Wohler als Brennmeister
05.11.2019 HägglingenNeu: Maygreen in Hägglingen
Brennen. Einst eine Art Schweizer Kulturgut. Dann wurde es etwas ruhiger, die Anzahl der Brennereien ging zurück. Dies ist kein Grund für Daniel Röthlisberger, sich nicht seiner Leidenschaft zu widmen. Als er von seinem angestammten ...
Neu: Maygreen in Hägglingen
Brennen. Einst eine Art Schweizer Kulturgut. Dann wurde es etwas ruhiger, die Anzahl der Brennereien ging zurück. Dies ist kein Grund für Daniel Röthlisberger, sich nicht seiner Leidenschaft zu widmen. Als er von seinem angestammten Beruf die Nase voll hatte, setzte er seinen Traum um. Der Wohler kaufte sich in Hägglingen an der Unterdorfstrasse das passende Haus und baute seine Brauerei auf. 1300 Arbeitsstunden opferte der 48-Jährige. Nun ist die Maygreen GmbH in Betrieb. --dm
«Dieses Handwerk ist faszinierend»
Der Wohler Daniel Röthlisberger eröffnet in Hägglingen die Brennerei Maygreen GmbH
Es war beinahe ein ewiger Traum. Vor zweieinhalb Jahren wagte sich Daniel Röthlisberger an die Umsetzung. Eine eigene Brennerei sollte es werden – praktisch eine Schnapsidee. Nun sind seine Schnäpse wahre Qualitätsprodukte.
Daniel Marti
«Die Qualität», sagt er, «die steht an erster Stelle. Und an zweiter und dritter Stelle folgt auch die Qualität.» Wenn Daniel Röthlisberger von seiner neuen Brennerei spricht, dann leuchten seine Augen, dann spürt man auch ein wenig Stolz, den er durchaus zur Schau stellen darf. An der Unterdorfstrasse 10 in Hägglingen hat Röthlisberger seinen grossen Traum in die Realität verwandelt. Eine eigene Brennerei. Die Maygreen GmbH ist sein grosser Stolz, seine Leidenschaft, sein Vorzeigeprojekt. Maygreen – angelehnt ans nahe Maiengrün. «Seit einer gefühlten Ewigkeit hatte ich diesen Traum. Dieses alte Handwerk ist einfach faszinierend», betont er.
Die Gewissensfrage war entscheidend
Bei aller Begeisterung für das Brennen und Herstellen von feinen, edlen Tropfen – Daniel Röthlisberger hat sich Zeit gelassen, bis er definitiv ins Brennereigeschäft eingestiegen ist. Zwar kraxelte er schon als Bub lieber auf einem Kirschbaum herum als in die Badi zu gehen, aber bis der Gedanke gereift ist, musste auch er wohl reifer werden. Und dann holte sie ihn ein, diese ewige Gewissensfrage. «Will ich das wirklich noch die nächsten 20 Jahre machen?», fragte er sich im Frühjahr 2017.
Gemeint ist der Preiskampf im Formenbau und Stanzwerkbau. Als technischer Verkäufer hatte er sein «Kampfgebiet» in Asien satt. Der gelernte Werkzeugmacher suchte die grosse Veränderung – die Umsetzung seines Traums. Er stieg im angestammten Beruf aus. Kaufte sich sieben, acht Fachbücher übers Brennen und über die Schnapsdestillation. Learning by doing. Es folgten Kurse an der Landwirtschaftlichen Schule. Heute ist er Master Distiller mit eigener Brennerei.
Kunden von Villmerger Firma und 1300 Arbeitsstunden
So ganz unentwegt stürzte sich Röthlisberger natürlich nicht ins Brennerei-Geschäft. Die richtigen Kontakte waren seit Jahrzehnten da. Werner Steinmann in Villmergen wollte seine Brennerei aufgeben, das passte bestens. Denn diese Brennerei kannte er seit Kindsbeinen. Bis Ende letztes Jahr wurde die Brennerei in Villmergen weitergeführt – und Röthlisberger durfte den gesamten Kundenstamm übernehmen. Nur, der Wohler Röthlisberger wollte sein eigenes Geschäft. Neuer Ort, neuer Name, neue Philosophie, lautete sein Ziel.
Und im Januar 2018 fand er auch sein neues Domizil, er kaufte die Liegenschaft Unterdorfstrasse 10 in Hägglingen. Und packte kräftig an. Er baute das Haus fast im Alleingang in die neue Maygreen GmbH um. 1300 Stunden harte Arbeit steckte er in seinen Traum. Laden, Sanitäranlagen, eine kleine Küche und einen Produktionsraum mit vier Brennhäfen realisierte er neu. «Das hier ist der ideale Standort», sagt er vor dem kleinen Rundgang. Daniel Röthlisberger hat sein eigenes und neues Reich geschaffen. Und sein neues Business läuft bereits wie geschmiert. Dies schon vor der eigentlichen Einweihung. Am nächsten Samstag, 9. November, am nationalen Brennertag «Die Schweiz brennt» (siehe Kasten), feiert er offiziell.
Auch die Wache im Murimoos ist wichtig
Das alles klingt recht locker. Ist es aber nicht. Von der Brennerei alleine kann der Familienvater von zwei Jungs nicht leben. Zu 60 Prozent ist er im Murimoos als Tag- und Nachtwache angestellt. Dort leistet er seine 12-Stunden-Schichten. «So geniesse ich viele Vorteile», erklärt er, «vor allem habe ich viele Freiheiten für die Brennerei.» Murimoos, Brennerei bauen und dann betreiben. Das ist seine Leidenschaft. Und natürlich die Familie. «Von der Familie habe ich in den letzten zwei Jahren ganz viel Rückhalt gespürt», zeigt er sich dankbar.
Obwohl erst jetzt die Einweihung erfolgen wird, die Produktion läuft bei Maygreen schon seit Anfang Jahr. Denn der Produktionsraum wurde zuerst fertiggestellt im neuen Domizil. Nur so konnten die Kunden bei der Stange gehalten werden. 70 Prozent sind private Kunden, 30 Prozent sind Bauern. Bei den Landwirten reicht laut Röthlisberger das Einzugsgebiet über das Toggenburg, an den Walensee bis nach Solothurn. «Und praktisch alle Bauern der Region» kommen zu Maygreen. Ähnliche Mitbewerber gibt es im Freiamt nicht.
Daniel Röthlisberger ist nicht nur Brennmeister. Er ist Experte und Nischenplayer. Wobei: Eine offizielle Ausbildung gibt es in der Schweiz nicht. Im Unterschied zu Deutschland und Österreich. Das habe halt mit der Brennereigeschichte in der Schweiz zu tun, erklärt er. Als der Bund das Monopol auf dem Alkohol hatte, sei vieles kaputtgegangen. «Dabei hat das Brennen auch in der Schweiz eine grosse Tradition.» Diese Tradition und Werte will der 48-Jährige weiterführen.
Was in die Früchteschale gehört
Selber bezeichnet sich Röthlisberger beim Schnaps als «Geniesser». Das will er der Kundschaft auch vorleben.– zusammen mit seinem Willen zur Top-Qualität. Das fängt eben mit der Frucht an. «Ich sage den Leuten immer das Gleiche: Es kommt nur das ins Fass, was sie auf einer Früchteschale servieren würden.» Also direkt ab Baum, saubere und reife Frucht. Das ist die Ausgangslage für den perfekten Schnaps. Kommt dann Röthlisbergers Geheim- und Erfolgsrezept dazu, schliesst sich der Kreislauf.
Alles, was vergärt, kann theoretisch zum Schnaps werden. Hier sind praktisch keine Grenzen gesetzt: Kirschen, Zwetschgen, Aprikosen, Mirabellen, Quitten. Setzt dann Röthlisberger bei den Eigenproduktionen an, dann fängt alles mit dem Besuch beim Bauern an. Qualität verlangt auch Aufwand.
Bereits 6000 Liter hergestellt
Die ersten Monate in Hägglingen, von Januar bis Juli, bezeichnet Röthlisberger als «wahren Traumstart». Er konnte bereits rund 6000 Liter trinkfertigen Schnaps herstellen. 300 Kunden mit 40 verschiedenen Fruchtsorten kamen nach Hägglingen. «Das sind keine schlechten Werte», denn die Brennsaison dauert von Herbst bis Frühling.
Sein Maygreen am Fusse des Maiengrüns passt bestens zu seiner Philosophie. «Ich will etwas produzieren, das den Menschen Freude bereitet», sagt der Ur-Wohler. In Wohlen ist er aufgewachsen, dort wohnt er mit seiner Familie immer noch. Der Weg nach Hägglingen zu seiner Brennerei ist für ihn absolut in Ordnung. «Hier in Hägglingen geniesse ich ein sehr gutes Umfeld und das Gebäude passt bestens zu meiner Brennerei.» Diese ideale Gelegenheit nutzte er – damit er den Menschen Freude bereiten und seinen Traum leben kann.
Informationen: www.maygreen.ch.
«Die Schweiz brennt»
Am nächsten Samstag, 9. November, 10 bis 17 Uhr, findet der Aktionstag «Die Schweiz brennt» statt. Die besten Schweizer Brennereien öffnen an diesem nationalen Brenntag ihre Tore und zeigen dem Publikum das Handwerk.
Mit dabei ist auch der Wohler Daniel Röthlisberger mit seiner neuen Brennerei Maygreen GmbH an der Unterdorfstrasse 10 in Hägglingen. Er werde dem Publikum das Schweizer Kulturgut gerne näherbringen, sagt er voller Überzeugung. Und in seinem Geschäft kann eben jeder Schritt genau betrachtet werden, weg von der industriellen Verarbeitung. Gleichzeitig feiert Maygreen am Fusse des Maiengrüns offizielle Einweihung und Eröffnung. --dm