren 2012 und 2013. Und für die Eisfeldsanierung 3 Millionen im gleichen Zeitraum. Im Spätherbst 2018 fand die Einweihung statt. Der Verpflichtungskredit für die Badi-Erneuerung beträgt 11 Millionen, der Gemeindeanteil an die Eishalle 3 Millionen (wobei der Verpflichtungskredit 12,3 Millionen Franken beträgt). Die Kreditabrechnung ist noch ausstehend.
Und noch drei Beispiele aus dem Bereich Verkehr. Im Finanzplan 2009–2013 hatte man den Bahnhof mit 3 Millionen für einen neuen Busbahnhof im Jahr 2012 auf dem Radar. Aktuell ist die 23-Millionen-Baustelle am Laufen. Oder die Nutzenbachstrasse. Vor zehn Jahren ging man davon aus, dass diese bis ins Jahr 2013 saniert sein wird für geschätzte 3,15 Millionen Franken Gemeindeanteil. Heute geht man von Kosten von 6,3 Millionen für Wohlen aus, gebaut wird voraussichtlich zwischen 2020 und 2024.
Finanzpläne sind nicht die ganze Wahrheit
Und abschliessend noch die Zentralstrasse. Die Umsetzung des neuen Gestaltungskonzeptes war ursprünglich in den Jahren 2011 und 2012 angedacht, Kostenpunkt für Wohlen: 1,65 Millionen. Der aktuelle Finanzplan gibt Auskunft: Für 2,7 Millionen ist eine Realisation in den Jahren 2023 bis 2026 möglich. Verzögerung des Baustarts: Zwölf Jahre, sofern alles optimal verläuft. Der Vergleich der Finanzpläne aus den Jahren 2009 und 2019 zeigt eines klar auf: Die Ausgangslage kann sich bei jedem Projekt verändern. Und zwar sehr wesentlich, dies zeigen die aktuellen Grossprojekte. Am deutlichsten Badi, Eisbahn, Bahnhof. Alle drei sind innert zehn Jahren umfangreicher, viel grösser geworden. Und somit viel teurer. Andererseits wurden Projekte, die vor zehn Jahren als wichtig eingestuft wurden, bis heute noch nicht umgesetzt. Stichworte sind hier Turnhallen-Sanierungen, Nutzenbachstrasse, Zentralstrasse.
Oder anders ausgedrückt: Finanzpläne sind oft nur die halbe Wahrheit. Weil sich eben die Kosten drastisch verändern und Verzögerungen bei Projekten von einem ganzen Jahrzehnt auftreten können. Letztlich werden Vorhaben sogar ganz gestrichen oder nicht bewilligt. Oder was in einer minimalen Erneuerung startet, gipfelt in einem Grossprojekt, weil sich eben die Situation wesentlich verändert. Darum wäre es für die Politik wohl empfehlenswert, sich zwar an den Finanzplänen zu orientieren, sich aber nicht mit aller Macht daran zu klammern.